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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Jörg Schmidt-Reitwein

Weitere Namen
Jörg Henning Schmidt-Reitwein (Geburtsname)
Date of Birth
02/21/1939 - 12:00
Geburtsort
Königs Wusterhausen
Sterbedatum
08/21/2023 - 12:00
Sterbeort
Rosenheim
Biografie

Jörg Henning Schmidt-Reitwein wurde am 21. Februar 1939 in Königs Wusterhausen in Brandenburg geboren. Er war der Sohn des Kunstmalers Karl Schmidt-Reitwein und dessen Frau Barbara (geb. Linde) sowie der Bruder von Zwillingschwestern. Dem frühen Tod des Vaters folgte 1941 der Umzug der Familie nach Bad Schwartau in Schleswig-Holstein. Im dortigen großelterlichen Haus kam Schmidt-Reitwein in Kontakt mit Musikern, Schauspielern und Malern wie Emil Nolde. Er besuchte die Waldorfschule in Rendsburg, interessierte sich aber zunächst weniger für die Künste, sondern begeisterte sich hauptsächlich für technische Fragen und Elektrizität. 1957 fing er daher an Physik zu studieren, allerdings brach er das Studium nach vier Semestern ab und gestand sich ein, "neidisch auf das kreative Leben seiner Geschwister, die inzwischen auf der HFBK (Hochschule für bildende Kunst) in Berlin studierten", zu sein. Er begann im Film die Möglichkeit zu sehen, sein Interesse an Technik und künstlerischer Ausdrucksform zu verbinden.

1959 zog er selbst nach Berlin, um diverse Praktika in der Filmbranche zu absolvieren. Nach mehreren Absagen erhielt er schließlich einen Job als "Boy für alles" bei der Genschow-Filmproduktion am Wannsee. Nach drei Monaten bekam er die Gelegenheit, im Filmkopierwerk "FIKOPA-Emil Müller" in der Zossener Straße zu volontieren und Kontakte in der Filmbranche zu knüpfen. So lernte er dort den Sohn des Kameramanns Robert Baberske kennen, der schon als Assistent bei Fritz Lang und Friedrich-Wilhelm Murnau und später bei der DEFA gearbeitet hatte. Bei der Pohland-Produktion arbeitete er als Tonmann für den Film "Tobby" (1961, Regie: Hansjürgen Pohland) und traf dort auf den Kameramann Wolf Wirth.

1961 wurde Schmidt-Reitwein von der DDR-Justiz als "Menschenhändler" und "Kopfgeldjäger" zu fünf Jahren Haft verurteilt, nachdem er am 16. August versucht hatte, seine Freundin aus Ostdeutschland über die Grenze zu holen. Drei Jahre später wurde er von der Bundesregierung gegen Butter im hohen fünfstelligen Wert freigekauft.

Nach Haftentlassung arbeitete er ab 1965 in München als Kamera-Assistent und Tonmann bei verschiedenen Dokumentar- und Spielfilmproduktionen, beispielsweise "Wilder Reiter GmbH" (1966, Regie: Franz-Josef Spieker). 1968 stieß er zum sogenannten "Ulmer Kreis" von Edgar Reitz, Alexander Kluge, Ula Stöckl, Thomas Mauch und Dietrich Lohmann. 1969 gab ihm Kameramann Lohmann die Chance, als freier Kamera-Assistent bei ihm anzufangen. Ihre erste gemeinsame Arbeit war "Neun Leben hat die Katze" (1968) von Ulla Stöckl.

Durch Dietrich Lohmann begegnete Schmidt-Reitwein zum ersten Mal Werner Herzog. 1968/69 drehten die drei gemeinsam den Kurzfilm "Maßnahmen gegen Fanatiker", wenig später übernahm er dann zum ersten Mal hauptverantwortlich die Kamera-Arbeit für Herzogs Film "Fata Morgana" – sein Durchbruch und der Beginn einer zehnjährigen Zusammenarbeit. In dieser Zeit drehten Herzog und Schmidt-Reitwein sechs größere Spielfilme und zwölf Dokumentarfilme, die es zu großem Ansehen im Neuen Deutschen Film brachten, darunter "Jeder für sich und Gott gegen alle" (1974) über die Geschichte des Kaspar Hauser und "Herz aus Glas" (1976), für dessen Bildgestaltung Schmidt-Reitwein seinen ersten Bundesfilmpreis verliehen bekam. 1978 fotografierte er das Murnau-Remake "Nosferatu - Phantom der Nacht" mit Klaus Kinski in der Hauptrolle. Im Anschluss stand Kinski als "Woyzeck" (1979) abermals vor seiner Kamera. Mit "Wo die grünen Ameisen träumen" gewann Schmidt-Reitwein 1984 seinen zweiten Bundesfilmpreis für die Beste Kamera.

Parallel zu Herzogs Kino arbeitete er vor allem in den 1980er-Jahren an zwölf Spielfilmen von Regisseur Herbert Achternbusch mit, so unter anderem "Das Andechser Gefühl" (1976), "Bierkampf" (1977), "Das letzte Loch" (1981), den Skandalfilm "Das Gespenst" (1982) und "Rita Ritter" (1984). 1984 endete ihre Zusammenarbeit mit dem letzten gemeinsamen Film "Wanderkrebs".

