Als wir träumten

Deutschland Frankreich 2013-2015 Spielfilm

Inhalt

Am Stadtrand von Leipzig, kurz nach dem Ende der DDR. Rico, Dani, Paul und Mark, vor nicht allzu langer Zeit noch Pioniere mit rotem Halstuch, werden erwachsen im Wirbel des wiedervereinigten Landes. Was gestern war, gilt heute nicht mehr. Die Nacht wird zum Tag, die Straße zum Abenteuerspielplatz. Wild und ungebärdig ziehen die Jungs durch die Gegend, klauen Autos, probieren Drogen und den neuen Swingerclub. Sie gründen ihre eigene Diskothek, die bald von glatzköpfigen Neonazis belagert wird. Überall Aufbruch, überall Niedergang. Und doch so viele Träume: Ricos Hoffnung auf eine Boxkarriere und Danis Sehnsucht nach der großen Liebe – zu Sternchen, dem schönsten Mädchen, das es je in Leipzig gab ...

Was der Leipziger Autor Clemens Meyer 2006 in seinem vielfach ausgezeichneten Debütroman aufschrieb, verdichten Autor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Andreas Dresen zu einer filmischen Parabel über Freundschaft und Verrat, Zuversicht und Illusion, Brutalität und Zärtlichkeit. Sie erzählen die Geschichte einer verlorenen Jugend und präsentieren zugleich ein Spiel um Rebellion und die nicht enden wollende Utopie vom großen Glück.

Quelle: 65. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Als wir träumten“, erinnert sich Dani, der Erzähler aus dem Off, „war der Stadtrand von Leipzig die Welt. Die DDR war weg und wir waren noch da. Pitbull war noch kein Dealer. Mark war noch nicht tot. Rico war der größte Boxer und Sternchen war das schönste Mädchen, doch sie hat mich nicht so geliebt, wie ich sie. Alles kam anders. Aber es war unsere schönste Zeit.“ In einer aufgelassenen Getriebefabrik (gedreht wurde in der ehemaligen Sternburg-Brauerei in Leipzig-Lützschena) machen die 17-jährigen Dani, Mark, Rico, Pitbull und Paul den Techno-Club „Eastside“ auf.

Die Freunde kennen sich aus der Polytechnischen Oberschule (POS), waren als vom Sozialismus überzeugte Kinder auch bei den Ernst Thälmann Pionieren. Doch dann nahmen die Proteste gegen das SED-Regime zu. Der POS-Direktor Singer und der Pionierleiter schwören die Dreizehnjährigen ein letztes Mal auf ihre bald obsolet gewordene Ideologie ein. Dringen aber ausgerechnet beim Vorzeigeschüler Rico nicht mehr durch, der demonstrativ sein rotes Pionierhalstuch verbrennt und sich der von der Lehrerin geforderten Eloge auf die Sowjetarmee verweigert. Für Dani bricht die heile Welt des Arbeiter- und Bauernstaates dagegen erst nach der Wende zusammen, als seine beste Freundin Katja mit ihren Eltern in den kapitalistischen Westen zieht.

Das Quartett erprobt gewonnene Freiheiten mit Alkohol und Drogen, schlägt neuen, d.h. vor allem gebrauchten Westwagen auch ‘mal die Außenspiegel ab, wofür es dann auf der nächsten Polizeiwache (Romanautor Clemens Meyer als Polizist) Ermahnungen und Strafandrohungen hagelt, schleppt aber auch einer alten Frau die Kohlen oder stoppt einen betrunkenen Mann (Andreas Brinsa), der seine Frau (Karola Piobtke) verprügelt. Das „Eastside“ der stolzen Jungunternehmer läuft immer besser im Vergleich zu den vielen anderen Clubs und Pop-Up-Kneipen der Messestadt.

Gerade hat DJ Mark neue Scheiben aufgelegt, da stürmt eine Gruppe Neonazis um den Geschäftsmann Kehlmann den Laden: Die Amateure sind ins Revier der Profis eingebrochen und vermasseln Letzteren das Geschäft. Zwar kann Rico mit seiner (Schreckschuss-) Pistole den rechten Mob vertreiben, doch der rächt sich blutig. Zunächst an Mark und Rico, die brutal zusammengeschlagen werden. Wobei der Angsthase Dani den beiden mögliche Hilfe verweigert und es sogleich tief bereut: eine unter die Haut gehende Schlüsselszene dieser grandiosen Leinwand-Adaption des 2006 erschienenen Bestsellers „Als wir träumten“ von Clemens Meyer.

