Viktor de Kowa
Viktor de Kowa (bürgerlich: Viktor Kowarzik) wurde am 8. März 1904 in Hohkirch bei Görlitz als Sohn einer Gutsbesitzerfamilie geboren. Er wuchs zunächst in Dresden auf, von 1910 bis 1913 in Seifersdorf bei Dippoldiswalde; anschließend wohnte er mit seiner Familie in Chemnitz. Er selbst wollte Theologie studieren, doch sein Vater bestand auf dem Besuch einer Kadettenschule. Nach deren Abschluss schlug de Kowa jedoch nicht die vom Vater erhoffte Offizierskarriere ein, sondern studierte an der Dresdner Kunstakademie und arbeitete danach als Plakatzeichner.
Durch die Bekanntschaft mit Erich Ponto kam er schließlich zur Schauspielerei: Ponto erkannte das Talent des jungen Mannes und gab ihm Schauspielunterricht. Unter dem Künstlernamen Victor de Kowa debütierte er 1918 am Waldtheater Sohland an der Spree, gefolgt von einem zweijährigen Engagement am Dresdner Staatstheater. Es folgten Stationen in Lübeck (1924), Frankfurt am Main (1925-26) und Hamburg (1926-28); gerne besetzte man de Kowa als schüchternen Liebhaber oder jugendlichen Bonvivant. Im Jahr 1928 ging er nach Berlin, wo er an der Volksbühne und am Deutschen Theater unter Max Reinhardt spielte.
Sein Kinodebüt gab Viktor de Kowa 1929 mit einer tragenden Rolle in dem Zirkusfilm "Katharine Knie". Nach weiteren Nebenrollen erhielt er ab 1932 immer häufiger Hauptrollen und avancierte während der NS-Zeit zu einem der gefragtesten Stars des deutschen Films. Zu seinen bekanntesten Parts gehören ein armer Student in der Liebesgeschichte "Es war einmal ein Musikus" (1933), die Titelrollen in "Die Finanzen des Großherzogs" (1933) und "Der junge Baron Neuhaus" (1934), ein verliebter Theaterinspizient in "Die göttliche Jette" (1937) und ein romantischer Erfinder in "Kleiner Mann - ganz groß" (1938). Zugleich blieb er auch im Bühnenbereich aktiv und war von 1935 bis 1943 bei Gustaf Gründgens am Berliner Staatstheater engagiert, wo er in zahlreichen Klassikern, aber auch in Boulevardkomödien reüssierte.
1939 schloss Viktor de Kowa in London einen Vertrag mit dem Hollywoodstudio Metro Goldwyn Mayer ab, den er jedoch nicht einhalten konnte, da ihm bei der Rückkehr nach Berlin der Pass abgenommen wurde. Dazu passend ist seine Beziehung zum NS-Regime ambivalent zu nennen. Einerseits biederte de Kowa sich bei den Machthabern an und traf zum Beispiel den berüchtigten Propagandaminister Joseph Goebbels, um ihm Projekte persönlich vorzustellen; als Regisseur inszenierte er unter anderem den (wenig erfolgreichen) NS-Propagandafilm "Kopf hoch, Johannes!", die Geschichte eines unangepassten Jungen, der an einer Napola-Schule zu Disziplin und Gehorsam bekehrt wird. Im August 1944 wurde er von Goebbels in die "Gottbegnadeten-Liste" der "unverzichtbaren" Filmschauspieler aufgenommen, was ihn vor dem Kriegsdienst bewahrte.
Belegt ist andererseits aber auch, dass Viktor de Kowa die Widerstandsgruppe Ernst mit Geld und Unterschlupf unterstützte; nach eigener Aussage war er auch aktiv an einer Aktion beteiligt, bei der Parolen an Häuserwände geschrieben wurden. Ebenfalls half er nachweislich dem Major Fritz Goes, als dieser Ende 1944 von der Schauspielerin Marianne Simson denunziert wurde: De Kowa legte eine Aussage ab, die Simson als pathologische Lügnerin dastehen ließ. Dies brachte ihm scharfe Kritik des Reichsfilmintendanten Hans Hinkel ein.
