Hanne

Deutschland 2017/2018 TV-Spielfilm

Inhalt

Chefsekretätin Hanne verabschiedet sich nach langjähriger Tätigkeit für ihre Firma in den Ruhestand. Doch was für viele der Auftakt zu einem neuen Lebensabschnitt ist, scheint für Hanne möglicherweise einen ganz anderen Ausgang zu nehmen: Bei einer Routineuntersuchung werden Auffälligkeiten in ihrem Blutbild festgestellt, der genaue Befund soll jedoch erst nach einigen Tagen vorliegen. So muss Hanne ein Wochenende voll Unsicherheit überstehen und entscheidet – ohne jemandem etwas zu sagen – sich zwei Tage im Hotel in einer fremden Stadt einzunisten. Schwankend zwischen großer Angst und Abenteuerlust lebt sie dort ziellos in den Tag und hat ganz unerwartete Begegnungen. So trifft sie etwa auf die lebenslustige Dessousverkäuferin Uli, mit der sie sich anfreundet und um die Häuser zieht, sowie auf ihre Jugendliebe Heiner. Als sie dann noch erfährt, dass sie Großmutter wird, erkennt sie endgültig, dass man das Leben und sein Schicksal mit beiden Händen packen und jeden Tag genießen sollte...

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die Schampus-Korken knallen, doch der Chef ist noch nicht da. Dabei wird dessen rechte Hand seit drei Jahrzehnten vor versammelter Belegschaft in den, wie es üblicherweise heißt, wohlverdienten Ruhestand versetzt. So steht es auch in seiner Laudatio, welche Hanne Dührsen in wesentlichen Teilen selbst verfasst hat. Und die sie nun auch an seiner statt verlesen muss, nachdem ihre Assistentin Julia mit der entsetzlichen Kunde in die Feier hineingeplatzt ist, der Chef habe sich auf dem Weg hierher mit seinem Porsche überschlagen und liege auf der Intensivstation. Als Hanne die Überreste der arg verkürzten Abschiedsfete abräumt, kommt die Todesnachricht.

Da wird der höchst ärgerliche Diebstahl ihres Portemonnaies durch eine junge Mitarbeiterin, die sie heulend auf dem gar nicht wie erhofft stillen Örtchen vorfand, wo sie sich eigentlich selbst sammeln wollte, zur Bagatelle, zumal der Busfahrer Hanne als Stammgast erkannt und auch ohne Zeitfahrausweis nach Hause befördert hat. Doch das ist noch nicht alles: am anderen Tag, wo sich die zwar vom Geld entleerte Börse mit allen Ausweisen glücklicherweise im Briefkasten wiederfindet, will sich die frischgebackene Pensionistin in die Hände von Dr. Hamed begeben, um sich übers Wochenende in der Klinik ihre Krampfadern behandeln zu lassen. Während Malermeister Meier und sein altklug philosophierender Azubi Lorenz ihre für eine Person viel zu große Wohnung in strahlendes Wellness-Weiß hüllen sollen.

Die Routineuntersuchung vor der Operation hat Auffälligkeiten in Hannes Blutbild ergeben. Eine mögliche Ursache der erhöhten Leukozytenwerte: Blutkrebs. „So schnell wird nicht gestorben“: Der Spruch des Arztes verfehlt seine beruhigende Wirkung auf die bislang so aktive, attraktive und jung gebliebene Frau vollkommen. Ohne ihrem Sohn Tim etwas zu sagen, fährt sie mit der Bahn in eine andere Stadt und bucht sich für zwei Nächte in einem farblosen Mittelklasse-Hotel ein. Um als erstes genau das zu tun, wovor sie Dr. Hamed gewarnt hat: Sie informiert sich über Leukämie im Internet.

Beim „bürgerlichen Italiener“ unweit der tristen Herberge trifft sie auf die lebensfrohe Dessousverkäuferin Uli, die gerade samt seiner Familie den 70. Geburtstag ihres erheblich älteren Gatten Hagü feiert. Von Uli hinzugebeten als „alte Freundin“, ziehen die beiden Frauen anschließend noch um die Häuser, was zur Folge hat, dass Hanne am anderen Morgen ihren Kater erst ‘mal mit fettem Räucherfisch bekämpfen muss, bevor sie sich von der netten Rezeptionistin einen Badeanzug leiht und den attraktiven Schwimmtrainer im Hallenbad anbaggert.

