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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Michael Verhoeven

Date of Birth
07/13/1938 - 12:00
Geburtsort
Berlin
Sterbedatum
04/22/2024 - 12:00
Biografie

Michael Verhoeven wurde am 13. Juli 1938 in Berlin in eine Theaterfamilie geboren: Seine Mutter war die Schauspielerin Doris Kiesow, sein Vater der Schauspieler, Theater- und Filmregisseur Paul Verhoeven (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen niederländischen Filmregisseur). Auch seine ältere Schwester Lis Verhoeven, die später Mario Adorf heiratete, war Schauspielerin. Michael selbst stand mit 13 Jahren das erste Mal auf der Bühne, in "Pünktchen und Anton". Seine erste Filmrolle spielte er ebenfalls in einer Kästner-Adaption: "Das fliegende Klassenzimmer" (1953). In den Folgejahren trat er unter anderem bei Hans Deppe, Helmut Käutner und zweimal er an der Seite von Heinz Rühmann auf, in "Der Pauker" (1958) und, unter der Regie seines Vaters, in "Der Jugendrichter" (1960).

Die familiäre Vorbelastung und insbesondere die Vaterfigur waren übermächtig. Michael Verhoeven brach auf seine Weise aus und entschied sich zunächst für den Arztberuf. Er absolvierte nach dem Abitur 1957 ein Medizinstudium in München, Berlin und Homburg, dass er 1969 mit einer Promotion zur "Psychiatrischen Maskierung von Gehirntumoren" abschloss. Zugleich arbeitete er als Schauspieler weiter und begegnete 1963 bei den Dreharbeiten zu "Jack und Jenny" seiner großen Liebe Senta Berger, die sich gerade auf dem Sprung nach Hollywood befand. Die beiden pendelten einige Jahre zwischen Deutschland und den USA, wo Verhoeven als Arzt praktizierte. Sie heirateten 1966 und gründeten gemeinsam die Sentana Filmproduktion. 1967 debütierte Verhoeven als Filmregisseur mit "Paarungen", einer Adaption des Strindberg-Stückes "Totentanz", in dem er die Rollen vertauschte und nun mit seinem Vater als Darsteller arbeitete. Den Versuch, zugleich Arzt und Regisseur zu sein, gab er erst 1973 endgültig auf.

Verhoeven nahm eine eigentümliche Sonderstellung ein. Er begann in den 1960er Jahren als unabhängiger Filmemacher und wurde doch nie wirklich zum "Neuen Deutschen Film" gezählt – obgleich er die im Oberhauser Manifest propagierte Auflehnung gegen "Papas Kino" teilte (für das sein eigener Vater gewissermaßen ein Repräsentant war). Kaum ein anderer Regisseur hat so konsequent und direkt wie er immer wieder politische Themen auf die Leinwand gebracht, sich dabei vor allem mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt und mit seinen Filmen wiederholt Diskussionen oder sogar Skandale ausgelöst. Dennoch haftete ihm hartnäckig der Ruf eines "bürgerlichen" Regisseurs an, der seine Sujets in allgemein humanistischer, aufklärerischer Weise behandelte. Ein Grund mag darin liegen, dass er sich gerade als autonomer Produzent auch mit kommerziellen Rahmenbedingungen arrangierte; ein anderer in seiner Nähe zum traditionellen Theater. Auf die für ihn zentrale Rolle des professionellen Schauspielers bezog sich seine von ihm selbst formulierte Abgrenzung vom "Dilettantismus" mancher Jungfilmer.

Nach seinem Debüt drehte Verhoeven zunächst zwei Auftragsarbeiten für Rob Houwer, "Engelchen macht weiter - hoppe, hoppe Reiter" (1968) und "Der Bettenstudent" (1969), die als freizügige "Schwabing-Lustspiele" den Filmen von May Spils verwandt sind. Mit dem Lehrstück "o.k.", das im Stile des epischen Theaters ein authentisches Ereignis aus dem Vietnamkrieg in den Bayerischen Wald verlegt, sprengte er 1970 den Wettbewerb der Berlinale, der wegen Konflikten zwischen der amerikanischen Delegation und beteiligten Regisseuren schließlich abgebrochen wurde. Auch sein Kurzfilm "Tische" (1970) befasste sich mit dem Vietnamkrieg.

Mit "Die weiße Rose" (1982) drehte er den ersten großen Film über Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Der Filmabspann, der monierte, dass die Todesurteile des "Volksgerichtshofs" gegen die Widerstandsgruppe von der bundesdeutschen Justiz immer noch als rechtsgültig betrachtet wurden, führte zu weitreichenden Debatten. Erst 1998 wurden die Urteile aufgehoben. In "Das schreckliche Mädchen", der 1991 für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert wurde, zeigte er wenige Jahre später eine Schülerin, die über die NS-Vergangenheit ihrer Heimatstadt recherchiert und deshalb angefeindet wird (in der Hauptrolle wiederum Lena Stolze). Verhoeven definierte sich als Antinationalist, aber zugleich Regisseur mit "deutschen" Themen, der im konkreten örtlichen Bezug das Allgemeingültige sichtbar machen will, wobei er häufig lokale Elemente wie Mundart verwendet.

