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Alle Fotos (32)Biografie
Ulrich Tukur, geboren am 29. Juli 1957 in Viernheim, aufgewachsen in Westfalen, Hessen und Niedersachsen, studierte nach dem Abitur zunächst Germanistik, Anglistik und Geschichte in Tübingen. Während des Studiums nahm er Jobs als Akkordeonspieler und Sänger an – und wurde auf diesem Weg für die Schauspielerei entdeckt. Von 1980 bis 1983 absolvierte Tukur eine Schauspielausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Bereits während dieser Ausbildung gab er 1982 sein Bühnendebüt. Im folgenden Jahr erhielt er sein erstes Engagement am Theater Heidelberg.
Auch sein Filmdebüt gab Tukur noch während seiner Zeit an der Stuttgarter Schauspielschule: In Michael Verhoevens "Die Weiße Rose" spielte er 1982 den Widerstandskämpfer Willi Graf. Zwei Jahre später sorgte er an der Freien Volksbühne Berlin mit seiner Verkörperung eines SS-Offiziers in der Peter Zadek-Inszenierung "Ghetto" für Aufsehen. Ab 1985 stand Tukur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg auf der Bühne, unter anderem in "Julius Caesar" sowie – in den Titelrollen – in "Hamlet" und "Der Löwenjäger". 1986 wurde er von der Fachzeitschrift "Theater heute" zum "Schauspieler des Jahres" gekürt.
Im Kino fand er viel Beachtung mit seiner Darstellung des RAF-Terroristen Andreas Baader in dem umstrittenem Drama "Stammheim" (1986) sowie als feministischer Retortenmann "Felix" (1987) in dem gleichnamigen Episodenfilm von Christel Buschmann, Helke Sander, Helma Sanders-Brahms und Margarethe von Trotta.
Obwohl Tukur im Lauf seiner bisherigen Karriere in über 100 Kino- und Fernsehproduktionen mitgewirkt hat, suchte er sich seine Rollen und Filmstoffe sehr genau aus – in seiner Filmographie gibt es kaum einen Film, der nicht zumindest die Ambition hat, sich vom Mainstream abzuheben. Wiederholt trat er in Filmen von eigenwilligen Regisseuren wie Hans-Christoph Blumenberg auf, unter dessen Regie er unter anderem als Hans Albers in der Spieldokumentation "In meinem Herzen, Schatz…" und als Conrad Veidt im Reinhold-Schünzel-Porträt "Beim nächsten Kuß knall ich ihn nieder!" (1996) zu sehen war.
Auch im Fernsehen, neben dem Theater bis Mitte der 2000er Jahre sein Hauptbetätigungsfeld, spielte Tukur immer wieder in deutsch-historischen Rollen, so als Engels in "Lenz oder die Freiheit" (1986), in der Titelrolle als kommunistischer Politiker im Exil in "Wehner – Die unerzählte Geschichte" (Heinrich Breloer, 1993), als von Tresckow in "Stauffenberg" (Jo Baier, 2004), aber auch als jungdynamischer Karrierist der Gegenwart in "Das Milliardenspiel" (1989) und "Geschäfte" (1995). Für seine Leistung in dem Psychothriller "Warten ist der Tod" wurde Tukur im Jahr 2000 sowohl mit einem Grimme-Preis als auch mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Gelegentlich spielt und singt Tukur, der 1990 seine erste Platte "Tanzpalast" aufnimmt, auch in Musicals und Revue-Shows, so etwa in Peter Wecks erfolglosem Musical "Freudiana" (1990/91) und der 1993/94 eigenproduzierten Mörder-Revue "Blaubarts Orchester". 1995 wurde er mit dem Bühnenregisseur Ulrich Waller künstlerischer Leiter der Hamburger Kammerspiele.
Anfang der 2000er Jahre spielte Tukur in mehreren internationalen (Ko-)Produktionen: In István Szabós "Taking Sides – Der Fall Furtwängler" (2001) verkörperte er einen Violinisten, der über den Dirigenten Furtwängler aussagen soll; in Costa Gavras' "Der Stellvertreter" (2002) gab er einen SS-Obersturmführer und in Steven Soderberghs Hollywood-Produktion "Solaris" (2002) einen Astronauten.
Ab Mitte der 2000er Jahre konzentrierte Tukur sich verstärkt auf seine Kinoarbeiten. Nachdem er für seine Leistung in dem Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" (2006) mit dem Deutschen Filmpreis als "Bester Nebendarsteller" ausgezeichnet worden war, sah man ihn in so unterschiedlichen Filmen wie dem ironischen Beziehungsfilm "Ein fliehendes Pferd" (2007), dem Bergsteigerdrama "Nordwand" (2008) und dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden Historiendrama "John Rabe", für das er 2009 mit dem Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller geehrt wurde.
Auch in seinen nächsten Filmen zeigte Tukur, dass er fortwährend auf der Suche nach darstellerischen Herausforderungen ist: In Michael Glawoggers "Das Vaterspiel" (2009) verkörperte er einen deutschen Juden, der nach vielen Jahrzehnten glaubt, den Mann gefunden zu haben, der während des Dritten Reichs seinen Vater erschlug. Politische Untertöne hatte auch Michael Hanekes preisgekröntes Drama "Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte" (2009). Darin spielte Tukur einen Gutsherrn, der seine Machtposition in einem kleinen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkrieges schamlos ausnutzt.
