Unterdrückte und verschleierte Kritik bei der DEFA

Nachdem alle wichtigen DEFA-Regisseure – selbst Konrad Wolf mit "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" (1973) – mit zeitgenössischen Themen auf Probleme mit den Autoritäten gestoßen waren, wandten sie sich dem "sicheren" Genre des Antifaschismus zu – wie Wolf mit "Mama, ich lebe" (1976) – oder den Tarn-Filmen, die literarische Klassiker oder Künstlerbiografien dazu nutzten, den aktuellen Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft zu behandeln. Der unangreifbare Goethe galt als spezieller Favorit. Siegfried Kühn legte 1974 die Verfilmung "Die Wahlverwandschaften" vor. Egon Günther versuchte 1975 mit "Lotte in Weimar", seiner Version von Thomas Manns gleichnamiger Erzählung, den internationalen Markt zu erreichen und verfilmte danach "Die Leiden des jungen Werthers" (1976), bevor er in den Westen übersiedelte. In seinem einzigen historischen Film, "Addio, piccola mia" von 1978, bot Lothar Warneke, nach einem Szenarium von Helga Schütz, seine Reflektion der Studentenrevolte im Westen anhand einer Darstellung des Lebens Georg Büchners.

 
Quelle: CineGraph© DEFA-Stiftung, DEFA-Wolfgang Ebert
Kurt Böwe und Franciszek Pieczka (v.l.n.r.) in "Jadup und Boel"
 

Wenn Filmmacher offen und kritisch mit zeitgenössischen Themen umgingen, wie Heiner Carow 1978 in "Bis daß der Tod euch scheidet" und Wolfgang Kohlhaase 1979 in "Solo Sunny", reagierte die Partei unverzüglich mit einer "Diskussion" in der offiziellen Presse und verlangte eine positivere Darstellung der Vorzüge der sozialistischen Gesellschaft. 1981 wurde Rainer Simons "Jadup und Boel", der unter den Augen zahlreicher Stasi-Informanten gedreht und erst nach beträchtlichem Tauziehen zwischen Studio und Partei fertiggestellt werden konnte, kurz vor der Premiere doch verboten. Die Regisseure verschleierten darauf erneut ihre Kritik, indem sie Geschichten über Frauen in der Gesellschaft verfilmten ("Die Beunruhigung", 1981, Lothar Warneke), erfolgreiche Romane als Vorlage benutzten (Roland Gräf mit "Märkische Forschungen", 1982, nach Günter de Bruyn; "Das Haus am Fluß", 1984/85, nach Friedrich Wolfs "Der Russenpelz") oder antifaschistische Themen aufgriffen ("Der Aufenthalt", 1982, Frank Beyer, nach dem Roman von Hermann Kant; "Die Schauspielerin", 1988, Siegfried Kühn). Diese Filme entwickelten – unterstützt von ausgezeichneten Szenografen und Kameraleuten – einen visuell und narrativ professionellen, doch selten innovativen Stil. Diese eher konservative Art des Filmemachens mit Dialoglastigkeit und einem Misstrauen gegen die prekäre, weniger kontrollierbare Macht der Bilder wurde nur von Rainer Simons "Das Luftschiff" (1982) durchbrochen, der die historische Chronologie in dieser Biografie eines skurrilen Erfinders auflöste.

Quelle: DIF© DEFA-Stiftung
Nadja Klier und Marc Lubosch in "Gritta von Rattenzuhausbeiuns"
 

Visuelle Phantasie boten auch "Nebeneinsteiger" wie der als Kameramann erfolgreiche Jürgen Brauer, der – z.B. im romantischen Märchen "Gritta von Rattenzuhausbeiuns" (1984) – sein Regietalent im Genre des Kinderfilms (immer ein wichtiger Faktor der DEFA-Produktion) entfaltete. Als weiterer "Nebeneinsteiger" überzeugte der Schauspieler Michael Gwisdek, der 1988 die Chance bekam, mit seinen Kollegen Corinna Harfouch und
Hermann Beyer "Treffen in Travers" zu inszenieren, ein intensives Kammerspiel vor dem Hintergrund der Französischen Revolution.