Neben Werner Herzog und Herbert Achternbusch arbeitete Jörg Schmidt-Reitwein mit zahlreichen anderen großen RegisseurInnen wie Alexander Kluge (z.B. "Die Patriotin", 1979), Doris Dörrie (bei ihrem Debüt "Ob's stürmt oder schneit", 1977) und Werner Schroeter (z.B. "Liebeskonzil", 1982). 1978 drehte er Episoden des Omnibusfilms "Deutschland im Herbst". Ab 1984 begann er als Kameramann häufig für den Schweizer Regisseur Markus Fischer zu arbeiten. In den nächsten beiden Jahrzehnten sollten sie zusammen insgesamt 18 Filme machen.

Schmidt-Reitweins arbeitete in den 1990er-Jahren nicht nur für die große Leinwand, neben Filmen von Fischer (darunter z.B. "Brandnacht", CH/DE 1992) drehte er fürs Fernsehen unter anderem einige Tatort-Folgen sowie Herzog-Dokumentationen. In den 2000er-Jahren arbeitete Schmidt-Reitwein nur noch selten fürs Kino, wurde aber z.B. 2007 für den deutsch-schweizerischen Thriller "Marmorera" auf dem Fantasy-Filmfestival in Malaga für die beste Kamera ausgezeichnet. Auch Markus Fischers Regie wurde dort prämiert. In diese Zeit fallen weiterhin diverse Werbefilm- und Musikvideoproduktionen.

Seine bisher letzte Kameraarbeit übernahm Schmidt-Reitwein 2011 in Maria Blumencrons "Wie zwischen Himmel und Erde" (2011). 2017 wirkte er bei dem Dokumentarfilm "Jörg Schmidt-Reitwein: Sehweisen" von Heiner Heinke mit. In dem ihm gewidmeten Film wird er als einer der bedeutendsten Kameramänner des Neuen Deutschen Films gewürdigt.

Jörg Schmidt-Reitwein lebte zuletzt mit seiner Familie auf einem abgelegenen Bauernhof in Ering am Inn. Er starb am 21. August 2023 im Alter von 84 Jahren.

 

Autorin: Angela Incandela

Dieser Text wurde im Rahmen des Masterstudiengangs "Filmkultur - Archivierung, Programmierung, Präsentation" erstellt, der von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum gemeinsam angeboten wird.

