E. E. Hermann Schmidt: Das politische Werbewesen in der Umsturzzeit (1919)

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Quelle: Jeanpaul Goergen
Deckblatt

Der Werbefachmann E. E. Hermann Schmidt referierte am 20. März 1919 im "Arbeitsbund für Werbelehre" in Berlin über das politische Werbewesen in der Umsturzzeit. Bereits am 6. März hatte er dort über das politische Werbewesen im Kriege gesprochen. (Über Ernst Eduard Hermann Schmidt und den Arbeitsbund für Werbelehre siehe hier.)

In seinem als Broschüre veröffentlichten Vortrag diskutiert er die während der Novemberrevolution eingesetzten Werbemittel wie Demonstrationen, Plakate, Flugblätter, Handzettel, Presse und Filmpropaganda. Die Novemberrevolution 1918 betrachtet er nur als eine Militärrevolte, nicht als politische Revolution, da der "geistige Inhalt" und die "große Idee, die für derartige revolutionäre Umwälzungen vorhanden sein muss" (S. 4) gefehlt hätten.

Auch die neue Regierung ziehe den Film gerne zur politischen Propaganda heran. Schmidt konstatiert, dass sich die Filmproduktion rasch den neuen politischen Verhältnissen angepasst habe: "Die Filmfabrikanten und die im Kriege gegründete, unter der Kontrolle der Regierung stehende 'Ufa' merken, dass der Wind jetzt anders weht, und tragen der neuen Richtung willig und gern Rechnung." (S. 18)

Schmidt setzt sich vor allem polemisch mit neueren politischen Filmen auseinander. Die dänische Produktion "Folkets ven"  (1918, R: Holger-Madsen) wird am 21. November 1918 von der Ufa unter dem Titel "Söhne des Volkes" herausgebracht. Der Film plädiert für einen demokratischen Sozialismus ohne radikalen Umsturz und blutige Brüderkämpfe. Beworben wurde er in Inseraten mit der Schlagzeile "Für die Vereinigung der sozialistischen Gruppen, gegen den Bolschewismus".  Schmidt gibt eine lange Inhaltsangabe des Films, missversteht ihn aber als "sogenannten sozialistischen Film" (S. 19).

Für den Heimatschutz Ost hatte die Protoskop-Film für die Reichsregierung einen heute nicht mehr bekannten Film "Tage der Not" produziert. Er zeigte, "wie ein im Osten ansässiger Gutsbesitzer und dessen Frau durch die Polen vergewaltigt werden, bis schließlich einer Schar Freiwilliger die Rettung gelingt" (ebd.). Der Film, der unter Mitwirkung der Militärbehörde entstanden sei, verschweige jedoch, "dass unsere Regierung vor Eröffnung der Feindseligkeiten mit den Polen denselben Polen Waffen und Munition (angeblich zur Bekämpfung des Bolschewismus) in Massen aushändigen ließ" (S. 20).

Schließlich berichtet Schmidt von den Dreharbeiten zu einem weiteren regierungsoffiziellen Film, der die Freilassung der deutschen Gefangenen von der Franzosen fordere. Hier zitiert er in vollem Wortlaut den Drehbericht "Hetz- oder Werbefilm?" aus der Zeitung "Die Freiheit" vom 19. Februar 1919, aus dem die dick aufgetragene propagandistische Tendenz des Films deutlich werde.

Schmidt schlussfolgert, dass der Film auch für die sozialistische Regierung eine "erfolgreiche erzieherische Arbeit" (ebd.) leisten könne, vorausgesetzt, er werde richtig angewendet. Dazu müssten aber die maßgebenden Kreise "mit den alten Mitteln der Verhetzung und Unwahrheit in der Darstellung" brechen und die Propaganda im Film "auf ein höheres Niveau" (ebd.) bringen. Auf dem Gebiete der "Revolutionskinokunst" (ebd.) habe man noch viel zu lernen.

(Jeanpaul Goergen, April 2019)

Ernst Eduard Hermann Schmidt: Das politische Werbewesen in der Umsturzzeit. Vortrag im "Arbeitsbund für Werbelehre" am 20. März 1919 in Berlin. Berlin: Arbeitsbund für Werbelehre 1919, 23 Seiten

dnb: http://d-nb.info/362620342