DEFA-Filme auf der Berlinale

Die Berlinale ist heute das vielleicht politischste der großen Filmfestivals, was bereits in ihrer Gründung angelegt worden ist. Durch eine Initiative des Filmoffiziers Oscar Martay wurden die Filmfestspiele 1951 gegründet, in einer Zeit, die durch den Kalten Krieg geprägt war und in der Berlin, die Inselstadt, die Trennung zwischen zwei Welten und Systemen symbolisierte. So sprach der Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Ernst Reuther, in seinem Grußwort zur Eröffnung von seiner Stadt als  einer „Insel der Freiheit und Unabhängigkeit, umgeben vom System der Gewalt, der Unterdrückung und der Dienstbarkeit der Kunst zu Propagandazwecken". Daher galt die Gründung der Berlinale durchaus auch als politische Geste; ihre Finanzierung wurde in den ersten Jahren mit US-amerikanischen Darlehen sichergestellt. Es entstand eine Situation, die eine Annäherung zwischen der Berlinale und der DEFA aufgrund der politischen Differenzen und konkurrierenden Systeme für lange Zeit unmöglich machte.

Quelle: FMP, © DEFA-Stiftung
Erwin Geschonneck

Neue Ostpolitik
Erst durch die neue Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt Ende der 1960er Jahre sowie die Überführung der Berlinale in eine GmbH wurde eine Annäherung zwischen dem west- und dem ostdeutschen Film ermöglicht. Dies war als Geste gegenüber den sozialistischen Staaten zu verstehen, da diese bis dahin das Festival gemieden hatten. Es bestand die Hoffnung, fortan politische Kontroversen zu vermeiden. Trotz der Bemühungen der Festivalleitung unter Alfred Bauer wurde eine direkte Einladung der DDR erst 1970 realisiert. Erst vier Jahre später wurde diese Einladung angenommen, da die Sowjetunion in diesem Jahr ebenso im Wettbewerb der Berlinale vertreten war – einmal mehr also eine politische Entscheidung.

Der Anfang
Den Anfang der DDR-Filme auf der Berlinale machte 1975 "Jakob der Lügner" von Frank Beyer und Jurek Becker, wofür Vlastimil Brodský gleich einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller gewann. Der Film, der sich vor dem Hintergrund der Vernichtungspolitik der Nazis mit der Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit auseinandersetzt, sollte zugleich als einzige Oscar-Nominierung der DEFA in die Filmgeschichte eingehen.

Den ersten Rückschlag für den zarten Frieden gab es 1979 als alle Beiträge aus den sozialistischen Staaten – bis auf die rumänischen – zurückgezogen wurden. Grund war der US-Spielfilm "The Deer Hunter" ("Die durch die Hölle gehen"), Michael Ciminos Epos über den Vietnamkrieg, das von den "Bruderstaaten" als Beleidigung des vietnamesischen Volkes kritisiert wurde. Diese Solidarität war politisch ausschlaggebend für die Entscheidung, die Filme zurückzuziehen. Und es sollte nicht der einzige Rückschlag bleiben.

Quelle: BArch, DIF, © DEFA-Stiftung
"Solo Sunny": Renate Krößner

Viele Eklats wurden durch Filme ausgelöst, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in die geltende weltpolitische Landschaft und die Konkurrenz der Systeme passten. So wurden auch Filme wie "Insel der Schwäne" (1982/83) von Herrmann Zschoche und Frank Beyers "Der Aufenthalt" (1982/83) trotz großer Hoffnungen auf den Goldenen Bären seitens der DDR zurückgezogen. 1980 war hingegen "Solo Sunny", Konrad Wolfs inzwischen als Kultfilm verehrtes Portrait einer jungen Frau, produziert von der Arbeitsgruppe "Babelsberg", im Berlinale Wettbewerb ausgezeichnet und Renate Krößner mit dem Silbernen Bären für ihre großartige Darstellung der Titelfigur geehrt worden. Die Sängerin Sunny, die sich hier offensiv der eigenen Wirklichkeit und ihren Problemen stellt, begeisterte auf beiden Seiten der Mauer und wurde zur grenzüberschreitenden Identifikationsfigur.

Eine gewisse Normalität entwickelte sich fortan und DEFA-Filme wurden in allen Bereichen des Festivals gezeigt; vorwiegend Dokumentar- und Kinderfilme aber auch Spielfilme im Panorama und im internationalen Forum. Vor allem die künstlerisch wie handwerklich ambitionierten Kinderfilme waren in der pädagogischen Mitte weitgehend akzeptiert.

Trotz zweier konkurrierender Systeme, der Mauer und vielfältiger konkreter Differenzen haben es insgesamt rund 130 DEFA-Filme auf die Berlinale-Leinwände geschafft, von denen neben den bereits genannten auch folgende Produktionen geehrt wurden: 1988 "Einer trage des anderen Last" mit Jörg Pose und Manfred Möck, "Coming out" (1988/89), das erste Drama um Schwule in der DDR, sowie 1985 "Die Frau und der Fremde", wofür Rainer Simon die höchste Auszeichnung, den Goldenen Bären, erhielt. 2010 wurde der Drehbuchautor und Regisseur Wolfgang Kohlhaase, einer der innovativsten Köpfe der DEFA-Geschichte, mit einem Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet.