Nichts als Gespenster

Deutschland 2006/2007 Spielfilm

Inhalt

Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Judith Hermann. In fünf weltumspannenden Episoden erzählt der Film von einer Reihe von Menschen um die dreißig, die aus unterschiedlichsten Beweggründen ihre vertraute Umgebung hinter sich lassen, um ganz woanders eine Zukunft, aber auch "sich selbst" zu finden. Ganz egal aber, ob sie auf ihren Reisen in der Wüste Nevadas, Venedig oder Jamaika landen – sehr schnell müssen sie alle erkennen, dass es nichts nützt, vor seiner Unzufriedenheit davon zu laufen. Sich selbst hat man nämlich immer dabei.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die offene, freundliche, aber auch leidensfähige Ellen und ihr mürrischer, streitsüchtiger und alles andere als glücklicher Freund Felix bereisen per Mietwagen die USA von der Ost- zur Westküste und wieder retour. Unterwegs treffen sie auf skurrile Menschen wie die Barfrau Annie und eine Geisterjägerin, aber auch auf herzliche wie den rundum zufriedenen Familienvater Buddy, der noch nie seinen heimatlichen Bundesstaat Nevada verlassen hat. Mit der Erklärung Ellens, dass viele Leute in ihrem Alter, also Mitte Dreißig, immer wieder durch die Welt reisen, fast wörtlich übernommen aus Judith Hermanns Erzählband „Nichts als Gespenster“, kann Buddy daher nichts anfangen...

Die aparte Nora ist mit ihrer besten Freundin, dem aufreizend blonden Engel Christine, nach Jamaica gefahren, um in der Hitze der Karibik ihren Ex-Freund Kaspar zu besuchen. Mit dem sie gerne wieder etwas anfangen würde – wie Christine mit dem Familienvater Cat, einem Bild von einem Kerl. Doch alle warten auf ein Zeichen des anderen – und auf den drohenden Hurrican...

Die eher kühle Irene ist mit ihrem Freund Jonas, einem rasch enthusiasmierten Energiebündel, nach Island gefahren, um im Haus ihres früheren Studienkollegen Magnus und dessen Gattin Jonina den Versuch zu unternehmen, die in die Brüche gegangene Beziehung zu kitten. Stattdessen könnte aus Jonas, der die herrliche Landschaft genießt und sich reizend um das Gastgeber-Töchterchen Sunna kümmert, und Jonina etwas werden: Wer kann solchen Sehnsuchtsblicken widerstehen...

Die alleinstehende Berlinerin Caro mit der schönsten Zahnlücke nach Paulchen Kuhn besucht ihre beste Freundin und frühere Mitbewohnerin Ruth, eine Schauspielerin mit dem schönsten Lächeln seit Diane Keaton. In der Theaterkantine lernt sie Ruths neuen Freund, den bis zur Regungslosigkeit unterkühlten Schauspieler-Kollegen Raoul kennen. Als der sie für eine Nacht nach Senftenberg einlädt, reist die Berlinerin sogleich in die nur auf den ersten Blick so graue Provinz...

Marion, eine Frau mit den wundervollsten großen Augen seit Audrey Hepburn, hat gerade ihren 30. Geburtstag gefeiert, allein. Sie reist nun ihren Eltern nach Venedig nach, zwei typischen Alt-1968ern, die den (Un-) Ruhestand aus vollen Zügen genießen. Und irrt in der von Touristen überlaufenen Lagunenstadt umher auf der zunehmend verzweifelten Suche nach einer eigenen Herberge: Bloß nicht den Vater bemühen, sich bloß nicht wieder mit der besserwisserischen Mutter anlegen...

Es sind Altman'sche Short Cuts, die uns Martin Gypkens zwei volle Stunden lang offeriert nach fünf Kurzgeschichten der 1970 in Berlin geborenen und nach wie vor dort lebenden Autorin Judith Hermann: Vier entstammen ihrem zweiten Erzählband „Nichts als Gespenster“ (2002), die Jamaica-Geschichte aus ihrem Debut „Sommerhaus, später“ von 1998. Obwohl nichts bis gar nichts passiert mit Ausnahme des – allerdings auch folgenlosen – Abenteuers in der mitteldeutschen Provinz, kommt nicht eine Minute Langeweile auf.

Dafür sorgt die Cutterin Karin Jacobs, die aus den fünf Episoden auf geradezu furiose Weise ein spannendes Puzzle macht und die Einzelteile nur ganz selten – und nur akustisch – miteinander verbindet, etwa das archaische Leben in der Karibik mit der europäischen Zivilisation am Canale Grande. Eine inhaltliche Verknüpfung von Personen oder Geschichten ergibt sich nur aus dem Alter der Protagonisten: Generation Helmut Kohl, so um die Dreißig. Weltläufig, aber nirgendwo daheim. Und selten zu normaler Kommunikation fähig.

Karin Jacobs' Parallelmontage unterstreicht einerseits die Gleichzeitigkeit der Geschichten, offenbart zugleich aber auch ihre Seelenverwandtschaft. Und das immer wieder mit harten Schnitten der vorzüglichen (Landschafts-) Aufnahmen der Schweizer Kamerafrau Eeva Fleig: Soeben blicken Jonas und Jonina noch in einen großen Geysir, der seit knapp einhundert Jahren schlummert und jederzeit ausbrechen könnte, da besieht sich Marion (ihr Name ist übrigens eine Erfindung des Films) mit einem bereit gehaltenen Spiegel die Putti im Gewölbe einer venezianischen Barockkirche.

Martin Gypkens im Senator-Presseheft: „Die Themen, die Judith Hermann in ihren Geschichten verarbeitet, habe ich als konsequente Fortführung meines Erstlingsfilms ‚Wir‘ empfunden. Das, was bei ‚Wir‘ die Partys waren, sind nun bei ‚Nichts als Gespenster‘ die Reisen: eine Fluchtmöglichkeit vor sich selbst, vor unangenehmen Verpflichtungen, vor der langweiligen Realität. Nur sind die Figuren älter geworden, ruhiger; sie haben sich mit ihren Ängsten arrangiert, sie eher unter Kontrolle gebracht; aber auch ihre Träume sind bescheidener geworden, in den Hintergrund getreten. Was man zu Hause, im Freundeskreis, bei der Arbeit oder in der Beziehung nicht finden konnte, wird nun in der Ferne gesucht. Das Reisen steht für mich dabei immer für ein doppeltes Sinnbild: eines der Sehnsucht und der Sprachlosigkeit.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Drehbuch

Kamera

Kameraführung

Kamera-Assistenz

Standfotos

Schnitt

Ton-Design

Ton-Assistenz

Mischung

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Post-Production

Dreharbeiten

    • Hamburg, Leipzig, Potsdam, Venedig, Island, Arizona, Nevada, Utah
Länge:
3261 m, 116 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung: 06.06.2007, 110297, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 07.08.2007, Locarno, IFF - Piazza Grande;
Erstaufführung (DE): 28.09.2007, Hamburg, Filmfest;
Kinostart (DE): 29.11.2007;
TV-Erstsendung (DE FR): 02.07.2009, Arte

Titel

  • Originaltitel (DE) Nichts als Gespenster

Fassungen

Original

Länge:
3261 m, 116 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung: 06.06.2007, 110297, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 07.08.2007, Locarno, IFF - Piazza Grande;
Erstaufführung (DE): 28.09.2007, Hamburg, Filmfest;
Kinostart (DE): 29.11.2007;
TV-Erstsendung (DE FR): 02.07.2009, Arte

Auszeichnungen

FBW 2007
  • Prädikat: wertvoll