Nach seiner Rolle als Entdecker der Künstlerin Séraphine de Senlis in "Séraphine" (2009) und dem Porträt eines charismatischen Hochstaplers in Dieter Wedels Fernsehzweiteiler "Gier" (2010) wurde Tukur für den "Tatort" des Hessischen Rundfunks engagiert: Im November 2010 wurde "Wie einst Lilly" ausgestrahlt, in welchem er erstmals als Kommissar Felix Murot zu sehen ist. Zuvor gab er im Doku-Drama "Eichmanns Ende" (2010) einen nach Südamerika geflohenen NS-Offizier.
2011 war Tukur als schwerreicher Industrieller in Helmut Dietls lose an dessen Erfolgsproduktion "Kir Royal" anknüpfende Satire "Zettl" zu sehen. Es folgten weitere Projekte, darunter eine Folge des Murot-"Tatorts" ("Das Dorf", 2011) und eine Nebenrolle als UN-Beamter in der internationalen Koproduktion "Das Schwein von Gaza".
Im Juni desselben Jahres wurden die Dreharbeiten zu Caroline Links "Exit Marrakech" abgeschlossen. Hier verkörperte Tukur einen Vater, der seinen Sohn nach Nordafrika einlädt, wo deren Beziehung auf eine harte Probe gestellt wird. Sein nächstes Projekt war "Freistatt" unter der Regie von Marc Brummund, dessen Skript im Juni 2012 mit dem Drehbuchpreis des 23. Filmfest Emden-Norderney ausgezeichnet wurde. Ebenfalls 2012 erhielt Tukur viel Beifall für seine Verkörperung der Titelfigur im TV-Film "Rommel". Unter der Regie von Bastian Günther spielte Tukur die Hauptrolle eines alkoholabhängigen Headhunters in "Houston". Das Drama wurde auf den Filmtagen Hof mit dem Förderpreis neues deutsches Kino ausgezeichnet und startete wenige Wochen nach "Exit Marrakech" Ende 2013 in den deutschen Kinos.
Geradezu hymnische Kritiken erhielt die betont stilisiert inszenierte "Tatort"-Folge "Im Schmerz geboren" (2014), in der Tukurs LKA-Ermittler Murot von einem alten Erzfeind (Ulrich Matthes) in einen blutigen Gangsterkrieg hineingezogen wird. Eine intensive Rolle spielte er im gleichen Jahr als pädophiler Lehrer in dem Drama "Die Auserwählten" (TV), über die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule.
Für Roland Suso Richters viel beachteten TV-Zweiteiler "Grzimek" (2015) schlüpfte Tukur in die Rolle des berühmten Zoologen und Tierschützers; Andreas Kleinert besetzte ihn in "Herr Lenz reist in den Frühling" (2015, TV) als kleinen Versicherungsangestellten und allseits missachteten Familienvater, der kurz entschlossen zu einer Reise nach Thailand aufbricht.
Eine Kinohauptrolle spielte Tukur an der Seite von Martina Gedeck in der Romanverfilmung "Gleißendes Glück" (2016), als Gehirnforscher und "Glücksspezialist", der eine innige Liebesbeziehung mit einer unglücklich verheirateten Frau beginnt.
Im Jahr 2007 gab Ulrich Tukur mit "Die Seerose im Speisesaal – Venezianische Geschichten" sein Debüt als Autor. Der Erzählband ist eine Hommage an Venedig, wo Tukur seit 1999 mit seiner Frau Katharina John lebt.
In Fatih Akins "Aus dem Nichts" war er der Vater eines mörderischen Neonazis; in dem umstrittenen, an die RAF-Morde an Alfred Herrhausen und Detlev Rohwedder angelehnten TV-Zweiteiler "Der Mordanschlag" (2018) spielte er den Chef der Treuhand-Anstalt.
Das märchenhafte Flug-Roadmovie "Grüner wird's nicht " (2018) zeigte ihn als exzentrischen Adeligen, die Scheidungskomödie "Und wer nimmt den Hund" (2019), sein fünfter Film mit Martina Gedeck, als untreuen Ehemann.
Daneben spielte Tukur weiterhin den "Tatort"-Kommissar Felix Murot, etwa in Dietrich Brüggemanns surrealem "Murot und das Murmeltier" (2018) und Thomas Stubers düsterem "Angriff auf Wache 08" (2019). Eine weitere Person der Zeitgeschichte verkörperte Ulrich Tukur in Costa Gavras' Politdrama "Adults in the Room" (2019), über die griechische Finanzkrise 2015: den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Auch in den nächsten Jahren blieb Ulrich Tukur unermüdlich aktiv. Er spielte zum Beispiel einen DDR-Funktionär in "Der Überläufer" (2020, TV), einen Topmanager in dem Wirtschaftsthriller "Jagdzeit" (CH/LU 2020) und einen trauernden Vater in "Meeresleuchten" (2021, TV). Außerdem gab er weiterhin den "Tatort"-Kommissar Murot, in "Die Ferien des Monsieur Murot" (2020) und "Murot und das Prinzip Hoffnung" (2021).
Im Kino gehörte er in kleineren Parts zum Ensemble der Komödien "Es ist nur eine Phase, Hase" (2021) und "Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt" (2022).