So in die rechte Abenteuerstimmung versetzt, bringt sie die Aufschrift eines Tiefladers darauf, mit dem Baustoffhändler Heiner Witt in Kontakt zu treten – ihrer großen Liebe aus Studienzeiten. So darf sie erstmals auf dem Bock eines Riesen-Trucks sitzen und zwischen Sand- und Kiesbergen umherkurven, um dann zuerst in der Werkskantine und dann bei Heiner daheim im Bett zu landen. Der leidet aus Hannes Sicht glücklicherweise unter Gedächtnisschwund, sodass diese kleine Affäre ohne Folgen bleiben kann. Als Tim seine Mutter endlich am Telefon erreicht, fährt er die Stunde mit dem Wagen zu ihrem Hotel, um wie in alten Zeiten mit Mohrenkopf-Brötchen zu frühstücken. Hanne wird in etwa sechs Monaten Oma – wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Andererseits wird Hanne zunehmend nervös und lässt sich zum Wohnhaus der Hameds fahren, wo sie hofft, vorzeitig ihre Laborwerte zu erfahren. Doch dort steigt gerade ein bunter Kindergeburtstag und Hameds Frau Franziska ist nicht gerade erbaut über diesen Einbruch des Beruflichen ins Private. Hanne hat die Neubausiedlung am Rand der ungenannten Stadt gerade verlassen, als sie ein Regenguss nötigt, in einem Hochsitz Zuflucht zu nehmen. Wo sie auf den jagenden Landwirt Sveni Kruse trifft, der das nasse Bündel Mensch mit zu seiner Großfamilie auf den Bauernhof nimmt.

Dort steuert die aus Ostpreußen stammende Oma Lisbeth aus ihrem auf der Flucht geretteten Haushaltsbuch das Rezept für eine „Kindbettsuppe“ sowie ein frisch getötetes Huhn bei – und nachts in der Hotelküche führt die junge Rezeptionistin vor, wie ein Huhn gerupft und ausgenommen wird. Nun kann Tims Kind kommen. Und am Montag in der Klinik die Diagnose. Sollte sie positiv ausfallen, also aus Hannes Sicht negativ, wird sie sich nicht kampflos in ihr Schicksal fügen. Einen Ort der Erholung anschließend jedenfalls hat Hanne sicher: Ulis Ferienwohnung auf Sylt…

Die erste Zusammenarbeit der Psychologin und vierfachen Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack und des zehnfachen Grimme-Preisträgers Dominik Graf, ist am 7. Juni 2019 auf Arte erstausgestrahlt worden. Die aus dem Off gesprochenen Kapitelüberschriften lassen sorgfältig recherchierte dokumentarische Miniaturen erwarten. „Hanne“ aber ist vor allem ein in allen Details stimmiges Porträt einer souveränen, die nötige Distanz wahrenden Frau, die bisher gewohnt war, alles fest im Griff zu haben – Beruf, Familie (Mann lebt getrennt, Sohn ist erwachsen und aus dem Haus) und ihr eigenes, selbstbestimmtes Leben. Die sich nach der vermeintlichen, jedenfalls noch nicht sicheren Krebs-Diagnose von ihrem bisherigen, streng geregelten Lebensumfeld löst, im Übrigen was ihr Outfit betrifft auch optisch – und sich nicht nur ziellos treiben lässt, sondern sogar bereit ist zu höchst ungewissen Abenteuern. Allerdings stets darum bemüht, die Kontrolle nicht ganz zu verlieren.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 06.11.2017 - 08.12.2017: Wilhelmshaven, Berlin
Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 02.07.2018, München, Filmfest

Titel

  • Originaltitel (DE) Hanne

Fassungen

Original

Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 02.07.2018, München, Filmfest

Auszeichnungen

Grimme-Preis 2020
  • Grimme-Preis, Fiktion