Inhalt
Der Handwerker Jonathan lebt mit seiner Familie in Hamburg, wo er eine kleine Werkstatt hat, in der er Bilder herstellt. Eines Tages taucht ein Franzose bei ihm auf, der ihm ein unglaubliches Angebot unterbreitet: Für 250.000 Mark soll er nach Paris reisen, um dort einen Mafioso zu ermorden. Steckt hinter diesem Auftrag möglicherweise Jonathans neuer Bekannter, der enigmatische Tom Ripley? Immerhin ist er in Geschäfte mit gefälschten Gemälden verwickelt. Jonathan nimmt den Auftrag an, weil er mit dem Geld eine medizinische Behandlung seiner schweren Erkrankung finanzieren will. Aber mit diesem einen Auftragsmord ist die Sache noch nicht ausgestanden. Schon bald soll er einen weiteren Mann umbringen. Mit Tom Ripleys Hilfe, der auf mysteriöse Weise mit der ganzen Affäre zu tun hat, versucht Jonathan, sich aus den Fängen der Gangster zu befreien.
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Der Handwerker, eigentlich recht zufrieden in seinem bescheiden-bürgerlichen Dasein abseits vom Stress der Konsumgesellschaft und somit ein Anachronismus in der hanseatischen Pfeffersack-Gesellschaft, lässt sich von einer sehr durchsichtig-pessimistischen Diagnose in einer Pariser Spezialklinik dazu verleiten, die beiden Auftragsmorde zu begehen. Der erste Mord geht besser als gedacht über die Bühne und um das Opfer braucht sich der Täter keine Gedanken zu machen: Ein Mafiosi, den es früher oder später sowieso erwischt hätte.
Bei der Ausführung des zweiten stellt sich Zimmermann jedoch so dilettantisch an, dass ihm im Trans Europa Express zwischen München und Hamburg Tom Ripley zu Hilfe kommen muss, der „amerikanische Freund“, der aus unerfindlichen Gründen ständig mit dem Cowboyhut auf der Stirn zwischen Hamburg und New York pendelt, auf dubiose Gestalten wie den alten Amerikaner mit schwarzer Augenklappe, Derwatt, trifft und nicht näher ausgeführte Beziehungen zum französischen Mafiosi Minot unterhält. Zum Schluss begeht Zimmermann, von unsichtbaren Mächten verfolgt, in höchster Bedrängnis sehr effektvoll Selbstmord...
Der spannende Thriller von Patricia Highsmith („Regel ohne Ausnahme“ lautet der deutsche Titel) ist auch eine leise-ironische Krimi-Persiflage und stellt nicht die Aufklärung eines Verbrechens in den Mittelpunkt, sondern einen Menschen, der bis zum Äußersten getrieben wird, weil ihm – scheinbar – der Tod im Nacken sitzt. Die Verfilmung hat mich nicht wirklich überzeugt: Sie lebt weniger von der bei Wim Wenders recht konfusen Handlung als vom im wahren Wortsinn fliegenden Wechsel der Schauplätze zwischen Paris, New York, München und Hamburg, von Robby Müllers furiosen Kameraschwenks, Peter Przygoddas atemberaubenden Schnitten und Jürgen Kniepers suggestiver Musik-Collage.
Die Kritiker der Festivals in Cannes und New York sowie in Deutschland waren begeistert. Von einer Verbeugung vor Neu-Hollywood war die Rede, von einer „hinreißenden Farbdramaturgie“, von einer Künstlichkeit in Figurenkonstellation und Montage, die des Altmeisters Alfred Hitchcock ebenbürtig sei. Was ich nun wirklich nicht nachvollziehen kann. „Der amerikanische Freund“ – die politische Ballade einer Männerfreundschaft? Ein pessimistischer Kommentar zur nachrevolutionären Bewusstseinskrise der späten 1970er Jahre? Ein urbaner Alptraum in Hamburgparisnewyork, der den Menschen krank macht und zum Mörder werden lässt? Die Geschichte vom Identitätsverlust des Protagonisten Jonathan Zimmermann, nachdem dieser unversehens aus der bürgerlichen Gesellschaft herausgerissen wird?
Die unterschiedlichen Interpretationsansätze sind Legion – und sie haben mich sämtlich nicht überzeugt. Immerhin atmet der Film auch durch die hochkarätige Besetzung bis in kleinste Nebenrollen (Sam Fuller als US-Mafiosi, Peter Lilienthal als Gangster Marcangelo, Jean Eustache als dessen Chauffeur und Daniel Schmid als Igraham) internationales Flair und hat Wim Wenders, der selbst immer wieder kurz über die Leinwand geistert, den Weg in die „Vereinigten Staaten“ geebnet.
Pitt Herrmann