Inhalt
Die Hamburgerin Katja wird vollkommen aus der Bahn geworfen, als ihr Mann Nuri und ihr Sohn Rocco bei einem terroristischen Bombenanschlag ums Leben kommen. Sie stürzt in eine tiefe Krise, greift zu Drogen, denkt an Selbstmord. Schließlich gelingt es der Polizei, die Attentäter zu identifizieren und zu verhaften: Es handelt sich um das Neonazi-Paar André und Edda. Andrés eigener Vater hatte die Ermittler auf die richtige Spur gebracht. Doch Katjas Hoffnung, dass die Mörder für ihr Verbrechen verurteilt werden, erfüllt sich nicht: Nach einem aufreibenden Prozess, bei dem Nuris bester Freund Danilo als Katjas Anwalt fungiert, werden Edda und André freigesprochen, aus Mangel an Beweisen. Katja ist erschüttert. Doch ihre Enttäuschung weicht bald dem Entschluss, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen.
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Ihre Eltern Annemarie und Michi sind von Anfang an gegen die Beziehung gewesen, aber auch seine Erzeuger zeigen als gläubige Muslime wenig Begeisterung für eine christliche Schwiegertochter. Nach Nuris Entlassung sind beide in einen ruhigen Vorort im Grünen gezogen und er hat in besagtem Viertel ein Übersetzungsbüro mit Reiseagentur eröffnet. Am Tag, als die Nagelbombe ihr Leben zerstörte, hat Katja ihren Sohn bei Nuri abgegeben, um sich in Ruhe mit ihrer Freundin Birgit austauschen zu können. Als sie zurückkehrt, ist die Straße abgesperrt und vom Büro ihres Mannes nur noch eine verkohlte Ruine übrig.
Die Polizei unter Führung des mürrischen Hauptkommissars Gerrit Reetz ermittelt nur in eine Richtung: der oder die Täter müssen aus dem kriminellen Umfeld des Opfers Nuri stammen. Obwohl Katja den Beamten ein exaktes Phantombild erstellt von der jungen, blonden und offenbar deutschen Frau, die – analog zum NSU-Terrorakt in der Köln-Mülheimer Keupstraße – das Fahrrad mit der Bombe auf dem Gepäckträger vor dem Übersetzungsbüro abgestellt hat und sie bei Befragungen mehrfach „Das waren Nazis“ zu Protokoll gegeben hat, folgen demütigende Verhöre und Hausdurchsuchungen.
Katja stürzt in eine tiefe Krise, kriecht nachts in Roccos Kinderbett, schmeißt ihre gegen Nuri ätzende Mutter Annemarie 'raus, greift zu Drogen, schneidet sich in der Badewanne liegend die Pulsadern auf. Ein Anruf ihres Anwaltes Danilo Fava, Nuris bester Freund ist auch Trauzeuge im Knast gewesen, rettet ihr in letzter Minute das Leben: „Du hast recht gehabt, es waren Nazis.“
II. Gerechtigkeit. Die Polizei hat das junge Neonazi-Paar Edda und André Möller verhaftet nach entsprechenden Hinweisen von Andrés Vater Jürgen Möller. Beide werden durch die vorgelegten Beweise schwer belastet: in ihrer Garage wurden alle Materialien gefunden, die zum Bau der Nagelbombe verwandt worden sind. Doch Katjas Hoffnung, die den Prozess als Nebenklägerin verfolgt und dort von Danilo Fava vertreten wird, dass die Mörder für ihr feiges fremdenfeindliches Verbrechen verurteilt werden, erfüllt sich nicht: Nach einem besonders für die junge Witwe nervenaufreibenden Verfahren, bei dem die Verteidigung auch vor infamen psychologischen Tricks nicht zurückschreckt, werden Edda und André freigesprochen.
Nicht aus Mangel an Beweisen in einem reinen Indizienprozess, wie es im Presseheft steht und von zahlreichen Journalisten übernommen worden ist, sondern nach dem alten juristischen Grundsatz in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Denn der Möller-Verteidiger Haberbeck treibt mit Nikolaos Makris einen wie sich später herausstellt mit den Tätern seit langem befreundeten rechtsradikalen griechischen Zeugen auf, der behauptet, Edda und André in seinem Hotel Old Dream vor den Toren Athens zur Tatzeit beherbergt zu haben. Katja ist völlig fertig – und kann sich weder von Danilo Fava noch gar von ihrer gerade stolze Mutter gewordenen Freundin Birgit trösten lassen.
III. Das Meer. Katja macht nicht zufällig Urlaub in Griechenland. Sie findet das Hotel, lässt sich von einer Rezeptionistin bestätigen, dass die beiden freigesprochenen Angeklagten zu keiner Zeit Gäste im „Old Dream“ gewesen sind – und macht die beiden Täter in einer idyllischen, abseits gelegenen Bucht ausfindig. Katja ist entschlossen, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen...
„Aus dem Nichts“, am 28. September 2020 als Free-TV-Premiere im ZDF ausgestrahlt, ist ein vom vielfach preisgekrönten eidgenössischen Thomas-Mauch-Schüler Rainer Klausmann grandios verfilmtes Rachedrama, das eindeutig Partei ergreift für Katja Sekerci und den von ihr eingeschlagenen Weg, statt in Revision zu gehen und auf ein gerechtes Urteil in zweiter Instanz zu hoffen, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen. Fatih Akin im Presseheft: „Die Perspektive der Mörder hat mich nicht interessiert. Mir war völlig klar, wo meine Empathie, mein Fokus liegen mussten. Ich wollte mich diesem Gefühl von Trauer und ihren vielen Ebenen, die sie haben kann, nähern. Obwohl Katja eine blonde, blauäugige deutsche Frau ist, ist sie doch sehr nah an mir dran – ich würde sie als mein Alter Ego bezeichnen.“
Dieses als Diane Heidkrüger im niedersächsischen Algermissen (bei Hildesheim) geborene, in den USA glamourös-erfolgreiche und seit geraumer Zeit in Frankreich lebende 41-jährige Alter Ego des drei Jahre älteren Hamburger Regisseurs ist in ihrer überhaupt ersten muttersprachlichen Kinoproduktion förmlich über sich hinausgewachsen. Ihr Lohn: die „Palme“ 2017 als „Beste Darstellerin“ in Cannes.
Pitt Herrmann