Ewald André Dupont: Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet (1919)

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Quelle: Jeanpaul Goergen
Buchcover der Erstauflage von 1919

Auf dem Innentitel seines Buches "Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet" wird Ewald André Dupont als Regisseur der Max-Landa-Detektiv-Serie vorgestellt. Produzent dieser Serie mit dem Hauptdarsteller Max Landa war die Stern-Film GmbH, Berlin. Sieben Fotos zeigen Motive aus zwei Filmen dieser Serie, "Europa postlagernd" und "Der Teufel" sowie aus dem Kulturspielfilm "Es werde Licht. 2. Teil" über Geschlechtskrankheiten. Diese Filme waren alle 1918 herausgekommen.

In Duponts auf Januar 1919 datierten Vorwort hallt noch der revolutionäre Impuls der Novemberrevolution 1918 nach, wenn er schreibt, die Filmkunst sei eine "Kunst für das Volk" und gerade deshalb habe sie ein großes Interesse "an der Mitarbeit des Volkes". Mit seinem Leitfaden will er falsche und verworrene Ansichten über den Film ausräumen und so dazu beitragen, die von Laien eingesandten Manuskripte auf ein höheres Niveau zu heben. Unerlässliche Grundbedingung für das Schreiben sei allerdings "Talent und Phantasie". (S. 6)

Der von W. Dietrich gezeichnete Titel karikiert eine fesche junge Dame, die auf Büchern und Zeitschriften thront. Es sei dahingestellt, ob sie einen Filmstar zeigt oder doch eher das avisierte Zielpublikum des Ratgebers darstellen soll. Denn "Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet" ist der Sparte der populär gehaltenen Ratgeber-Literatur zuzuordnen, die besonders im Filmbereich florierte. Dementsprechend muss der heutige Leser seine Ansprüche deutlich zurückschrauben.

Dupont beginnt seine Lektion mit Ausführungen zum Wesen des Filmmanuskripts. Den Begriff "Drehbuch" verwendet er noch nicht, spricht vielmehr von Filmmanuskript bzw. Filmszenarium. Es handele sich dabei um "eine vollkommen selbständige Darstellungsform, die weder mit der Bühne noch mit dem Buch etwas zu tun hat." (S. 8) Der Film vermöge auch Kunst zu geben, er sei aber bis heute in einem hohen Maße von der Technik abhängig. Mit einem Seitenhieb auf die Kinoreformer heißt es dann: "Die Kunst im Film und all die sogenannten 'Veredelungsbestrebungen', denen sich gerade heute die Filmphantasten mehr denn je hingeben, können nur insoweit zum Ausdruck gebracht werden, als sie eben technisch ausführbar sind." (S. 9) Da nur das dargestellt werden könne, was photographisch möglich ist, müsse der Filmschriftsteller "einen Blick für die Wirksamkeit und die Ausnützungsmöglichkeit photographischer Bilder" entwickeln, "denn Filmwirkung ist Bildwirkung." (S. 10)

Den Aufwand für ein Filmmanuskript verdeutlicht er mit dem Hinweis, dass ein vieraktiger Film mit einer Länge von 1500 Metern (etwa 73' bei 18 Bildern pro Sekunde) rund 80 bis 100 Bildmotive enthalte, wobei jedes einzelne "durch einen besonderen Reiz, eine Eigenart dem Beschauer auffallen soll, um so dem Film als Ganzem eine künstlerische, persönliche Note zu geben." So gesehen müsse ein guter Filmautor bereits zum Teil Regiearbeit leisten und jede Szene "bis auf die kleinsten Kleinigkeiten ausmalen." (S. 13) Daher finde man auch die besten Filmschriftsteller in den Kreisen der Regisseure. Der Regisseur wisse, was das Publikum verlange. Ein "verständnisvolles Eingehen auf die Geschmacksrichtungen des Publikums" (S. 14) gehöre unverzichtbar zur Filmschriftstellerei, ohne dabei aber Konzessionen an die angeblich niedrigen Instinkte der Masse zu machen.

Der Autor eines Filmmanuskripts sollte sich auch darüber im Klaren sein, wie Filmaufnahmen im Atelier vonstatten gehen, etwa dass Bauten und Dekorationen sich nach dem Aufnahmewinkel der Kamera zu richten haben. Beim Schreiben eines Dramas solle der Autor nebst einem originellen Rahmen vor allem auf spannende Aktschlüsse achten, "wie überhaupt für den Filmautor die erste und wichtigste Parole: Spannung! heißt." (S. 23) Der Detektivfilm sei für Autoren besonders dankbar, "weil er eben nur Film ist und nur Film sein will." (S. 25) Mit der Filmzensur, die auch nach der Revolution weiterhin bei den Polizeibehörden des jeweiligen Bezirks lag, geht Dupont erstaunlich milde um; in der Regel bezeuge sie "den mit Intelligenz und Takt durchgeführten Detektivfilms verständnisvolles Entgegenkommen." (S. 28) Beim Lustspiel hätte die Zensur dafür gesorgt, dass die vor dem Krieg gängigen "Pikanterien" (S. 30) verschwunden seien.