Auffällig oft waren widerständige Frauen seine Hauptfiguren. So auch in "Mutters Courage" (1994), der seine filmische Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus fortsetzte. Er adaptierte hier eine Vorlage von George Tabori, den er vom Theater her kannte und über den er 1999 ein dokumentarisches Fernsehporträt drehte. Zwischenzeitlich inszenierte er Brecht und Horvath an den Münchner Kammerspielen, ab 1970 arbeitete er kontinuierlich auch für das Fernsehen. Er drehte "Tatort"-Folgen und Fernsehfilme wie "Schlaraffenland", der 1990 unmittelbar und zugleich kritisch auf die deutsche Wiedervereinigung reagierte. Mit Senta Berger in der Hauptrolle realisierte er die populäre Serie "Die schnelle Gerdi" (1988) über eine Münchner Taxifahrerin, 2003 die Fortsetzung "Die schnelle Gerdi und die Hauptstadt".

Verhoeven und Berger haben zwei Söhne, Simon Verhoeven und Luca Verhoeven, die ebenfalls als Schauspieler, bzw. auch als Regisseur (Simon) und Produzent (Luca) arbeiten; ebenso die Nichte Stella Adorf. Über die sich fortsetzende "Dynastie" drehte Felix Moeller 2003 den Dokumentarfilm "Die Verhoevens". Michael Verhoeven selbst, der von der Filmliteratur wenig beachtet wurde, hat unter dem Titel "Paul, ich und wir" 2006 ein Buch über seine Familie veröffentlicht. Er war 2003 Mitbegründer der Deutschen Filmakademie und ist Träger zahlreicher Filmpreise wie auch politischer Auszeichnungen, darunter die vom Zentralrat der Juden verliehene Josef-Neuberger-Medaille (1997), das Bundesverdienstkreuz (1999) und der Bayerische Verdienstorden (2002).

2006 kam Michael Verhoevens Dokumentarfilm "Der unbekannte Soldat" in die Kinos. Darin befasst Verhoeven sich mit dem brisanten Thema der Kriegsverbrechen der Wehrmacht während des 2. Weltkriegs. Im gleichen Jahr erhielt er den Achievement Award des Jüdischen Filmfestivals in Jerusalem für seinen "beständigen Einsatz gegen den Nationalsozialismus". Einen häufig verdrängten Themenkomplex behandelte Verhoeven auch in seinem nachfolgenden Dokumentarfilm "Menschliches Versagen" (2008), über die Frage, in welchem Ausmaß die zivile Bevölkerung in Nazi-Deutschland zum Profiteur der systematischen Beraubung ihrer jüdischen Mitmenschen wurde. Mit der Praxis und den gesellschaftlichen Auswirkungen der Todesstrafe in den USA befasste er sich in "Die zweite Hinrichtung - Amerika und die Todesstrafe" (2011). Neben diesen Kinoprojekten inszenierte Verhoeven ab 2008 mehrere Folgen der Krimireihe "Bloch".

2013/2014 drehte er den TV-Film "Let's go", eine Verfilmung von Laura Wacos autobiographischem Roman über die schwierige Wiederbegegnung einer jungen Frau (Alice Dwyer) mit ihrer Mutter (Naomi Krauss), einer Holocaust-Überlebenden. Gleich im Anschluss, 2014, entstand mit "Glückskind" ein weiterer TV-Film, der auf einem Roman basierte.

Dem Kino wandte sich Verhoeven erneut 2016 zu - als Produzent von "Willkommen bei den Hartmanns". Unter der Regie seines Sohnes Simon Verhoeven und mit seiner Frau Senta Berger in einer Hauptrolle, griff die Komödie die Flüchtlingsthematik auf und schilderte den turbulenten Alltag einer Familie, die sich entscheidet, einen Geflüchteten bei sich aufzunehmen, dessen Anwesenheit Ehe- und Haussegen in eine bedenkliche Schieflage zu bringen droht. Mit 3,8 Millionen Besuchern war der Film ein großer Kinoerfolg. Beim Bayerischen Filmpreis 2017 wurde Verhoeven in der Kategorie Beste Produktion ausgezeichnet (gemeinsam mit Max Wiedemann, Quirin Berg und Simon Verhoeven).

In den nächsten Jahren wurde es ruhiger um den Filmemacher, wenngleich er neben seinem Sohn Simon weiter als Geschäftsführer der Sentana Filmproduktion firmierte. Im Januar 2022 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf ausgezeichnet.

Michael Verhoeven lebte zuletzt mit Senta Berger, mit der er fast 60 Jahre lang verheiratet war, in München. Er verstarb am 22. April 2024.

