Ferdinand Gregori: Der Schauspieler (1919)

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Quelle: Jeanpaul Goergen
Buchcover

Ferdinand Gregori geht in seinem 1919 erschienenen Buch "Der Schauspieler" zwar nur kurz auf den Filmschauspieler ein; seine Anmerkungen verweisen aber auf grundsätzliche Probleme. Gregori (13.4.1870, Leipzig - 12.12.1928, Berlin) war Schauspieler, Schauspiellehrer und Schriftsteller. Für seine Ausführungen zum Beruf des Schauspielers schöpfte er aus seinen Engagements an Provinztheatern, am Wiener Burgtheater und dem Deutschen Theater in Berlin, wo er auch als Schauspiellehrer wirkte. In Wien hatte er u.a. Fritz Kortner und Maria Orska unterrichtet; in Berlin Kurt Horwitz und Eduard Wandrey. Erfahrungen aus sechs Vorträgen an der Lessinghochschule in Berlin flossen in das Buch mit ein.
Nach Kriegsende wirkte Gregori auch in den drei Spielfilmen "Die Frau im Käfig" (1919), "Verlogene Moral" (1921) und "Herzog Ferrantes Ende" (1922) mit.

Sein Buch "Der Schauspieler" erschien in der Reihe "Aus Natur und Geisteswelt. Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen" und ist entsprechend populär gehalten. Das anderthalb Seiten umfassende Kapitel über Filmschauspieler heißt "Filmverlegenheiten" und stellt eine stark kondensierte Fassung seines Aufsatzes "Theater und Film: eine Warnung" dar, der im 1. Oktoberheft 1918 der Zeitschrift "Deutscher Wille" (S. 8-12) erschienen war.

Gregori stellt drei Gesichtspunkte heraus: die Honorierung der Schauspieler beim Film, die zeitliche Überschneidung von Filmaufnahmen und Theaterproben sowie die Eignung deutscher Schauspieler für das Medium Film.

In den letzten Jahren habe das Kino immer mehr Bühnenschauspieler engagiert und die Filmgagen hätten sich teilweise verzehnfacht. Auch wenn die Schauspieler "meist sehr verächtlich" von ihren Engagements beim Film redeten, so würden sie doch die "bequeme Erhöhung der Einkünfte" ebenso genießen wie ihren dort befriedigten Ehrgeiz. "Je größer der Name und das Bild auf dem Filmplakat, umso höher schlägt das Herz des vielleicht am Worttheater verkannten Sterns" (S. 111).

Unzuträglichkeiten entstünden dadurch, dass sowohl das Theater als auch der Film die Mittagszeit nutzten, die einen für Proben, die anderen für die Dreharbeiten. Entfalle die Filmaufnahme, so werde diese an einem anderen Tag nachgeholt; erscheine der Schauspieler aber nicht zur Probe, so leide darunter die künstlerische Qualität der Aufführung. Gregori bedauert, dass die von den hohen Filmhonoraren geblendeten Schauspieler auch das Gefühl für Vertragsverletzungen gegenüber den Theatern verlieren: "Die fortwährenden Ausreden, Verlogenheiten – eine fast notwendige Folge des Zwitterberufs – können auch nur schädigend auf den Charakter wirken" (S. 112). Es sei daher wünschenswert, dass Film und Theater sich bei der Ansetzung von Filmaufnahmen und Theaterproben abstimmten.

Dem Film schreibt Gregori "große, noch unausgeschöpfte, kaum erst berührte Möglichkeiten künstlerischer Art" (S. 112) zu. Er bezweifelt jedoch, dass der deutsche Schauspieler für den Film geeignet sei, da er sich mehr aufs Wort stütze denn auf die Gebärde; romanische Darsteller seien hier überlegen. Schauspieler, die überwiegend für den Film arbeiteten, müssten daher die Ausdrucksfähigkeit ihres Körpers deutlich steigern.

Gregoris Charakterisierung des Schauspielers als "Zwitterberuf" zwischen Theater und dem Film mit ihren jeweils unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten trifft auf die Mehrzahl der deutschen Schauspieler zu. Nur wenige wandten sich von dem Theater "auf Nimmerwiederkehr" (S. 112) ab und verstanden sich fortan als Filmschauspieler.

(Jeanpaul Goergen, April 2019)

Ferdinand Gregori: Der Schauspieler. Leipzig, Berlin: B. G. Teubner 1919, 132 Seiten (= Aus Natur und Geisteswelt; 692)
dnb: http://d-nb.info/580014738