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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Margit Carstensen

Date of Birth
02/29/1940 - 12:00
Geburtsort
Kiel
Sterbedatum
06/01/2023 - 12:00
Sterbeort
Heide
Biografie

Margit Carstensen, geboren am 29. Februar 1940 in Kiel, absolvierte ab 1958 ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Ihr Bühnendebüt gab sie in Kleve, gefolgt von Engagements an Theatern unter anderem in Heilbronn, Münster und Braunschweig. Von 1965 bis 1969 gehörte sie zum Ensemble des Hamburger Schauspielhaus, wo sie für ihre Hauptrollen unter anderem in Stücken von John Osborne und Lope de Vega von Kritik und Publikum gerühmt wurde. 1969 wechselte Carstensen nach Bremen und von dort nach vier Jahren ans Staatstheater Darmstadt (1973–1976). Nach weiteren, teils mehrjährigen Stationen in Hamburg, Berlin und Stuttgart wurde sie 1995 Ensemblemitglied des Bochumer Schauspielhauses, dem sie bis 2006 angehörte. Daneben hatte sie Gastspiele an anderen Bühnen, etwa an den Münchner Kammerspielen und am Wiener Burgtheater. Im Verlauf ihrer Theaterkarriere arbeitete Margit Carstensen mit Regisseuren wie Leander Haußmann und Christoph Schlingensief zusammen; 2011 hatte sie an der Berliner Volksbühne unter der Regie von René Pollesch eine Hauptrolle in der viel gerühmten Inszenierung seines Stücks "Schmeiß Dein Ego weg".

Zum Film kam Margit Carstensen durch Rainer Werner Fassbinder, den sie während ihrer Zeit in Bremen kennen gelernt hatte. Unter seiner Regie gab sie 1970 in einer Studioinszenierung von Carlo Goldonis Stück "Das Kaffeehaus" (TV) ihr Debüt vor der Kamera.

In den folgenden Jahren avancierte Carstensen zu Fassbinders bevorzugter Hauptdarstellerin. Für die Titelrolle in seinem Beziehungsdrama "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" (1972) wurde sie 1973 mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet. Weitere Hauptrollen in Fassbinder-Filmen hatte sie als gedemütigte Ehefrau in "Martha" (1974), als Titelfigur in der Ibsen-Adaption "Nora Helmer" (1974), als kommunistische Journalistengattin in "Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel" (1975), als seelisch labile Mittelstands-Mutter in "Angst vor der Angst" (1975, TV), als ausgebeutete Verehrerin eines mittellosen Poeten in der bitterbösen Posse "Satansbraten" (1976), als untreue Ehefrau in dem Familiendrama "Chinesisches Roulette" (D/F 1976) und als intrigante Society-Lady in dem Gesellschaftsdrama "Frauen in New York" (1977, TV). Daneben gehörte sie zu den Ensembles unter anderem von "Die dritte Generation" (1979) und, in einer kleinen Rolle, "Berlin Alexanderplatz" (1980, TV). Insgesamt arbeiteten Carstensen und Fassbinder bei 19 Film- und Fernsehproduktionen zusammen. Daneben hatte sie eine zentrale Rolle als argwöhnische Nachbarin in Ulli Lommels "Die Zärtlichkeit der Wölfe" (1973) sowie als Marlene Dietrich in Lommels Satire "Adolf und Marlene" (1976), über eine fiktive Begegnung der Schauspielerin mit dem in sie verliebten Adolf Hitler.

Nach Fassbinders Tod im Jahr 1982 konzentrierte Carstensen sich verstärkt auf ihre umfang- und erfolgreiche Theaterarbeit; ihre Auftritte vor der Kamera wurden seltener. Sie hatte kleine Rollen in Peter Zadeks "Die wilden Fünfziger" (1983) und Agnieszka Hollands "Bittere Ernte" (1985). Eine mehrjährige Zusammenarbeit verband sie mit Christoph Schlingensief: In dessen Farce "100 Jahre Adolf Hitler. Die letzte Stunde im Führerbunker" (1989) verkörperte sie Martha Goebbels, in der Groteske "Terror 2000 – Intensivstation Deutschland" (1992) hatte sie die Hauptrolle einer Polizistin, die kurz nach der Wende in Ostdeutschland mit Neonazis konfrontiert wird; in Schlingensiefs Fassbinder-Hommage "Die 120 Tage von Bottrop" (1997) spielte Carstensen sich selbst: Als Mitglied der alten Fassbinder-Clique, die in Berlin ein Remake von Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom" drehen will. An der Berliner Volksbühne spielte sie für Schlingensief in Inszenierungen von "Bambiland" (2003) und "Attabambi-Pornoland – Die Reise durchs Schwein"(2003).

Im Kino gehörte sie unter der Regie von Nina Grosse zum Ensemble von "Feuerreiter" (1998); Leander Haußmann besetzte sie in "Sonnenallee" (1999) in einer kleinen, aber köstlichen Rolle als verkniffene Schuldirektorin; in Romuald Karmakars Ensemble-Film "Manila" (2000) brillierte sie als Touristin, die am Flughafen von Manila festsitzt. Einen späten Höhepunkt erfuhr Carstensens Karriere mit Chris Kraus' "Scherbentanz": Für ihre intensive Leistung als alkoholkranke und verwahrloste Mutter eines an Leukämie erkrankten Sohns wurde sie 2002 mit dem Bayerischen Filmpreis als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.

