...verdammt, ich bin erwachsen

DDR 1973/1974 Spielfilm

Inhalt

Der 15jährige Klaus Kambor, genannt Kurbel, lebt in einem Dorf in der Lausitz und fühlt sich schon richtig erwachsen. Er verträgt den Genuss von reichlich Rhabarberwein, und geküsst hat er auch schon. Doch mit seiner neuen Rasenmäh-Methode, die Klaus für genial hält, leistet er sich einen großen Fehler: Er löst einen Waldbrand aus. Auf gar nicht erwachsene Weise drückt er sich vor seiner Verantwortung, was zum Ende seiner Liebe zu Daniela führt. Zudem begreift er nicht, dass einige von ihm geliebte Plätze in der Umgebung nun dem Tagebau geopfert werden sollen. Erst durch die Freundschaft mit Lehrer Konzak und dem Bauarbeiter Jule fühlt er sich verstanden und lernt, mehr Verantwortung zu übernehmen. So erkennt er schließlich, dass das Erwachsensein nicht immer so einfach ist, wie er sich das vorgestellt hat.

Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

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Heinz17herne
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„Ich bin ja eigentlich erwachsen“ stellt Klaus Kambor, genannt Kurbel, fest, als er im „Paradies“ abhängt, einem kleinen See unweit „seines“ Dorfes in der Lausitz. Am liebsten lässt er sich auf einem selbstgebastelten Floß, der einstigen Tür einer Telefonzelle mit der Mahnung „Fasse dich kurz!“, treiben. Der 15-Jährige geht er mit der Förstertochter Daniela, dem Schwarm aller Jungs seiner Klasse 9a. „Ich find‘ sie blöd, diese Knutscherei“: Andererseits sitzt er bei der Disco unter den Augen des Schuldirektors Opitz lieber am Plattenspieler. Die Chance zum Klammerblues lässt sich sein härtester Konkurrent, der lange Barthel, natürlich nicht entgehen. Sodass sich Gudrun Chancen ausrechnet, Danielas Stelle bei Kurbel einzunehmen.

Dieser lebt mit seinen Eltern und Oma Slabke auf der Buschmühle, während sein älterer Bruder Peter bei der Volksmarine dient und nur noch selten vorbei kommt. Unmittelbare Nachbarn sind der Senior Oskar Jubke, der immer noch täglich in seiner Schusterwerkstatt arbeitet, und die Familie Honko. Wenn Paul Honko mal wieder zu viel getrunken hat, müssen Gattin Melanie und Tochter Elisabeth in Deckung gehen. Was dem an der Kette gefesselten Hofhund nicht gelingt, weshalb Kurbel mutig dazwischen geht, als der unschuldige Vierbeiner die Prügel einstecken soll, welcher Honko seinen beiden Frauen zugedacht hatte.

Eine Großtat, die bei Konsum-Verkäuferin Inge gut ankommt und sogleich im ganzen Ort bis hin zum einflussreichen Ratsvorsitzenden die Runde macht. Was Kurbel zugutekommt, als er Oma Slabke beim Mähen helfen will und das hochgewachsene Gras abzufackeln versucht. Mit Föhrenzweigen ist dem daraus resultierenden Waldbrand nicht beizukommen, weshalb die Kindergärtnerin Kandidel die Feuersirene betätigt und bald das ganze Dorf auf den Beinen ist, um das Schlimmste zu verhindern.

Während Kurbel die Schule schwänzt, um sich nicht allseitigen Vorwürfen auszusetzen, muss sich sein Vater Achim Kambow, Arbeiter am Hochofen, einiges von seinen Kollegen anhören. „Erwachsen sein – ist man da immer allein?“ fragt sich Kurbel in seinem Paradies, als er einen einsamen Elch beobachtet und dessen Spur verfolgt. Dabei übersieht er, dass er in seinem Klassenkameraden Piepe Jatzmauk nicht nur einen echten Freund hat, sondern auch auf den verständnisvollen Klassenlehrer Robert „Robby“ Konzak zählen kann: „Durch so eine Sache muss man durch. Kneifen hilft da nicht.“

