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Der Chemiearbeiter Karl Achilles hat 30 Jahre im Kombinat Bitterfeld geschuftet und geht nun mit 65 in Rente. Der junge Hochschulabsolvent Bahre sitzt schon in den Startlöchern, seinen Platz einzunehmen. Für Achilles gibt Bereichsleiter Walura ein Abschiedsbankett, auf dem der noch rüstige Rentner gebührend beweihräuchert werden soll. Doch Achilles ist von Bitterkeit befallen und nutzt die Gelegenheit, um mit seinen ehemaligen Kollegen abzurechnen. Auch von einer für den Abend angesetzten privaten Feier, zu der extra seine Kinder angereist sind, flüchtet er. Alleine sucht er noch einmal das Blumenbeet auf, das er auf dem Industriegelände angelegt hat. Mit besonders widerstandsfähigen Pflanzen wollte er hier die zerstörte Bitterfelder Landschaft verschönern.
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Allerdings nicht in seiner bisherigen Position als Meister: Die hohe Technisierung der Produktion verlangt hochspezialisierte Ingenieure, da kann ein verdienter alter Kämpe selbst mit Spickzetteln nicht mithalten. Achilles ist den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Als er zu dieser für ihn bitteren Erkenntnis kommt, geht er freiwillig. Und macht einem dreißigjährigen Hochschulabsolventen, dem Ingenieur Baahre Platz, und das im ganz wörtlichen Sinn.
Um dem verdienten Pensionär den Abschied zu versüßen, soll Karl von Partei, Betrieb und Gewerkschaft ein opulentes Bankett ausgerichtet werden, Betriebsleiter Walura, sein alter Kumpel, mit dem er die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und dann auch den Betrieb aufgebaut hat, wird sich da nicht lumpen lassen. Doch als Achilles beginnt, mit einigen Lebenslügen aufzuräumen, droht die Abschiedsfete zu platzen...
Gelbe Schlote und blaue Blumen: Roland Gräfs „Bankett für Achilles“ offenbart dem Reisenden, der beim Durchfahren des Bitterfelder Industriegebietes naserümpfend das Zugabteilfenster schließt, eine ausgebeutete Landschaft, deren Menschen es gelernt haben, der Natur wie dem Leben kleine Freuden des Alltags abzuringen. Er zeigt, was Begriffe wie Heimat und Bodenständigkeit gerade in einer solchen Region bedeuten: Achilles will die Halden „blau machen“, und die dafür benötigte Kreuzung von Wegwarte und Kornblume ist ihm wichtiger als die Reise ans Schwarze Meer, die ihm die Partei zum Pensionsantritt geschenkt hat.
Dieser Achilles geht zwar nicht ganz ohne Bitterkeit, aber frei von jeglicher Verbitterung seinen ganz eigenen Bitterfelder Weg. Er will nicht auf dem Altenteil seine „Pension verzehren“, sondern ganz im Gegenteil endlich die Projekte verwirklichen, denen er sich bisher nicht mit voller Kraft widmen konnte. Blumenbeete und Gewächshäuser sind seine neuen Betätigungsfelder, und dabei lässt er sich weder von seiner zweiten Frau Marga, noch von seiner Tochter Ursel und schon gar nicht von sturen Bürokraten dreinreden, die offiziell die „Neuerer-Bewegung“ propagieren, selbst aber mauern und sich wie von Achilles beklagt als dreißigjährige Rentner entpuppen.
Überdies reiht sich „Bankett für Achilles“, Szenarium und Drehbuch stammen vom 30-jährigen Debütanten Martin Stephan, wenn auch unbewusst, in eine ganze Phalanx beeindruckender bundesdeutscher Filme ein, die explizit dem Jugendwahn der 1970er Jahre trotzen und die „Alten“ entdecken, so Karl-Otto Mühls „Rheinpromenade“, Bernhard Sinkels phänomenaler Kassenschlager „Lina Braake“ oder „Eiszeit“ von Tankred Dorst und Peter Zadek. Zur hochkarätigen Besetzung gehören Fred Delmare als „Kanarienvogel“ genannter alter Mitstreiter Karls und Ute Lubosch als seine Pflegetochter Beate.
Regisseur Roland Gräf in der DDR-Wochenzeitung „Sonntag“ (47/1975): „Die Landschaft interessierte mich tatsächlich sehr und nicht nur in einem geografischen Sinne. Wie eine Landschaft aussieht und wie die Menschen darin arbeiten und leben – das gehört zusammen, es bedingt sich, formt sich gegenseitig. Die Eigenheiten, die den Gestalten unseres Films ihr Gepräge geben, haben also auch sehr viel mit dem historisch-sozialen Antlitz dieser Gegend zu tun.“
Pitt Herrmann