Macht kaputt, was euch kaputt macht: der alte Sponti-Spruch aus anarchischer westdeutscher Zeit lebt nicht nur unter depravierten Neonazis, die jetzt wie Ratten aus ihren Löchern kommen, nun im völlig verunsicherten Osten wieder auf: bisherige Wahrheiten und Gewissheiten gelten nicht mehr, die Erwachsenen sind genauso orientierungslos wie ihre Kinder. Bei denen sie jede Autorität verloren haben wie Danis alleinerziehende Mutter, die in einer Fischfabrik schuftet, damit ihr Sohn Abitur machen kann.

Als Dani sich auf der Flucht vor der Kehlmann-Truppe in eine Dachwohnung flüchtet, bringt er es nicht übers Herz, den Wünschen der einsamen, liebeskranken Frau, die ihn beherbergt, zu entsprechen: zu sehr ähnelt diese seiner Mutter. Er hat längst ein Auge auf „Sternchen“ Katja geworfen, die nach einem starken Arm gesucht und diesen bei Kehlmann gefunden hat. Nun aber nicht abgeneigt wäre, zu ihrem „armen kleinen Straßenköter“ zu wechseln und ihn sogar in der JVA Zeithain besucht, wo Dani eine vierwöchige Jugendstrafe absitzt. Weil er in der Hoffnung auf Alarmauslösung eine Schaufensterscheibe einwarf, als ihn der Mob doch noch erwischte.

„Das Geld stimmt und es macht Spaß“: Sein Sternchen wird Dani später als Table-Dance-Stripperin wiedersehen an der Seite Ricos, der auf der Rückfahrt aus dem Taxi heraus verhaftet wird nach einem missglückten Sparkassen-Überfall. „Wo soll’s hingehen?“ fragt dessen Fahrer den konsternierten Dani – und erhält keine Antwort…

„Als wir träumten“, am 14. Februar 2018 auf Arte erstausgestrahlt, erzählt die Geschichte der Wende aus einer zum damaligen Zeitpunkt ungewöhnlichen Jugend-Perspektive – mit rundum tollen Darstellern in authentischer Atmosphäre. Andreas Dresen im Pandora-Presseheft: „Wir haben ja bislang vor allem über die Fragen von Schuld und Verstrickung debattiert, die großen Stasi-Dramen sind gezeigt. Mit den riesigen Möglichkeiten dieser Tage, der ungeheuren Kraft von Anarchie, haben wir uns viel zu wenig beschäftigt. Mit dem Vakuum, wenn die Gesellschaft noch nach ihren Fundamenten sucht, kommt die Zeit der Abenteurer und Cowboys. Sollte mit dem Film ein Gefühl dafür entstehen, welche Möglichkeiten jenseits gesellschaftlicher Regeln schlummern, würde mich das sehr freuen. Der Film wird vielleicht aber auch an Chancen erinnern, die man persönlich verpasst hat.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Standfotos

Art Director

Szenenbild

Außenrequisite

Innenrequisite

Spezial-Maske

Schnitt

Ton-Schnitt

Ton-Design

Ton-Assistenz

Mischung

Stunt-Koordination

Musik

Darsteller

Produktionsfirma

Produzent

Produktionsleitung

Produktions-Assistenz

Produktions-Koordination

Dreharbeiten

    • 22.10.2013 - 17.12.2013: Leipzig, Halle, Dessau, Dresden
Länge:
117 min
Format:
HD, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.01.2015, 149417, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 10.02.2015, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 26.02.2015

Titel

  • Originaltitel (DE) Als wir träumten

Fassungen

Original

Länge:
117 min
Format:
HD, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.01.2015, 149417, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 10.02.2015, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 26.02.2015

Auszeichnungen

FBW 2015
  • Prädikat: besonders wertvoll