Der Unhold

Deutschland Frankreich Großbritannien Polen 1995/1996 Spielfilm

Inhalt

Seit seiner Kindheit ist der Waisenjunge Abel Tiffauges ein Außenseiter. Von seinen Schulkameraden gehänselt und von den Lehrern ungerecht bestraft, wünscht er sich, die Schule möge abbrennen – was kurz darauf auch geschieht. Fortan ist Abel überzeugt, von der magischen Kraft des Schicksals geleitet zu werden.

Als junger Mann wird der in Paris lebende Abel beschuldigt, ein Mädchen sexuell missbraucht zu haben – und wird durch den Ausbruch des 2. Weltkriegs vor dem Gefängnis gerettet. Er wird Soldat der französischen Armee, gerät in deutsche Kriegsgefangenschaft und macht durch eine Verkettung wundersamer Zufälle die Bekanntschaft von Reichsjägermeister Göring. Schließlich wird ihm, der schon immer die Nähe von Kindern suchte, die Aufgabe übertragen, auf einem alten Schloss Hunderte von Jungen in einer Art Pfadfinderlager auf den Kriegsdienst vorzubereiten. Abel, der nicht ahnt, dass "seine" Jungen als Kanonenfutter gedacht sind, wähnt sich am Ziel seiner Träume.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der in einem autoritären Pariser Klosterinternat groß gewordene Waisenjunge Abel Tiffauges muss schon früh erkennen, dass er stets als Sündenbock herhalten muss: Der einfältige, aber liebenswerte Außenseiter wird nicht nur in der Schule wiederholt für die Streiche anderer zur Rechenschaft gezogen, sondern muss sich auch Jahre später als Erwachsener unschuldig vor Gericht als vermeintlicher Kinderschänder verantworten.

Abel, der kurze Zeit in Paris als Automechaniker gearbeitet hat, bevor er in die französische Armee eintrat, ist im Herzen und wohl auch im Gemüt immer ein Kind geblieben. Gleich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lässt man ihn an der Front für sein vermeintlich pädophiles Verhalten büßen. Abel gerät rasch in Gefangenschaft, in der es ihn nach Ostpreußen verschlägt. Und aus dem Kriegsgefangenenlager gelangt er sozusagen als Faktotum auf Feldmarschall Görings Jagdschloss.

Als sich durch die vernichtende Niederlage im Kessel bei Stalingrad die Lage der Deutschen Wehrmacht grundlegend wendet, wird Abel beauftragt, durch die masurischen Wälder zu reiten, um Kinder für die „Napola“-Anstalt auf Schloss Kaltenborn zu rekrutieren, wo diese dann zu Kämpfern gedrillt werden. Etwa zweihundert „Arier“ bringt Abel so auf die paramilitärische Eliteschule, wo er sich so rührend wie naiv um seine „Schützlinge“ kümmert. Erst die Rote Armee macht seinem „Paradies“ ein Ende...

Vielleicht waren die Erwartungen an Volker Schlöndorffs aufwändiger internationaler Produktion einfach zu hoch, sodass die Enttäuschung umso größer ausfiel: „Der Unhold“ ist „nur“ eine Literaturverfilmung nach dem Roman „Der Erlkönig“ von Michel Tournier, nicht mehr. Und das trotz eines großen Staraufgebotes: Mit John Malkovich in der Titelrolle des Franzosen Abel, der aus einfachen Verhältnissen stammend in deutsche Kriegsgefangenschaft gerät und sich dem Faszinosum der NS-Ästhetik nicht entziehen kann. Mit Armin Müller-Stahl als Graf von Kaltenborn, einem erzkonservativen Nationalsozialisten, der sich aus Enttäuschung über die Nazi-Barbarei dem Widerstand anschließt.

Mit den Fassbinder-Schauspielern Gottfried John als Oberforstmeister im Ostpreußischen und Volker Spengler als operettenhafter Karikatur des „Reichsjägermeisters“ Hermann Göring, mit Marianne Sägebrecht als Frau Netta, der „Mutter“ der „Napola“-Anstalt – und mit Heino Ferch als völlig verblendetem Obersturmbannführer Raufeisen, der bis zuletzt an die gute Nazi-Sache glaubt und dafür Kinder an der Front verheizt.

Man kann Schlöndorff allen Ernstes nicht vorwerfen, mit „Der Unhold“ keinen Anti-NS-Film oder Antikriegsfilm gedreht zu haben. Denn die – sicherlich umstrittene – Romanvorlage des Franzosen Michel Tournier, 1970 immerhin mit dem französischen Literaturpreis „Prix Goncourt“ ausgezeichnet, schildert das Faszinosum der Nazi-Ästhetik mit Worten so, wie es einst Leni Riefenstahl in ihrem Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ in ihrem Medium getan hat. Mit dem bedeutsamen Unterschied, dass der Roman die Massenaufmärsche in ihrer Wirkung auf die Menschen schildert, während der Film selbst Teil der Massensuggestion der Nazi-Propagandamaschinerie war.

Was die Riefenstahl einzig entlastet ist nicht die hohe handwerkliche Qualität ihrer Arbeit, sondern allein ihre Zeitgenossenschaft. Mit all' ihren Zumutungen, die man aus der gesicherten Position des Nachgeborenen leicht herunterzuspielen vermag. Auf dieser pseudokritischen Position hätte es sich ein Filmregisseur bequem machen können, Völker Schlöndorff ist – Gott sei Dank – nicht der Typ dazu. Er legt in „Der Unhold“ das im Roman selbst so suggestiv beschriebene Phänomen der Massensuggestion offen. Und arbeitet andererseits mit (Klischee-) Bildern, die ihn zumindest in den Augen zahlreicher Kritiker seinerzeit angreifbar gemacht haben. Wenn etwa der so naive wie einfältige Abel als Kinderjäger, als besagter „Unhold“, durch die Wälder Ostpreußens reitet und im Gegenlicht der Abenddämmerung Theodor Storms Deichgraf an der Nordseeküste zum Verwechseln ähnelt.

Volker Schlöndorff hat nach dem Welterfolg „Die Blechtrommel“ keinen weiteren kritisch-analytischen Film über den Nationalsozialismus gedreht, sondern eine trotz des enormen Aufwandes relativ schlichte Adaption des Romans „Le Roi des Aulnes“, die aber in all' ihren Stärken und Schwächen exakt der Vorlage Michel Tourniers entspricht – und am 21. April 2000 in der ARD erstausgestrahlt worden ist.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Script

Drehbuch-Mitarbeit

Kamera-Assistenz

Standfotos

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Mischung

Spezialeffekte

Stunt-Koordination

Casting

Darsteller

Produzent

Executive Producer

Herstellungsleitung

Associate Producer

Aufnahmeleitung

Produktions-Assistenz

Dreharbeiten

    • 25.07.1995 - 09.12.1995: Paris, Marienburg (Polen), Norwegen
Länge:
3207 m, 117 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 07.08.1996, 75822, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 12.09.1996, Köln, Residenz

Titel

  • Originaltitel (GB) The Ogre
  • Originaltitel (FR) Le roi des aulnes
  • Arbeitstitel Der Erlkönig
  • Originaltitel (DE) Der Unhold

Fassungen

Original

Länge:
3207 m, 117 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 07.08.1996, 75822, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 12.09.1996, Köln, Residenz