Max Mack: Wie komme ich zum Film? (1919)

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Quelle: Jeanpaul Goergen
Buchcover

Der Regisseur Max Mack, der 1913 mit "Der Andere" den ersten deutschen Autorenfilm vorgelegt hatte und damit dem neuen Medium sowohl zu einer erhöhten gesellschaftlichen Akzeptanz als auch zu einer breiteren Öffentlichkeit verhalf, war auch ein gefragter Fachautor. Bereits 1916 hatte er das Filmbuch "Die zappelnde Leinwand" herausgegeben, zu dem er auch selbst Texte über die Filmproduktion beigesteuert hatte.

Das noch während des Weltkriegs geschriebene Buch "Wie komme ich zum Film?" – das Vorwort datiert August 1918 – gehört zur Gattung der Ratgeber-Literatur. Allerdings schwebt Mack kein "Lehrbuch des Filmens" vor, sondern er will einen Überblick über all jene Dinge geben "die am Kino interessieren könnten" (S. 5). Dabei hat er insbesondere jene Leser im Auge, die es unwiderstehlich zum Film hinzieht, ohne dabei auch nur zu ahnen, welche Begabungen und Fähigkeiten sie mitbringen müssen. So sind seine Ausführungen weitgehend darauf angelegt, die Komplexität und die Schwierigkeiten des Filmgewerbes herauszustellen, um "dilettierende Liebhaber von der Leinwand fernzuhalten." (S. 9) Folgerichtig ist denn auch das erste Kapitel mit "Ich warne..." überschrieben. Auch wenn Mack einen leichten Plauderstil pflegt, so begründet er stets seine Empfehlungen und Ratschläge, die er zudem mit eigenen Erfahrungen untermauert, hatte er doch bis 1919 bereits bei über 20 Filmen Regie geführt.

Im zweiten Kapitel fragt Mack, warum wohl alle Welt filmen wolle, da die Arbeit vor der Kamera doch eine "ganz bestimmte, sehr seltene, sehr schwer zu findende Begabung" (S. 10) erfordere. Schuld daran seien vor allem die falsche Erwartung, beim Film bequem und schnell reich zu werden. Wer wirklich zum Film wolle, "mache sich auf eine mühevolle, schwere, ja entbehrungsreiche Laufbahn gefasst, die mit Enttäuschungen und Entmutigungen gepflastert ist." Unentbehrlich sei zudem nicht nur das "seltene, wirkliche Filmtalent", sondern nicht zuletzt auch eine ansprechende äußere Eignung, "denn der Film ist vor allem Photographie. Das heißt: er bringt nicht die schöne Seele auf die Leinwand, sondern den materiellen Körper, das Äußere. Und das Problem des Äußeren ist die erste, die Kernfrage, um überhaupt im Film einen Erfolg zu erringen." (S. 21)

Das Kapitel "Die Geburt des Films" gibt sodann einen knappen Überblick über die technischen Bedingungen – Kulissenbau, Aufnahme, Entwicklung, Virage, Schnitt und Einsetzen der Zwischentitel – unter denen ein Film entsteht.

Im Abschnitt über "Film-Schulen" beschreibt Mack die Technik des Filmausdrucks als Ergebnis künstlerischer Erziehung. Insbesondere der Gesichtsausdruck müsse studiert werden, denn die Großaufnahme "verlangt eine so außerordentliche Durcharbeitung des Ausdrucks, eine so durchgreifende Bestimmtheit jeder Muskelkontraktion, dass man dem Zufall wenig überlassen darf." (S. 31) Bei den meisten Filmschulen handele es sich aber um "schlecht kaschierte Bauernfängereien." (S. 34) Dennoch sei es dringlich, dass der künstlerische Nachwuchs "gemäß den Bedingungen des lebenden Bildes" (S. 35) ausgebildet werde. Als eine ernsthafte Ausbildungsstätte galt offenbar das Kinotechnikum Wieder in Berlin, das in einer Anzeige in dem Band Komparserie- und Darsteller-Kurse sowie Einzel-Ausbildung anbot.

Obschon Film und Bühne "gänzlich verschiedene Wirkungsweisen" hätten, empfiehlt Mack als Ersatz für das Fehlen einer echten Kinoschule den Besuch einer Theaterschule. Hier würden die Grundlagen gelegt, um sich später im Atelier das "Besondere der Filmkunst" anzueignen. (S. 37) Hier komme es dann darauf an, dass der Regisseur eine fruchtbare Beziehung zum Darsteller aufbaue, denn so könnten beide für ihre spätere Arbeit lernen.