De Kowas Karriere wurde von all dem nicht tangiert, er gehörte zu den bestbezahlten Schauspielern Deutschlands, mit Filmen wie Helmut Käutners "Wir machen Musik" (1942) und Erich Engels "Altes Herz wird wieder jung" (1943). Ungeachtet seiner oben genannten Aktivitäten und Subversionen wirkte er Ende 1944 aber auch als Wehrmacht-Hauptmann in dem NS-Durchhaltefilm "Das Leben geht weiter" (Regie: Wolfgang Liebeneiner) mit, der allerdings nicht mehr fertig gestellt wurde; das entstandene Material gilt bis heute als verschollen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschlands 1945 konnte de Kowa seine Karriere praktisch nahtlos fortsetzen. Von 1945 bis 1950 war er Intendant der Berliner Tribüne und von 1956 bis 1962 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Auch im Kino blieb er ein Star. Sein erster Nachkriegs-Leinwanderfolg war der noch während der NS-Zeit gedrehte "Peter Voss, der Millionendieb", der 1946 von der DEFA fertiggestellt und veröffentlicht wurde. Im Jahr darauf hatte er die Hauptrolle in dem Heimkehrer- und Trümmerfilm "Zwischen gestern und morgen" (1947).
Doch erst ab 1950 (zum Ende seiner Intendanz in Berlin) stand de Kowa wieder regelmäßig vor der Kamera. In der Komödie "Der Fürst von Pappenheim" (1952) spielte er die Titelrolle, in der Filmbiografie "Musik im Blut" (1955) den Jazzmusiker Kurt "Kutte" Widmann, in dem Antikriegs-Klassiker "Des Teufels General" (1955) einen SS-Gruppenführer. Kleinere Auftritte hatte er unter anderem als Professor in dem Romy-Schneider-Klassiker "Scampolo" (1958) und als Premierminister in der Eddie-Constantine-Komödie "Bomben auf Monte Carlo" (1960).
In "Es muß nicht immer Kaviar sein" (1961) und der Fortsetzung "Diesmal muß es Kaviar sein" (1961) war er ein Geheimagent, in der Heinz-Rühmann-Komödie "Das Haus in Montevideo" (1963) ein Anwalt. Im Fernsehen hatte er die Titelrolle in der achtteiligen Krimireihe "Slim Callaghan greift ein" (1964). Seine letzte Kinorolle spielte Viktor de Kowa in der Karl-May-Verfilmung "Winnetou und sein Freund Old Firehand" (DE/YU 1966) als kauziger Engländer namens Ravenhurst.
Neben der Schauspieltätigkeit verfasste Viktor de Kowa im Lauf der Jahre mehrere Bühnenkomödien und übersetzte Stücke aus dem Französischen. Zudem engagierte er sich stark in der Friedensbewegung, war 1961/62 Präsident der Union der Filmschaffenden und von 1962 bis 1966 Vorsitzender der Gewerkschaft Kunst sowie Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). 1961 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse ausgezeichnet, 1962 mit der Ernst-Reuter-Plakette der Stadt Berlin, 1963 mit dem französischen Orden "Merite Civique".
1971 sah man ihn in einer letzten TV-Rolle als Prominentenarzt in der Komödie "Glückspilze". Im gleichen Jahr nahm de Kowa einen dreijährigen Lehrauftrag für europäische Schauspielkunst in der Nähe von Osaka (Japan) an. Anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums zeichnete ihn der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am 20. Februar 1972 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz aus. Zu diesem Zeitpunkt war der Schauspieler bereits schwer an Zungenkrebs erkrankt.
Viktor De Kowa, der von 1926 bis 1941 mit der Schauspielerin Ursula Grabley und von 1941 bis zu seinem Tod mit der japanischen Sängerin und Schauspielerin Michiko Tanaka verheiratet war, starb am 8. April 1973 nach langer, schwerer Krankheit im West-Berliner Universitätsklinikum. Sein als Pagode gestaltetes Grabmal auf dem Berliner Friedhof Heerstraße soll an die fernöstliche Kultur erinnern, mit der de Kowa durch Tanaka in Verbindung getreten war. 1980 wurde seine Ruhestätte zu einem Ehrengrab des Landes Berlin ernannt.