Inhalt
Baltikum, 1919. Auf dem einsamen Schloss der hübschen Sophie haben sich deutsche Truppen einquartiert, die den Vormarsch russischer Revolutionäre stoppen sollen. Sophie verliebt sich in den Offizier Erich – doch er weist ihre Avancen zurück. In ihrem Kummer lässt Sophie sich wahllos mit anderen Soldaten ein, um Erich zu demütigen. Aber auch das zeigt bei dem verbissenen Offizier keinerlei Wirkung. Enttäuscht und gedemütigt läuft Sophie zu den russischen Widerstandskämpfern über. Wenig später wird sie von Erichs Soldaten gefangen genommen. Nun droht ihr die Todesstrafe.
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Auch die im verfallenen Schloss Kratovice einquartierte Freikorps-Truppe ist bunt zusammengewürfelt. Es handelt es sich um zumeist (ritter-) romantischen Idealen nachhängende Abenteurer aus Deutschland, Frankreich, Weißrussland und den baltischen Ländern, die der Schlossherr Konrad von Reval, seine Schwester Sophie und eine hypochondrische gräfliche Tante beherbergen.
Die Endzwanzigerin Sophie ist von der Aussichtslosigkeit des Kampfes überzeugt, findet aber erst die Kraft, sich aus ihrem längst überholten feudalistischen Milieu zu befreien, als sie Konrads Freund, den preußischen Offizier Erich von Lhomond kennen- und lieben lernt. Doch den Anführer des Korps verbindet mit ihrem Bruder mehr als nur eine Seelenverwandtschaft.
Enttäuscht von den mehrfachen Zurückweisungen Erichs wechselt Sophie zunächst die Liebhaber, wobei der elegante Volkmar eine besondere Rolle spielt – und schließlich die Fronten. Sie schließt sich den roten Rebellen um den Uhrmacher und Trakl-Leser Gregor Löw, mit dem sie seit vielen Jahren befreundet ist, an. Als die bereits auf dem Rückzug nach Deutschland befindlichen Freikorps-Truppen ein MG-Nest der Roten ausheben, ist zur allseitigen Überraschung Sophie unter den Gefangenen. Sie sollen sämtlich erschossen werden – und Erich nimmt auf ihren ausdrücklichen Wunsch die Exekution Sophies eigenhändig vor...
„Es ist ein schwieriges Unterfangen“, so der Regisseur im Presseheft des Filmverlags der Autoren, „etwas Dokumentarisches und ein Drama, also das Erzählen einer Geschichte, zusammenzubringen. Dies verträgt sich nämlich wie Feuer und Wasser.“ In Volker Schlöndorffs „Geschichte einer Demütigung, die mit einer Revolte endet“ steht Sophie von Reval im Mittelpunkt, die sich jedoch nicht aufgrund von politischen Einsichten, sondern von verletzten Gefühlen getrieben auf die „richtige“ Seite schlägt. Sophie ist eine emanzipierte, selbstbewusst Pfeife rauchende Frau, die sich aufopferungsvoll um Verwundete kümmert, die sie todesmutig aus dem Schützengraben birgt. Längst weiß sie, dass ihr Bruder einen politisch wie militärisch aussichtslosen Kampf austrägt. Ja, Sophie ist im Grunde ihres Verstandes längst Kommunistin wie ihr langjähriger – platonischer – Freund Gregor Löw.
Ihr Herz jedoch sehnt sich nach Anerkennung – und nach Liebe. Doch die Männergesellschaft fährt lieber im Opel-Oldtimer nach Riga, um Dampf in den Bordellen der baltischen Metropole abzulassen. Sophie liebt Erich selbst dann noch, als dieser wirklich nichts auslässt, um sie zu demütigen: „Wenn mir je nach einer Frau zumute wäre, wären Sie die letzte, an die ich denken würde.“ Dennoch reagiert er hochgradig eifersüchtig, weil in seiner Männerehre gekränkt, als Sophies traditioneller weihnachtlicher Mitternachtskuss unterm Mistelzweig mit Volkmar besonders intim ausfällt.
Das entspricht zwar ganz der Vorlage der belgischen Autorin Marguerite Yourcenar, die ihren Roman „Der Gnadenschuß“ im Jahre 1936 schrieb, also in einer Zeit, in der die Männerbündnisse wieder groß in Mode kamen – allerdings noch nicht in Kenntnis der geradezu pathologischen Entartungen, die diese in der NS-Zeit nach 1939 erfahren sollten. Ist aber im Resultat des Films enttäuschend: Die Erwartungen an Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta waren nach der fulminanten Heinrich Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ in eine andere, politische Richtung gegangen.
Gedreht im winterlich-öden österreichischen Burgenland fing Igor Luther die spröde „baltische“ Landschaft mit ihrer trostlosen Weite in berückenden Schwarzweiß-Bildern voller Schwermut ein. Es wird wohl auch an diesen, den südlichen Gefilden so exotisch-fernen Bildern gelegen haben, dass „Fangschuß“ 1976 in Neapel zum „besten europäischen Film“ gewählt wurde. Allerdings folgten beim Deutschen Filmpreis 1977 zwei Filmbänder in Gold für Volker Schlöndorff und Igor Luther. Der Uraufführung am 15. August 1976 beim Int. Filmfestival Locarno folgte der Kinostart am 22. Oktober 1976.
Pitt Herrmann