Anschließend geht Mack auf die wichtigsten Unterschiede zwischen Film und Bühne ein. Den Hauptunterschied sieht er darin, dass im Film das Leben durch die Kamera gesehen wird: "Man sieht photographisch reproduzierte Szenen, die mit allem Anspruch auf unmittelbare Wirklichkeit auftreten." (S. 41) Film sei "Photographie und zunächst nur Photographie." Was sich nicht filmen lasse, falle aus dem Bereich der Kinematographie heraus. "Gefühlsvorgänge spielen nur soweit eine Rolle, als sie im Gesicht oder in körperlichen Bewegungen ausdrückbar sind." (S. 42) Der Filmdarsteller sei daher auf "verhältnismäßig primitive Ausdrucksmittel" angewiesen, die er durch "starke technische Reife" (S. 43) ausgleichen müsse, um seine Gefühlslage dem breiten Publikum verständlich zu machen.

In dem umfangreichen Kapitel "Die Praxis des Films" legt Max Mack auch seine Vorstellung vom Kino offen. Die Zuschauer suchten im Kino keine geistige Erschütterung wie im Theater, sondern wollen unterhalten werden. Das Kino diene "nicht der geistigen Mission der Kunst [...], sondern einer geschmackvollen Unterhaltung." Der "Unterhaltungscharakter des Films" schließe den "künstlerischen Einschlag" jedoch nicht aus. Dieser sei im Gegenteil sogar notwendig, damit ein Film nicht in der Banalität versinke. Er denkt dabei vor allem an den "guten Geschmack" sowie an "einen gewissen Glanz und Charme" der Filme. Den Geschmack des Publikums bringt Mack auf den einprägsamen Nenner: "Es verlangt schöne Frauen, gutgewachsene Männer." (S. 48) Am besten geeignet seien normale Schönheitstypen, die in jeder Situation und bei jeder Beleuchtung gut herüberkommen.

Mack sieht in den Augen den wichtigsten Ersatz für die fehlende Sprache; sie machten die Qualität eines Darstellers aus: "Ein großes sprechendes Auge ist Vorbedingung für jede kinematographische Laufbahn." (S. 51) Wesentlich, aber theoretisch schwer dazulegen seien auch seine Bewegungen und das Spiel seiner Hände. Zur Ausbildung dieser Fähigkeiten helfe rhythmische Körperbildung und Sport. Besonders aufschlussreich sind Macks Ausführungen über die Schminkkunst und die Auswahl der Garderobe, die auf den für Rot unempfindlichen orthochromatischen Film – Rot wird als Schwarz wiedergegeben – Rücksicht nehmen müssen.

Die folgenden Kapitel behandeln Filmregie und Drehbuch; die Bezeichnung "Drehbuch" selbst kommt aber noch nicht vor. Der Regisseur müsse "mit dem Auge des photographischen Apparates sehen" (S. 72), etwa um den Bildausschnitt zu bestimmen. Es sei der Regisseur, der allein den Geist des Films kontrolliere und sein Tempo bestimme; hierin liege seine eigentliche schöpferische Arbeit. Der Autor solle eine gründliche Kenntnis der Filmproduktion besitzen und sich der beschränkten Ausdrucksmöglichkeiten des Films bewusst sein.

Mack beschreibt auch die Not der Komparserie; die Arbeit als Statist bringe nicht so viel ein, dass man davon Ersparnisse anlegen könne. Abschließend charakterisiert er einige von ihm besonders geschätzte Stars wie Henny Porten, Dorrit Weixler, Albert Bassermann und Paul Wegener.