Filmography
2016
Willkommen bei den Hartmanns
  • Produzent
2014
Glückskind
  • Regie
  • Drehbuch
2013/2014
Let's Go!
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2009-2011
Die zweite Hinrichtung - Amerika und die Todesstrafe
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2011
Heißkalte Seele
  • Regie
2009/2010
Spur der Bären - 60 Jahre Berlinale
  • Mitwirkung
2007/2008
Menschliches Versagen
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2007/2008
Vergeben, nicht vergessen
  • Darsteller
  • Regie
2007
Münchner (Filmfest-) Geschichten
  • Mitwirkung
2005/2006
Der unbekannte Soldat
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2003/2004
Die Spieler
  • Regie
2002-2004
René Deltgen - Der sanfte Rebell
  • Mitwirkung
2002/2003
Die Verhoevens
  • Mitwirkung
2001/2002
Die kleine Schwester. Die Weiße Rose - ein Vermächtnis
  • Regie
  • Drehbuch
2002
Hoch drob'n auf'm Berg
  • Regie
  • Produzent
2002
Berlin, ich komme!
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2002
Heiratsanträge
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2002
Gerdi kommt auf den Hund
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2002
Die München-Connection
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2002
Die Tierschützerin
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1999/2000
Enthüllung einer Ehe
  • Regie
  • Drehbuch
2000
Der Fall Liebl
  • Regie
1999/2000
Zimmer mit Frühstück
  • Regie
1998
George Tabori - Theater ist Leben
  • Regie
1996
Bayerischer Filmpreis 1995. Verleihung im Cuvilliés Theater München
  • Mitwirkung
1994/1995
Mutters Courage
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1995
Vom Handwerk der Schauspielkunst - Der Charakterdarsteller Otto Sander
  • Mitwirkung
1993
Eine unheilige Liebe
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1990
Schlaraffenland
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1990
Das Mädchen und die Stadt
  • Regie
1989
Das schreckliche Mädchen
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1987/1988
Semmelweis Ignaz - Arzt der Frauen
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1986/1987
Gegen die Regel
  • Regie
1986/1987
Gundas Vater
  • Regie
  • Produzent
1985/1986
Killing Cars
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1985/1986
Stinkwut
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1984
Das Tor zum Glück
  • Regie
  • Produzent
1983
Die Spider Murphy Gang
  • Drehbuch
  • Produzent
1983
Liebe Melanie
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1981/1982
Die weiße Rose
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1982
Die Mutprobe
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1979/1980
Am Südhang
  • Regie
  • Produzent
1979/1980
Sonntagskinder
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1980
Die Ursache
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1978
Edith und Marlene
  • Regie
1978
1982: Gutenbach
  • Regie
1978
Verführungen
  • Regie
1977/1978
Das Männerquartett
  • Regie
  • Drehbuch
1976
Gefundenes Fressen
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1975
Die Herausforderung
  • Regie
  • Produzent
1975
MitGift
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1973
Coiffeur
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1973
Über die Jahre
  • Regie
1973
Ein unheimlich starker Abgang
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1971/1972
Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer
  • Regie
1971
Kellner Windeck
  • Darsteller
1971
Bonbons
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1970
Wer im Glashaus liebt... Der Graben
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Produzent
1970
o.k.
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
1969/1970
Dr. Meinhardts trauriges Ende
  • Darsteller
  • Regie
1968/1969
Tische
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1970
Strandkörbe
  • Regie
  • Schnitt
1969/1970
Der Bettenstudent oder: Was mach' ich mit den Mädchen?
  • Regie
1969
Ludwig auf Freiersfüßen
  • Darsteller
1968/1969
Engelchen macht weiter, hoppe - hoppe Reiter
  • Regie
1968
Was ihr wollt
  • Darsteller
1967
Paarungen
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1966
Onkel Filser - Allerneueste Lausbubengeschichten
  • Darsteller
1965
Blumen für Zimmer 19
  • Darsteller
1964
Die Herren von der Presse
  • Darsteller
1964
Lausbubengeschichten
  • Darsteller
1963
Der Blinde
  • Darsteller
1963
Jack und Jenny
  • Darsteller
1963
Der Liebesdienst
  • Darsteller
1963
Das Haus in Montevideo
  • Darsteller
1963
Der Geisterzug
  • Darsteller
1962
Ein Buch mit Kapiteln
  • Darsteller
1961/1962
Wenn beide schuldig werden
  • Darsteller
1961
Ich kann nicht länger schweigen
  • Darsteller
1960
Mit 17 weint man nicht
  • Darsteller
1959/1960
Ein Student ging vorbei
  • Darsteller
1959/1960
Der Jugendrichter
  • Darsteller
1959
Der Mann im Manne
  • Darsteller
1959
Blühende Träume
  • Darsteller
1959
So angelt man keinen Mann
  • Darsteller
1959
...und noch frech dazu!
  • Darsteller
1958
Der Pauker
  • Darsteller
1955/1956
Vor 100 Jahren fing es an
  • Darsteller
1955
Admiral Bobby
  • Darsteller
1954/1955
Marianne
  • Darsteller
1955
Griff nach den Sternen
  • Darsteller
1954
Das fliegende Klassenzimmer
  • Darsteller
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