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Wer kennt nicht Brechts "Die Moritat von Mackie Messer" mit der Musik von Kurt Weill: "Und der Haifisch, der hat Zähne…". Nach der Uraufführung 1928 war der deutsche Meisterdichter ganz obenauf und beschloss, sich auf eine Verfilmung einzulassen. Später wurde sein scharfes und radikales Drehbuch abgelehnt, und Georg Wilhelm Pabst verfilmte 1931 erstmals das Meisterstück nach einem Drehbuch von Béla Balázs und anderen. Brecht wehrte sich juristisch dagegen.
Der Film schildert seine Bemühungen, zunächst dieses Projekt ohne Kompromisse zu Stande zu bringen, stets im wortgewaltigen Kampf mit denen in Hollywood. Zugleich mittendrin in der Dreigroschenoper, mit großem Aufwand und in Starbesetzung. Zwei Welten prallen aufeinander. Bertolt Brecht hockt in der Bar, die berühmte Zigarre im Mund, und erklärt allen, wie die Kunst sein muss. Er weiß, dass er ein Star ist und genießt es. Zugleich ist er seine eigene Figur, Mittelpunkt der eigenen Inszenierung. Ein opulenter Film, der versucht, auch in der eigenen Form "brechtisch" zu sein und auf keinen Fall so, wie die in Hollywood sich das von ihm gewünscht haben: sich dumm stellend gegenüber dem Gemachtsein von Kunst. Ein Film zum Eintauchen in die Welt des Bertolt Brecht.
Quelle: 14. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein
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Erstere spielt Peachums unglückliche, weil ungeliebte und auf ihr Kind eifersüchtige Gattin, Letztere die gefeierte Schauspielerin Carola Neher in der Rolle beider Tochter Polly. Das eher zurückhaltende, schüchterne junge Ding, das der erfolgreiche, aber nun etwas müde Geschäftsmann Peachum als eine letzte Stütze für sein Alter sieht, schmeißt sich ausgerechnet dem frauenverschlingenden Strolch Mackie Messer an den Hals. Da gibt es eine Menge zu tun für Peachum, um aus dem Londoner Ganoven einen erfolgreichen Banker namens Macheath zu machen: „Was ist schlimmer? Eine Bank auszurauben oder eine zu gründen?“
Eine Frage, die auch 90 Jahre nach der Premiere von Bertolt Brechts und Kurt Weills weltweitem Mega-Bühnenhit „Die Dreigroschenoper“ an Aktualität nichts verloren hat. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral? Joachim A. Lang, der auch das Drehbuch geschrieben hat auf Grundlage des Brechtschen Dreigroschenfilm-Exposés „Die Beule“, erzählt den gescheiterten Versuch des Filmproduzenten Seymour Nebenzahl, den am 31. August 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführten Bühnenhit für die Leinwand zu adaptieren. Der junge, wilde, ironische und widersprüchliche Brecht und der kunstsinnig-genialische Weill wollen einen radikal-kompromisslosen, politisch-pointierten „Dreigroschenfilm“, der vor dem Hintergrund des aufziehenden Nationalsozialismus die Gesellschaftskritik konsequenter betont als das Stück. Der Haifisch soll wieder Zähne bekommen, während es den Filmemachern der Nero Aktiengesellschaft nur um den durch keine Zensoren gefährdeten Kassenerfolg geht.
Lang lässt, und das ist nur eine Besonderheit dieses konsequent mit illusionistischen Sehgewohnheiten brechenden Films, den Dichter ausschließlich in seinen eigenen Worten sprechen. Alles, was der Ausnahmeschauspieler Lars Eidinger im Film sagt, beruht auf Zitaten aus Brechts Werk und Leben: „Wie soll Kunst die Menschen bewegen, wenn sie selber nicht von den Schicksalen der Menschen bewegt wird?“ Der Film bezieht zudem die bis dahin beispiellose, von Brecht selbst als „ein soziologisches Experiment“ bezeichnete juristische Auseinandersetzung („Dreigroschenprozess“) zwischen einem (Drehbuch-) Autor und einem Filmproduzenten in die vielschichtige Handlung ein, die mit unserer Gegenwart des 21. Jahrhunderts verschmilzt: Polly kauft das Geldinstitut und ernennt den noch hinter Gittern schmorenden Macheath zum Direktor. Aus den Gangstern werden Banker, die sich Geschäftsleute an der Spitze des Staates wünschen...
Alle Schauspieler singen selbst in der nicht einfachen Tonlage Kurt Weills: Zum hervorragenden Cast gehören noch Britta Hammelstein als Weills Gattin Lotte Lenja und Jenny, Peri Baumeister als Brechts Muse und wichtigste Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann, Christian Redl als Tiger Brown, Meike Droste als Brecht-Gattin Helene Weigel und Max Raabe als Moritatensänger. Free-TV-Premiere war am 3. Januar 2020 auf Arte.
Pitt Herrmann