Im letzten Kapitel "Die Welt des Films" wagt Mack einen Ausblick auf die Entwicklung des deutschen Films nach dem Krieg. Die Herausbildung finanzkräftiger Filmkonzerne sieht er positiv, "denn künstlerischer Fortschritt im Film heißt zunächst Bereitstellung geeigneter Mittel". (S. 117) Den Kinoreformern, die den Spielfilm weitgehend ablehnten und nur allgemeinbildende Kultur- und Lehrfilme gelten ließen, hält er selbstbewusst entgegen, das Kinopublikum habe "weder das Bedürfnis noch eine ausgesprochene Lust, sein Wissen zu bereichern oder sich belehren zu lassen." Es gehe ins Kino, um sich unterhalten zu lassen. Was es dort erwartet, "soll auf eine möglichst leichte Weise die Nerven streicheln, eine nicht zu tief gehende Erregung auslösen und alle die geistigen Kräfte, die im Tagewerk gebraucht und verbraucht werden, nach Möglichkeit unangetastet lassen." (S. 117)

Mack hofft, dass der Film sich von "Rohheiten und allzu gefühlsseligen Sentiments" (S. 121) befreit, Geschmackslosigkeiten meidet und die Technik verbessere. Dazu sei es notwendig, wieder Anschluss an den Weltmarkt zu gewinnen, der derzeit von Amerika dominiert werde, die zudem große Summen in politische Propagandafilme steckten. Auch Frankreich und Italien stellten solche Hetzfilme her, während es "unserem Volke an der Gewissenlosigkeit zu fehlen scheint, sich die übelsten Hetzgeschichten aus den Fingern zu saugen." Überhaut widerstehe den Deutschen die "Beschmutzung des Feindes". Die amtliche Filmtätigkeit – hier bezieht er sich auf das während des Weltkriegs errichtete Bild- und Filmamt – beschränke sich auf Frontaufnahmen und Industriefilme. Mit dem Hinweis auf die während des Krieges erfolgte staatliche Aufwertung des Films konstatiert Mack abschließend: "Das öffentliche Leben unserer Zeit ist ohne Film jetzt nicht mehr denkbar." (S. 122)

"Wie komme ich zum Film?" erschien im Frühjahr 1919 im Verlag Reinhold Kühn in Berlin, der eine umfangreiche Spezial-Buchhandlung für Kino-Literatur mit über 30 Fachpublikationen unterhielt und die wöchentliche Fachzeitschrift Der Film herausgab. Das Buch enthält feine Kapitelillustrationen von W. Dietrich, von dem auch das frivole Titelbild stammt. Max Mack selbst ist, seiner Stellung in der Filmbranche entsprechend, mit einer durch Spinnenpapier geschützten Porträtaufnahme des bekannten Fotografen Alexander Binder nebst schwungvoller Unterschrift auf dem Frontispiz vertreten.

Das Schweizer Fachblatt "Kinema" schrieb: "Auf 120 Seiten finden wir alle Gebiete berührt, welche die Kino- und filmlüsternen Kunstjünger beschäftigen." (Nr. 29, 26.7.1919, S. 2f) Und an anderer Stelle lobte es Macks Schreibstil: "Der Autor behandelt sein Sujet mit einer Mischung von sachlichem Ernst und leicht sprudelndem Humor, dem auch ein gewisser sarkastischer Unterton nicht fehlt." (Nr. 34, 30.8.1919, S. 3 und 6)

1928 brachte die Deutsche Filmbücherei, Berlin-Grunewald, den Ratgeber "Wie komme ich zum Film? Band 1. Der Filmdarsteller" heraus, der laut Innentitel vom "Filmregisseur Max Mack" stammen soll. Der Band sei von F.M. Albert völlig neu bearbeitet worden. Dazu schreibt Albert im Vorwort zur 31.-41.tausendsten (!) Auflage: "Als Grundlage für diesen ersten Band habe ich wiederum das Werk des Altmeisters unter den deutschen Filmregisseuren Max Mack benutzt." Das Büchlein enthält zahlreiche nicht ausgewiesene Passagen aus Macks Buch von 1919. Es ist allerdings fraglich, ob Max Mack hierzu seine Zustimmung gegeben hat.

Max Mack (1884-1973) emigrierte 1933 über Prag und Paris nach London und kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück.

Jeanpaul Goergen (Mai 2020)

Max Mack: Wie komme ich zum Film? Film und Bühne. Berlin: Verlag von Reinhold Kühn 1919, 123 Seiten, eine fotografische Tafel
dnb: http://d-nb.info/574952713

Max Mack: Wie komme ich zum Film? Ein Ratgeber für alle, die zum Film wollen. 1. Der Filmdarsteller. 31.-41. Tausend, völlig neu bearbeitet von F.M. Albert. Berlin: Deutsche Filmbücherei Verlagsgesellschaft 1928, 64 Seiten (= Deutsche Filmbücherei; 1)