Aus einem Interview mit dem Filmarchitekten Erich Kettelhut

Gerhard Lamprecht

Erich Kettelhut: Gleich bei dem ersten Tonfilm bekamen wir von der Tontechnik ein Merkblatt, auf dem genau verzeichnet war, was wir anders bauen mussten. Die Wände sollten zum Beispiel mit einer drei bis vier cm starken Putzschicht versehen sein, jeder Hohlraum, sei es eine Treppe oder ein Praktikabel musste mit Sägespänen, Sand oder Tüchern ausgefüllt sein, sogar die Hohlräume in den Möbeln mussten gefüllt werden. Dann wurde natürlich die Dekoration nach oben hin abgedeckt. Das verteuerte und verkomplizierte die Arbeit sehr.

In Ungarn haben wir Freiaufnahmen für "Melodie des Herzens" gemacht. Wir wollten eine marschierende Kompanie aufnehmen, die zu Militärmusik ein Lied sang. Das war für uns natürlich Neuland; wir legten eine 200 Meter lange Schienenbahn auf die Straße. Eine elektrisch betriebene Zugmaschine zog mehrere Wagen; auf dem ersten Wagen stand die Kamera, auf dem zweiten Wagen war ein dick mit Tüchern verhangener Scheinwerfer und dann kam der Tonwagen, der mit noch mehr Tüchern verhangen war. Außerdem hatten wir zwei Mikrophone, die die marschierende Truppe begleitete. Wir fuhren jetzt auf dem Wagen mit der Truppe mit, und die Leute marschierten kräftig und sangen. Ganz vorne marschierte die Kapelle. Als wir dann nach vierzehn Tagen die Muster bekamen, da hörte man die Stiefel kratzen, man hörte die Pauke und ein paar Hörner, man hörte auch, dass irgendetwas gebrüllt wurde, aber das Ganze war ein Riesenkrach. Also musste die Aufnahme noch mal gemacht werden. Wir klebten jetzt den Soldaten ganz dicke Filzsohlen unter die Schuhe, und die Kompanie wurde in einem größeren Abstand zu den vorne marschierenden Musikern platziert. So bekamen wir doch ein Resultat, das für unsere damaligen Verhältnisse schon sehr anständig war.

Es gab ja noch keine Synchronisation, und alle waren der Meinung, dass man den Ton original aufnehmen musste. Dazu kamen große Veränderungen innerhalb der Ateliers. Die Scheinwerfer summten und sangen, die Kameras surrten auch. Also wurde die Kamera in einen großen Kasten gesteckt, in dem nicht nur die Kamera, sondern auch die beiden Operateure waren. Der Kasten war von einer dicken Schallschutzschicht umgeben und hatte vorne eine große Glasscheibe. Dieser ganze klobige Apparat musste nun auch noch bewegt werden. Die Scheinwerfer auf den Beleuchterbrücken wurden vorne mit Glas und hinten, oben und unten mit einer Art Schutzpolster bedeckt. Manchmal hatte der Kameramann auch noch Betten um sich herum und auf der Kamera. Diese ganzen Schwierigkeiten hörten erst auf, als wir synchronisieren konnten.

Bei unserem ersten Tonfilm haben wir im Atelier eine kleine Bordellstraße gebaut, die Willy Fritsch mit ein paar Soldaten singend entlang lief. Diese verhältnismäßig kleine, enge Strasse war also im Hall nicht tot zu kriegen. Wir haben mindestens sechs bis siebenfach Tücher um die Dekoration gehängt, alles von oben bis unten abgedeckt und trotzdem - es hallte. Wir haben sie ausgefuttert nach allen Seiten, wir haben Seitenstreifen gehängt, aber sie blieb hallig.

Wir konnten auch das Atelier nicht so voll bauen wie früher, denn wenn für ein Gesangsstück eine Kapelle gebraucht wurde, dann mussten Kapelle und Sänger gleichzeitig aufgenommen werden. Wenn der Dirigent das Einsatzzeichen gab, musste er sowohl von der Kapelle als auch von den Sängern gesehen werden - nur von der Kamera nicht. Das war ökonomisch wirklich ganz unsinnig, wir haben das Atelier manchmal nur halb ausnutzen können. Es war also ein großer Segen, als dann die Synchronisation kam.


Interview vom 18.9.1958, Archiv Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin. Abgedruckt in: Werner Sudendorf (Hrsg.): Erich Kettelhut – Der Schatten des Architekten, Berlin 2009, S. 37-38.

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