Trotz dieses Erfolgs blieben ihre Filmauftritte rar. In Oskar Roehlers "Agnes und seine Brüder" (2004) spielte sie eine verständnisvolle Frau, die der getriebenen Titelfigur bis zum Tod beisteht. In dem Essayfilm "It Is Fine! Everything Is Fine." (USA 2007), über den Schriftsteller Steven C. Stewart, hatte sie eine Hauptrolle als Krimi-Schriftstellerin Linda Barnes. Detlev Buck besetzte sie in seinem erfolgreichen Kinderfilm "Hände weg von Mississippi" in einer Nebenrolle als Haushälterin.

Ihre letzte Kinorolle spielte Margit Carstensen in Frauke Finsterwalders preisgekröntem "Finsterworld" (2013), als 85-jährige Bewohnerin eines Altersheims, die eine spezielle Beziehung zu ihrem Fußpfleger entwickelt.

Im Fernsehen war Carstensen ein letztes Mal in der "Tatort"-Folge "Wofür es sich zu leben lohnt" (2016), als Mitglied einer undurchschaubaren Seniorinnen-WG zu sehen. In gewisser Weise schloss sich hier ein Kreis, denn die "Tatort"-Kommissarin spielte Eva Mattes, auch sie eine der großen Fassbinder-Schauspielerinnen, mit der Carstensen damals fünf Filme gedreht hatte.

2019 wurde Margit Carstensen mit dem Götz-George-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Am 1. Juni 2023 verstarb sie im Alter von 83 Jahren.

Filmography
2018-2020
Schlingensief - In das Schweigen hineinschreien
  • Mitwirkung
2015/2016
Wofür es sich zu leben lohnt
  • Darsteller
2014/2015
Fassbinder
  • Mitwirkung
2012/2013
Finsterworld
  • Darsteller
2007/2008
Mister Karl
  • Mitwirkung
2006/2007
Hände weg von Mississippi
  • Darsteller
2004
Agnes und seine Brüder
  • Darsteller
2001/2002
Scherbentanz
  • Darsteller
1998-2000
Manila
  • Darsteller
1998/1999
Sonnenallee
  • Darsteller
1997/1998
Feuerreiter
  • Darsteller
1996/1997
Die 120 Tage von Bottrop
  • Darsteller
1996
Das schmutzige Dutzend
  • Darsteller
1997
Gesches Gift
  • Darsteller
1992
Terror 2000 - Intensivstation Deutschland
  • Darsteller
1992
Rollenspiele - Fassbinder und die Frauen
  • Mitwirkung
1990/1991
Wer bist Du, Vater?
  • Darsteller
1989
Untergrund
  • Darsteller
1988/1989
100 Jahre Adolf Hitler. Die letzte Stunde im Führerbunker
  • Darsteller
1984/1985
Bittere Ernte
  • Darsteller
1984
Emilia Galotti
  • Darsteller
1982/1983
Die wilden Fünfziger
  • Darsteller
1981/1982
Liebeskonzil
  • Darsteller
1980/1981
Possession
  • Darsteller
1979/1980
Mein Traum vom Traum des Franz Biberkopf von Alfred Döblin – Ein Epilog
  • Darsteller
1979/1980
Eine Handvoll Menschen in der Tiefe der Stille
  • Darsteller
1979/1980
Berlin Alexanderplatz (14 Teile)
  • Darsteller
1978/1979
Die dritte Generation
  • Darsteller
1978/1979
Kalte Heimat
  • Darsteller
1977/1978
Spiel der Verlierer
  • Darsteller
1977
Frauen in New York
  • Darsteller
1976
Chinesisches Roulette
  • Darsteller
1975/1976
Satansbraten
  • Darsteller
1976
Adolf und Marlene
  • Darsteller
1975
Angst vor der Angst
  • Darsteller
1975
Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel
  • Darsteller
1973/1974
Nora Helmer
  • Darsteller
1972-1974
Fontane Effi Briest
  • Synchronsprecher
1973/1974
Martha
  • Darsteller
1973
Welt am Draht
  • Darsteller
1972/1973
Die Zärtlichkeit der Wölfe
  • Darsteller
1972
Bremer Freiheit: Frau Geesche Gottfried - Ein bürgerliches Trauerspiel
  • Darsteller
1972
Oma und Gregor
  • Darsteller
1971/1972
Die bitteren Tränen der Petra von Kant
  • Darsteller
1971
Die Ahnfrau - Oratorium nach Franz Grillparzer
  • Darsteller
1970
Die Niklashauser Fart
  • Darsteller
1970
Das Kaffeehaus
  • Darsteller
URL: https://www.filmportal.de/person/margit-carstensen_b49f2b2ee0cb48768e5aa6e82ad0b274