Abends wird er von einem Mopedfahrer im wahren Wortsinn aufgelesen und daheim abgeliefert: Dieser heißt Jule Bucht, ist Baggerführer und mit Elisabeth liiert. Von ihm, der immer mehr in die Rolle eines älteren Bruders schlüpft, erfährt Kurbel, dass sich im Ort demnächst einiges ändern wird: Ein großes Kraftwerk soll gebaut werden für die Braunkohle des immer näher rückenden Tagebaus. Als die noch leeren Wohnungen der Buschmühle von Montagearbeitern bezogen werden, kann auch der Ratsvorsitzende nicht mehr länger schweigen: „Bis zur Kreisstadt soll alles weg.“

„Naturschutzgebiete bleiben. Dafür gibt’s Gesetze“ widerspricht Lehrer Konzak auf einer FDJ-Versammlung in der Turnhalle. Und Kurbel stellt mit einem Wagenrad noch schnell den Unterbau eines potentiellen Storchennestes in seinem Paradies auf einen Leitungsmast. Als die „Saurier“ genannten, 1.200 Tonnen schweren und dreißig Meter hohen Schaufelbagger anrücken, steht Förster Greiner mit seiner schulischen Wald-AG auf verlorenem Posten: „Kommt doch alles weg hier“ kommentieren resigniert die Schüler. Immerhin kann das Dorf bestehen bleiben, nur die Buschmühle muss dem Tagebau weichen.

Und Kurbels Paradies. Dafür läuft auf privater Ebene alles nach Plan: „Robby“ Konzak wird die Kindergärtnerin Kandidel heiraten, wobei die Klasse 9b gehörig nachgeholfen hat. Und Jule Bucht steht zu Elisabeth Honko, will sich scheiden lassen und verspricht seiner Frau, stets für sie und das gemeinsame Kind zu sorgen. Kurbel hat mit großen Augen die neuen Entwicklungen verfolgt. Nun geht’s mit der Klasse per Rad an die Ostsee. Klaus Kambor wird allmählich erwachsen – auch mit Hilfe eines „Hühnergott“ genannten Feuersteins mit Loch, den Daniela nach der Rückkehr um ihren Hals trägt…

Joachim Nowotnys Roman eines Sommers in der Lausitz, „Der Riese im Paradies“, 1969 im Kinderbuchverlag Berlin erschienen, bildete die Vorlage für die bis in kleine Nebenrollen prominent besetzte Coming-of-Age-Geschichte, die am 30. April 1976 erstmals im Fernsehen der DDR gezeigt wurde. Bei ihr spielt die Umweltzerstörung im Lausitzer Braunkohlerevier nur am Rande eine Rolle. Die MDR-Pressestelle sah das anders anlässlich der Erstausstrahlung am 21. Mai 2022: „Der Film beeindruckt mit schönen Landschaftsbildern, doch er setzt sich - für die damalige Zeit - auch überraschend kritisch mit der Zerstörung der Natur durch den Braunkohleabbau in der Lausitz auseinander.“

Schon Joachim Nowotnys Vorlage ist eher technikaffin als umweltbewusst. Erst zwölf Jahre später hat der inzwischen in Leipzig lebende SED-Literaturfunktionär mit IM-Verbindung zur Staatssicherheit in seinen beiden 1981 erschienenen Werken, „Letzter Auftritt der Komparsen“ (Mitteldeutscher Verlag Halle/Saale) und dem ebenfalls von Rolf Losansky verfilmten Roman „Abschiedsdisco“ (Kinderbuchverlag Berlin), die Zerstörung der Dörfer seiner Heimat durch den Braunkohletagebau in aller Deutlichkeit beklagt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Assistenz-Regie

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera

Kostüme

Schnitt

Mischung

Musik-Ausführung

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2582 m, 85 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 19.09.1974, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) ...verdammt, ich bin erwachsen
  • Arbeitstitel (DD) Der Riese im Paradies

Fassungen

Original

Länge:
2582 m, 85 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 19.09.1974, Berlin, International

Auszeichnungen

Heinrich-Greif-Preis 1976
  • II. Klasse im Kollektiv
Preis des Internationalen Kinder- und Jugendfilmfestivals Gijón 1975