Filmography
2017
Jörg Schmidt-Reitwein: Sehweisen
  • Mitwirkung
2010/2011
Wie zwischen Himmel und Erde
  • Kamera
2009
Coney Island Baby
  • Kamera
2007
The Call of the Geckos
  • Kamera
2005-2007
Marmorera
  • Kamera
2004/2005
Jessye Norman - Ich leb allein in meinem Himmel, meinem Lieben, meinem Lied
  • Kamera
2000-2002
Poem - Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug
  • Kamera
2002
Himmelreich
  • Kamera
2001
Ecce Homo
  • Kamera
2001
Pilgrimage
  • Kamera
2000
Trittbrettfahrer
  • Kamera
1999
Das rote Strumpfband
  • Kamera
1998/1999
Fisimatenten
  • Kamera
1996
Im Rausch der Liebe
  • Kamera
1995/1996
Die Abrechnung
  • Kamera
1996
Das Mädchen mit der Puppe
  • Kamera
1996
Rot wie das Blut
  • Kamera
1995/1996
Der Spezialist
  • Kamera
1995
Verbotene Zone
  • Kamera
1995
Der Papierhut
  • Kamera
1993/1994
Die Verwandlung der Welt in Musik. Bayreuth vor der Premiere
  • Kamera
1993
Himmel und Erde
  • Kamera
1993
Kleckerburg verloren. Günter Grass - Von Danzig nach Gdansk
  • Kamera
1993
Glocken aus der Tiefe. Glaube und Aberglaube in Rußland
  • Kamera
1992
Heiß - Kalt
  • Kamera
1991/1992
Brandnacht
  • Kamera
1992
Probefahrt ins Paradies
  • Kamera
1990/1991
Wilma wohnt weit weg
  • Kamera
1991
Stirbt der Baum, so stirbt der Mensch
  • Kamera
1985-1990
Neuer Engel. Westwärts
  • Kamera
1990
Die Ratte
  • Kamera
1990
Echos aus einem düsteren Reich
  • Kamera
1990
Desperados
  • Kamera
1988/1989
In meinem Herzen, Schatz...
  • Kamera
1988/1989
Gesucht: Monika Ertl
  • Kamera
1988/1989
Wodaabe - Die Hirten der Sonne
  • Kamera
1989
Der alte Rebell und sein Gold
  • Kamera
1989
Bavaria Blue
  • Kamera
1987/1988
Geschichten von anderswo: 1. Rodrigo. - 2. Raquel
  • Kamera
1987/1988
Seefahrer
  • Kamera
1988
Zimmer 36
  • Kamera
1981-1985/1987
Triumph der Gerechten
  • Kamera
1987
Lagebericht
  • Kamera
1986/1987
Villa Air Bel. Varian Fry in Marseille 1940/41
  • Kamera
1985
Sszzttt
  • Kamera
1986
Der Nachbar
  • Kamera
1986
Werner Herzog - Filmemacher
  • Kamera
1985
Kaiser und eine Nacht
  • Kamera
1984/1985
Die Praxis der Liebe
  • Kamera
1985
Stahlhelme
  • Kamera
1983/1984
Rita Ritter
  • Kamera
1983/1984
Wanderkrebs
  • Kamera
1983/1984
Wo die grünen Ameisen träumen
  • Kamera
1983
Die Olympiasiegerin
  • Kamera
1981/1982
Liebeskonzil
  • Kamera
1982
Das Gespenst
  • Kamera
1982
Der Depp
  • Kamera
1981/1982
Deutschland kann manchmal sehr schön sein
  • Kamera
1981
Das letzte Loch
  • Kamera
1981
Sehnsucht nach dem ganz Anderen
  • Kamera
1980/1981
Der Neger Erwin
  • Darsteller
  • Kamera
1980
Ascherdienstag
  • Kamera
1980
Der Kandidat
  • Kamera
1980
Oratorio
  • Kamera
1979/1980
Autokino
  • Kamera
1979
Pelz im Eis
  • Kamera
1979
Max und Traudl
  • Kamera
1979
Türenfilm I
  • Regie
1979
Besuch!
  • Kamera
1978/1979
Woyzeck
  • Kamera
1979
Der Komantsche
  • Kamera
1977-1979
Die Patriotin
  • Kamera
1977/1978
Deutschland im Herbst
  • Kamera
1977/1978
Deutschland im Herbst. Episode 01: Prolog: Beerdigung von Hanns Martin Schleyer
  • Kamera
1977/1978
Deutschland im Herbst. Episode 13: Die verschobene Antigone
  • Kamera
1978
Nosferatu - Phantom der Nacht
  • Kamera
1978
Baldauf
  • Kamera
1977
Zeit der Empfindsamkeit
  • Kamera
1977
Sylvesternacht
  • Kamera
1976/1977
Ob's stürmt oder schneit
  • Kamera
1976/1977
Bierkampf
  • Kamera
1977
Nachrichten von den Staufern
  • Kamera
1976/1977
Unternehmen Ulay
  • Kamera
1977/1978
Servus Bayern
  • Kamera
1975/1976
Seniorenschweiz
  • Kamera
1976
Nicht leben, nicht sterben - Selbstmordversuche
  • Kamera
1976
Mit mir will keiner spielen
  • Kamera
1976
Herz aus Glas
  • Kamera
1975/1976
Die Atlantikschwimmer
  • Kamera
1976
La Soufrière
  • Mitwirkung
  • Kamera
1974/1975
Das Andechser Gefühl
  • Kamera
1975
Wenn mir die Weißen begegnen
  • Kamera
1975
Ausreißer
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Produzent
1973/1974
Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner (Ski-Flugschanze Planica)
  • Kamera
1974
Jeder für sich und Gott gegen alle
  • Kamera
1973/1974
Sterbehilfe - Mord oder Möglichkeit
  • Kamera
1973
Raga Tala. Indische Musik - was ist das eigentlich?
  • Kamera
1973
Es gibt Tage, da fühle ich mich nutzlos
  • Kamera
1973
Regenmacher. Zauber, Klänge und Gestalten
  • Kamera
1970/1971
Land des Schweigens und der Dunkelheit
  • Kamera
1968-1971
Fata Morgana
  • Kamera
1970/1971
Wumm
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Produzent
1971
vorfrühling
  • Kamera-Assistenz
1970/1971
Behinderte Zukunft
  • Kamera
1970
Handicaps
  • Kamera-Assistenz
1970
Anglia
  • Kamera
1969/1970
Auch Zwerge haben klein angefangen
  • 2. Kamera
1968/1969
Maßnahmen gegen Fanatiker
  • Kamera
1968/1969
Die Geschäftsfreunde
  • Kamera
1969
Der Image-Berater
  • Kamera
1968
Heimatmuseum
  • Kamera
1968
Neun Leben hat die Katze
  • Kamera-Assistenz
1966/1967
Wilder Reiter GmbH
  • Ton
1966
Reichtum verpflichtet. Mäzene einst und heute
  • Kamera-Assistenz
1966
Die Chassidim
  • Kamera-Assistenz
1965
Der Zirkus stirbt - es lebe der Zirkus
  • Kamera-Assistenz
1965
Partner zwecks Ehe gesucht
  • Kamera-Assistenz
1965
IVA - Dokumentationsschau
  • Kamera-Assistenz
1961
Tobby
  • Ton
URL: https://www.filmportal.de/person/joerg-schmidt-reitwein_4815518703e4403f92eb22e8af1630ff