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Quelle: Jeanpaul Goergen
Buchcover der zweiten, völlig neu bearbeiteten Auflage von 1925/26

Vor dem Ausfertigen eines Filmmanuskripts empfiehlt Dupont die Anfertigung eines kurzen Exposés in Form einer Inhaltsangabe, das anschließend in Akte und zum Schluss in Bilder aufzulösen sei. Die handelnden Personen sollten durch Titel unzweideutig eingeführt werden. Die Zwischentitel sollten aber nicht genutzt werden, um die Handlung voranzutreiben oder gar ganze Schicksale von Personen aufzuzählen. Ein guter Film enthalte ausschließlich Dialogtitel; höchstens seien noch Titel, die Zeitsprünge wie "Einige Woche später" angeben, erlaubt. Aber auch sie könnten durch Ab- und Aufblenden ersetzt werden.

Schließlich beklagt sich Dupont über die Auswüchse des Serienfilms, also jener Filme, die in einer abgeschlossenen Handlung jeweils um einen Star herum entwickelt wurden. Dupont, selbst Autor und Regisseur von Serienfilmen, sieht hier den "Nagel zum Sarge des Filmschriftstellers" (S. 40). Es sei zumal leichter, Konflikte darzustellen, die mehrere Personen involvieren. Arbeiten, in denen nur eine Persönlichkeit im Mittelpunkt steht, würden in ihren "psychologischen Ursachen und Folgerungen vollständig verzerrt und erlogen" erscheinen. (S. 44)

"Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet" erschien im Frühjahr 1919 im Berliner Verlag Reinhold Kühn, der eine mehr als 30 Titel umfassende Spezial-Buchhandlung für Kino-Literatur unterhielt und zudem die wöchentliche Fachzeitschrift Der Film herausgab. Der Band enthält längere Auszüge aus den Filmmanuskripten zu den Dramen "Es werde Licht. II. Teil" (Drehbuch: Richard Oswald und E.A. Dupont), "Ferdinand Lassalle" sowie zu dem Detektivfilm "Europa postlagernd", zu denen E.A. Dupont ebenfalls die Drehbücher verfasst hatte. Zu dem im Titel versprochenen Hinweisen, wie man einen Film verwertet, schweigt sich Dupont allerdings aus. Insgesamt vermittelt der Band den Eindruck, als wolle er die große Zahl der Laien, die sich zum Filmschriftsteller berufen fühlen, davon abhalten, die Filmgesellschaften weiterhin mit unbrauchbaren Manuskripten zu behelligen. Die Auszüge aus den Drehbüchern, so die Zeitschrift Der Film, seien "das Wertvollste für den Leser, der nach dem Buch greift um zu lernen [...], die sorgsam studiert und wieder studiert sein wollen." (Nr. 13, 29.3.1919, S. 54)

Mitte der 1920er Jahre erschien eine von dem Dramaturgen Fritz Podehl völlig neu bearbeitete Auflage.

Eine aufschlussreiche Detailanalyse von E.A. Duponts "Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet" von 1919 stammt von Uli Jung: Schreiben und Verwerten. Duponts Ratschläge an Drehbuchautoren, erschienen in Jürgen Bretschneider (Hg.): "Ewald André Dupont: Autor und Regisseur". München 1992, S. 15-23

Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten wanderte E.A. Dupont (1891-1959) in die USA aus; nach Deutschland kehrte er nicht mehr zurück.

Jeanpaul Goergen (Mai 2020)

Ewald André Dupont: Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet. Berlin: Verlag von Reinhold Kühn 1919, 94 Seiten, 7 fotografische Tafeln mit Seidenhemdchen
Traub/Lavies: 582
dnb: http://d-nb.info/572937644

Ewald André Dupont: Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet. Mit Beispielen und Abbildungen. Verlag von Reinhold Kühn, o.J. [1925/26], Zweite, von Fritz Podehl völlig neu bearbeitete Auflage, 100 Seiten, 6 Tafeln
Traub/Lavies: 583
dnb: http://d-nb.info/572937652