Die Blechtrommel

BR Deutschland Frankreich 1978/1979 Spielfilm

Inhalt

Danzig, 1924. In der Familie Matzerath kommt ein Kind zur Welt. Vom Augenblick seiner Geburt an ist der kleine Oskar ein überaus frühreifes, hellhöriges Bürschchen. Schon in den Armen seiner Mutter beginnt der Säugling, seine Umwelt mit großer Skepsis zu betrachten. Zu seinem dritten Geburtstag bekommt Oskar eine Blechtrommel geschenkt. Und an diesem Tag beschließt er aus einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung heraus, sein Wachstum einzustellen. Geistig und männlich entwickelt er sich sehr wohl weiter, doch seine körperliche Erscheinung schafft von diesem Tag an automatisch eine gewisse Distanz zwischen Oskar und der Welt der "Erwachsenen". Auf seiner hämmernden Blechtrommel und mit seiner Fähigkeit, Glas zu zersingen, artikuliert er seinen Protest gegen die verlogene, intrigante Welt der Erwachsenen.

Dabei hat der junge Mann, der auf seine Umwelt stets wie ein unbedarftes Kind wirkt, etwas ebenso Genialisches wie Diabolisches an sich. Er treibt seine beiden mutmaßlichen Väter in den Tod, macht Karriere als Frontkünstler für die Truppen der Nazis – und bleibt dabei doch stets höhnisch und distanziert. Erst nach Endes des Zweiten Weltkriegs beschließt er, sein Wachstum fortzusetzen, um künftig mitbestimmen zu können.

 

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Falk Schwarz
Sehr laut getrommelt
„Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich…“ So beginnt das fulminante Buch von Günter Grass. Seine „zerrspiegelartige Groteske und krasse Fantastik“ haben diesem Roman zu Weltruhm verholfen - was sich von dem Film nicht so ohne weiteres sagen lässt. Bei aller handwerklichen Meisterschaft, die Volker Schlöndorff hier zeigt, fehlt doch das Besondere, das Idiom des Erzählers, der „keine Tabus kennt“. - Heute, fast 40 Jahre nach der Premiere, fällt auf, dass die Besetzung mit einem zwölfjährigen, wachstumsgehemmten Jungen als dem „Blechtrommler“ irritiert. Wurde der Junge benutzt? Vor allem bei der Sexualisierung, die Schlöndorff nicht unterschlägt, fragt man sich, ob der Vater, der mit am Set war, sich nicht hätte schützend vor seinen Sohn stellen müssen. Ist nicht geschehen, so liegt also der Zwölfjährige im Bett mit der Liliputanerin. Von anderen Szenen ganz abgesehen. Sichtweisen ändern sich über die Jahrzehnte, im Zusammenhang mit den jüngsten Missbrauchsskandalen scheint heute der Umgang des Regisseurs mit seinem Hauptdarsteller fragwürdig. Zwar sind einzelne Szenen wunderbar gelungen - als der Jude Markus (Charles Aznavour) der still angebeteten Agnes (Angela Winkler) hinterher schaut, als sie im Gewimmel der Straßen in Danzig verschwindet und er doch genau weiss, dass sie sich jetzt mit ihrem Freund in einem Hotelzimmer trifft. Immer Donnerstags. Berta Drews als die alte Anna ist wie immer schon von der Physiognomie großartig. Wenn sie auftritt, kommt Spannung auf. Mario Adorf natürlich als der hinter das Licht geführte Alfred Matzerath, dessen Vaterschaft infrage steht. Alles zusammengenommen hat dieser Film es zurecht in die Liste der 100 besten deutschen Filme geschafft und seine Qualität soll beileibe nicht kleingeredet werden. Aber der Einwand bleibt, dass Grass hier eine groteske Figur erdacht hat, die in ihrer schillernden Vielseitigkeit genial angelegt war, die sich aber einer Visualisierung eher zu entziehen scheint.
Heinz17herne
Heinz17herne
Oskar Matzerath wird Mitte der 1920er Jahre in Danzig bereits als frühreifer Säugling geboren. Was Volker Schlöndorff und sein vorzüglicher Kameramann Igor Luther aus der Perspektive des Neugeborenen zeigen, für damalige Verhältnisse eine absolute Novität. Im zarten Alter von drei Jahren bekommt der Knabe – und Stolz gleich zweier mutmaßlicher Väter, denn sowohl Alfred Matzerath als auch Oskars Onkel Jan Bronski wollen ihn mit Agnes Matzerath gezeugt haben – eine blecherne, weiß-rote Trommel geschenkt, die fortan sein unüberhörbares Markenzeichen ist.

