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Alle Fotos (27)Biografie
Jutta Wachowiak wurde am 13. Dezember 1940 in Berlin geboren und wuchs nach der Teilung Deutschlands in der DDR auf. Nach dem Schulabschluss absolvierte sie zunächst eine Ausbildung als Stenotypistin und Sekretärin, bevor sie ihren eigentlichen Berufswunsch verwirklichte: Schauspielerin. Eine erste Bewerbung an der Schauspielschule Berlin war nicht von Erfolg gekrönt. Schließlich bewarb sie sich an der Filmhochschule Babelsberg, wo sie von 1961 bis 1963 ein Schauspielstudium absolvierte.
Bereits während dieser Zeit spielte Wachowiak kleine Rollen bei Film und Fernsehen, so etwa eine Schauspielstudentin in Ralf Kirstens Komödie "Auf der Sonnenseite" (1962), die Manfred Krug bekannt machte, oder als Frau eines Studentenvertreters in Günter Reischs Komödie "Ach, Du Fröhliche..." (1962).
Nach dem Studienabschluss erhielt Wachowiak ein Engagement am Hans-Otto-Theater Potsdam. Dort blieb sie für fünf Jahre, fühlte sich jedoch nie wirklich zuhause: in einem Interview 1981 bezeichnete sie die Potsdamer Zeit rückblickend als "eine einzige Niederlage". 1968 engagierte Gerhard Meier sie ans Städtische Theater Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). Dort gelang es Wachowiak, sich "freizuspielen" und künstlerisch zu verwirklichen. Als sie in der Rolle der Luise in Schillers "Kabale und Liebe" auf der Bühne stand, wurde sie zusammen mit ihrem Bühnenpartner Christian Grashof von dem Intendanten Wolfgang Heinz entdeckt: er holte die beiden 1970 ins Ensemble des Deutschen Theaters Berlin. Dort gab sie ein viel beachtetes Debüt als Sonja in Tschechows "Onkel Wanja" (1972). Allein in den 1970er Jahren sah man sie am Deutschen Theater in einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Rollen. Sie gab die Charlie in Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." (1972), Cordelia in Shakespeares "König Lear" (1976) und Polly in Kahlows "Die Galoschenoper" (1978) – um nur ein paar herausragende Beispiele zu nennen.
Parallel zu ihrer Bühnenkarriere wirkte Wachowiak regelmäßig in Produktionen der DEFA und des DDR-Fernsehens mit. Größere Aufmerksamkeit erhielt sie Ende der 1960er Jahre als Partisanenführerin Babka in der Arnold-Zweig-Adaption "Der Streit um den Sergeanten Grischa" (1967, TV), und als liebestolle Witwe in der Kinokomödie "Seine Hoheit – Genosse Prinz" (1969). Ihre Verkörperungen der historischen NS-Widerstandskämpferin Libertas Schulze-Boysen in "KLK an PTX – Die Rote Kapelle" (1971) und der Grusche in der Brecht-Adaption "Der kaukasische Kreidekreis" (1976, TV) festigten ihren Ruf als vielseitige Film- und Fernsehschauspielerin.
Von besonderer Bedeutung war ihre Zusammenarbeit mit Thomas Langhoff. 1976 drehte sie mit ihm das erfolgreiche Fernsehspiel "Die Forelle", die Geschichte einer jungen Mutter, die nach dem unerwarteten Tod ihres Mannes ihr Leben neu gestalten muss. Für die nächsten Jahre war Wachowiak Langhoffs bevorzugte Hauptdarstellerin: die beiden drehten die Gegenwartsgeschichten "Befragung – Anna O." (1977) und "Guten Morgen, du Schöne" (1979, nach Maxie Wander), sowie die eigenwilligen Literaturadaptionen "Stine" (1979, nach Fontane, TV), "Muhme Mehle" (1980, frei nach Ruth Werner) und "Stella" (1982, nach Goethe). Ebenfalls unter Langhoffs Regie spielte sie 1980 am Deutschen Theater die Titelrolle in "Maria Stuart".
Eine weitere wichtige Zusammenarbeit verband Wachowiak mit Roland Gräf. In dessen sozialkritischer Komödie "Bankett für Achilles" (1975) war sie die Tochter der Titelfigur, in der Beziehungs- und Milieustudie "P.S." (1978) eine Bewährungshelferin, die eine Liebesbeziehung mit einem 18-jährigen Waisenjungen eingeht. Kritikerlob erhielt auch Herrmann Zschoches "Glück im Hinterhaus" (1979), nach Günter de Bruyns Roman "Buridans Esel", mit Wachowiak als Ehefrau eines Mannes in der Midlife-Krise.
Ihre Hauptrolle in dem Drama "Die Verlobte" (1980, Regie: Günther Rücker und Günter Reisch), nach der autobiografischen Romantrilogie "Haus der schweren Tore" von Eva Lippold, machte Jutta Wachowiak auch international bekannt. Darin spielte sie eine Kommunistin, die ins Räderwerk des Strafvollzugs im Dritten Reich gerät. Der Film erhielt mehrere Auszeichnungen und wurde nicht zuletzt für Wachowiaks vielschichtige Darstellung gelobt.
