Die "deutsch-türkischen" Filme: Ein Kessel Buntes

Immer wieder wird an den neuen "deutsch-türkischen" Filmen gelobt, dass sie sozusagen aus einer Innenperspektive heraus ein differenziertes Bild der Lebensrealität junger Türken in Deutschland zeichnen. Das trifft zwar auf manchen Film zu, doch gleichzeitig werden damit die großen Unterschiede dieser Filmproduktionen verschwiegen. Während ein Film wie "Winterblume" in anklagender Form eine Migrationsgeschichte erzählt, zelebriert "Kurz und schmerzlos" die multikulturelle Solidarität; und in "Der schöne Tag" wiederum spielt die Herkunft der Hauptfigur, Deniz, gar keine Rolle – bezeichnenderweise ist dieser Film der letzte Teil einer Trilogie über deutsch-türkische Jugendliche in Berlin.

 
Quelle: Ottfilm, Dif
Manfred Zapatka, Daniel Brühl in "Elefantenherz" (2002)
 

Manche Filme haben auch nur einen marginalen ("Elefantenherz", "En Garde") oder gar überhaupt keinen Bezug zu Migration ("Mach die Musik leiser", "Gott ist tot" oder "Lautlos"). Manche haben andererseits keinen Bezug zu den türkischen Migranten ("Schwarze Polizisten" oder "Solino") – oder keinen ausschließlichen wie "Wie Zucker im Tee". Sehr unterschiedliche dokumentarische Produktionen wie "Deutsche Polizisten", "Mein Vater, der Gastarbeiter" oder "Wir haben vergessen zurückzukehren" stehen leichten, poetischen Spielfilmen wie "Sommer in Mezra" oder auch sozialkritischen Dramen gegenüber, die von psychischem Druck und sozialer Gewalt handeln ("Aprilkinder", "Kleine Freiheit").Einige Filme ("Töchter zweier Welten", "Geschwister – Kardeşler", "Gegen die Wand") weisen einen differenzierten Umgang mit Eigen- und Fremdbildern auf – mit Protagonisten, die weit mehr als nur Mitglieder einer ethnischen Gruppe sind. An manchen anderen Filme wiederum haften noch heute viele Stereotypien: sozialkritische Klischees z.B. in "Anam" und "Solino" oder fragwürdige Versuche, eine Art ghetto pride zu inszenieren wie in "Kanak Attack" oder "Alltag". Nur selten funktioniert bisher die humoristische Dekonstruktion von Stereotypien wie in "Ich Chef, Du Turnschuh" oder "Getürkt".

Quelle: zero film, Dif
Plakat zu "Der schöne Tag" (2001)
 

Die Unterschiede beschränken sich aber keineswegs auf Themen und Sujets, sondern auch auf die Inszenierung selbst: Während z.B. in Fatih Akins Filmen Hamburg-Altona mit viel Lokalpatriotismus zum "coolen Kiez" inszeniert wird, haben die Berliner Straßen noch nie so international gewirkt wie in Thomas Arslans Filmen. Auch in ihrer Eigenpositionierung unterscheiden sich beide Regisseure (um nur bei diesem Beispiel zu bleiben) erheblich. Einerseits sagte Fatih Akin im Februar 2004 in der Süddeutschen Zeitung: "Ich will ein kommerzieller Filmemacher sein“ – und macht Filme, die sich auf das amerikanische Genrekino beziehen und eine große emotionale Wucht entfalten können. Hingegen produziert Thomas Arslan, der zur sog. "Berliner Schule" gezählt wird, formal strenge, komplexe Filme, deren Vorbilder im europäischen Autoren-Film zu verorten sind und die sich klar gegen den Mainstream positionieren. Die "deutsch-türkischen" Filmschaffenden haben eine große Fülle von Möglichkeiten vor sich: Schon zwischen Akin und Arslan liegen (filmische) Welten, die sich weder mit dem Adjektiv "türkisch" noch mit "deutsch" beschreiben lassen.