Oskar bleibt ein ungewöhnliches Kind, und das nicht nur, weil er – auf eigenen Wunsch: Er arrangiert einen Treppensturz - wachstumsgehemmt ist: Er hat die Gabe, mit seiner hohen Stimme Gläser aller Art zerspringen zu lassen – wovon er stets kräftig Gebrauch macht bis hin zu veritablen Kirchenfenstern. Zwar kleinwüchsig, reift Oskar dennoch körperlich heran. Er schläft mit seiner Stiefmutter Maria, der wollüstigen Nachbarin Lina Greff sowie der kleinen Somnambulen Roswitha Raguna und sammelt auch sonst zumeist obszöne Lebenserfahrungen.

Aber auch geistig ist Oskar, der auf seine beiden väterlichen Freunde, den Liliputaner Bebra und den Spielzeughändler Markus, bauen kann, auf der Höhe seiner Zeit und gibt kluge, hintergründig-witzige Kommentare im einlullenden Märchenton von sich: „Es war einmal ein leichtgläubiges Volk, das glaubte an den Weihnachtsmann, aber der Weihnachtsmann war der Gasmann.“

Der Roman „Die Blechtrommel“ von Günter Grass war, zwanzig Jahre zuvor, zum ersten Welterfolg der deutschen Nachkriegsliteratur avanciert und trug nicht unwesentlich zum Literatur-Nobelpreis des „kaschubischen Dichters“ bei. Auch Volker Schlöndorffs kongeniale, mit einem enormen Staraufgebot verwirklichte Verfilmung wurde ein Welterfolg – und erhielt 1979 als erster bundesdeutscher Film der Nachkriegszeit die „Goldene Palme“ in Cannes. Auf die 1980 der „Oscar“ als bester fremdsprachiger Film folgte. Günter Grass selbst adelte 1979 Schlöndorffs Streifen mit folgenden Worten, denen man nichts mehr hinzufügen muss: „Ich habe für zwei Stunden meinen Roman vollkommen vergessen und nur noch diesen Film gesehen“.

Der 145-minütige Film ist zeitgleich zum Kinostart am 3. Mai 1979 parallel in drei Kinos in Berlin, Wiesbaden und Mainz „uraufgeführt“ und am 1. Mai 1984 in der ARD in einer warum auch immer nur 137-minütigen Fassung erstausgestrahlt worden. Der zum 40. „Oscar“-Jubiläum restaurierte und digitalisierte 163-minütige Director’s Cut kam am 30. August 2020 in die Kinos.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Script

Kamera

Kamera-Assistenz

Schnitt

Ton-Assistenz

Darsteller

Co-Produzent

Herstellungsleitung

Produktions-Assistenz

Produktions-Koordination

Späterer Verleih

Dreharbeiten

    • 31.07.1978 - 17.11.1978: Zagreb, München, Paris, Normandie, Gdansk, Berlin/West
Länge:
3964 m, 145 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 30.04.1979, 50675, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.05.1979, Berlin, Gloria-Palast;
Uraufführung (DE): 03.05.1979, Wiesbaden, Walhalla;
Uraufführung (DE): 03.05.1979, Mainz, Bambi;
TV-Erstsendung (DE): 01.05.1984, ARD

Titel

  • Weiterer Titel (FR) Le tambour
  • Originaltitel (DE) Die Blechtrommel
  • Weiterer Titel (DE) Die Blechtrommel - Director's Cut
  • Weiterer Titel Die Blechtrommel - Director's Cut

Fassungen

Original

Länge:
3964 m, 145 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 30.04.1979, 50675, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.05.1979, Berlin, Gloria-Palast;
Uraufführung (DE): 03.05.1979, Wiesbaden, Walhalla;
Uraufführung (DE): 03.05.1979, Mainz, Bambi;
TV-Erstsendung (DE): 01.05.1984, ARD

Restaurierte und digitalisierte Fassung

Länge:
142 min
Format:
DCP, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

Aufführung (DE): 31.08.2020, Wiederaufführung

Prüffassung

Abschnittstitel
  • Die Blechtrommel - Director's Cut
Länge:
163 min
Format:
1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 26.05.2014, 50675-b/K, ab 16 Jahre

Länge:
4094 m, 150 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 23.04.1979, 50675, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

DVD-Fassung

Abschnittstitel
  • Weiterer Titel (DE)
  • Die Blechtrommel - Director's Cut
Länge:
156 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 12.04.2010, 50675, ab 16 Jahre

Auszeichnungen

IFF Sydney 1980
  • 1.Preis
IFF Mailand 1980
  • Premio San Fedele
IFF Belgrad 1980
  • Beste Regie
Academy Awards 1980
  • Oscar, Bester fremdsprachiger Film
David Wark Griffith Award 1980
  • Bester ausländischer Film
1980
  • Goldene Leinwand
Filmzeitschrift >Cinema< 1979
  • Jupiter
Deutscher Filmpreis 1979
  • Goldene Schale, Bester programmfüllender Spielfilm
IFF Cannes 1979
  • Goldene Palme (ex aequo: >Apocalypse Now<)
FBW 1979
  • Prädikat: besonders wertvoll