Erneut mit Roland Gräf als Regisseur spielte sie in der preisgekrönten Literaturverfilmung "Märkische Forschungen" (DDR 1982, nach Günter de Bruyn) die Ehefrau eines Landlehrers, der sich auf die Spuren eines vergessenen märkischen Dichters begibt und im Wissenschaftsapparat auf Arroganz und Selbstherrlichkeit stößt. In Gräfs "Das Haus am Fluß" (1986, nach Friedrich Wolf) hatte sie die Hauptrolle einer Mutter, die mit ihren Töchtern von den Auswüchsen des Krieges heimgesucht wird.
Ralf Kirsten besetzte sie in der Titelrolle der Filmbiografie "Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens" (1987). Wachowiaks letzter DEFA-Film war Roland Gräfs "Fallada – letztes Kapitel", in dem sie die Ehefrau des Schriftstellers spielte – für viele Jahre blieb dies ihre letzte Kinorolle. Am Deutschen Theater sah man sie in den 1980er Jahren unter anderem in "Yerma" (1984) und "Der blaue Boll" (1985). 1990 wurde sie für ihre Theaterarbeit mit dem Wolfgang-Heinz-Ring ausgezeichnet.
Im Fernsehen übernahm Jutta Wachowiak nach der Wende nur vereinzelt Rollen, etwa in Michael Verhoevens "Schlaraffenland" (1990), einer kritischen Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der deutschen Wiedervereinigung. Sie gab die Witwe eines vermeintlichen Selbstmörders in der Berliner "Tatort"-Folge "Geschlossene Akten" (1994) und spielte eine wichtige Rolle in Frank Beyers zweiteiliger Hauptmann-Verfilmung "Nikolaikirche" (1995). Sehr viel Beachtung fand Tom Toelles hoch gelobte Fallada-Adaption "Der Trinker" (1995), in der sie (wie schon in Gräfs Fallada-Film) die Ehefrau der Hauptfigur (Harald Juhnke) verkörperte. Im Jahr 2000 sah man Wachowiak im Ensemble von Margarethe von Trottas vierteiligem Familienepos "Jahrestage". Unter Trottas Regie spielte sie wenige Jahre später auch ihre erste Kinorolle seit 1988, als jüdische Mutter in Nazi-Deutschland in dem hoch gelobten Drama "Rosenstraße" (2003).
Trotz solch markanter Rollen war Wachowiaks Hauptbetätigungsfeld zwischen 1990 und 2004 das Deutsche Theater Berlin, wo sie etwa in Inszenierungen von "Der Biberpelz" (1993, Regie: Thomas Langhoff) und "Antigone" (2003) mitwirkte. Erst als Bernd Wilms die Intendanz übernahm, wurde sie dort immer seltener besetzt. Als Folge wechselte sie nach der Spielzeit 2004/05 an das Grillo-Theater in Essen, wo ihr in einer Reihe bedeutender Aufführungen viel Beachtung zuteilwurde, etwa in "8 Frauen" (2005), "Tartuffe" (2008) und "Harold und Maude" (2009). In Essen blieb sie bis 2009, während dieser Zeit spielte sie keine Fernsehrollen.
Ab 2009 trat sie als Gastschauspielerin am Deutschen Theater, am Berliner Ensemble und am Schauspiel Bochum auf. Zugleich begann sie, wieder Fernsehrollen zu übernehmen. Neben einigen Serienauftritten spielte sie eine Schlüsselrolle als Mutter in Tim Tragesers Drama "Wohin mit Vater?" (2009) und war in Sylke Enders' Beziehungsdrama "Du bist dran" (2013) die Mutter eines zynischen Hausmannes (Lars Eidinger), die unerwartet verstirbt. Sie verkörperte in "Nach all den Jahren" (2013) die mütterliche Freundin der Hauptfigur (Simone Thomalla) und gehörte in der Tragikomödie "Die letzten Millionen" (2014) zu einer Seniorengruppe, die gemeinsam einen Lotto-Jackpot knackt.
Eine kleinere Kinorolle spielte Wachowiak 2016 in dem Coming-of-Age-Musikfilm "Rockabilly Requiem", als Großmutter eines jugendlichen Rockabilly-Musikers. Dominik Graf besetzte sie im Ensemble der Charakterstudie "Hanne" (2018, TV), die Magdeburger "Polizeiruf 110"-Folge "Mörderische Dorfgemeinschaft" (2019) zeigte sie als Mutter eines Mordverdächtigen.
Auf der Bühne sah man sie zuletzt am Deutschen Theater Berlin in "Gespenster" (2017-2018) und dem Soloprogramm "Jutta Wachowiak erzählt Jurassic Park" (2018-2020), in dem sie die Geschichte eines geheimnisvollen, streng gesicherten Dino-Parks mit ihrer eigenen DDR-Biografie verzahnt.
Jutta Wachowiak lebt in Potsdam und auf Usedom.