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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Christoph Schlingensief

Weitere Namen
Thekla von Mülheim (Weiterer Name)
Christoph Maria Schlingensief (Weiterer Name)
Date of Birth
10/24/1960 - 12:00
Geburtsort
Oberhausen
Sterbedatum
08/21/2010 - 12:00
Sterbeort
Berlin
Biografie

Christoph Schlingensief wurde am 24. Oktober 1960 in Oberhausen als Sohn eines Apothekers und einer Kinderkrankenschwester geboren und wuchs, wie er selbst gerne betont, in kleinbürgerlich-katholischem Milieu auf. Der langjährige Ministrant zeichnet sich, allen wiederholt gegen ihn erhobenen Zynismus-Vorwürfen zum Trotz, durch große moralische Ernsthaftigkeit aus – und fand zugleich nach eigenem Bekunden immer schon Spaß daran, wenn die ihn umgebenden Ordnungssysteme durch alltägliche Katastrophen außer Kontrolle gerieten.

Die Geburtsstadt gab seiner filmischen Biographie einen nicht unwesentlichen Impuls: Als Junge besuchte er die politisch und ästhetisch umkämpften Oberhausener Kurzfilmtage, zum ersten Mal im Jahr 1968 – und drehte prompt seinen ersten eigenen Kurzfilm auf Normal-8. Ein Jahr später begann er mit Super-8 zu arbeiten und gründete 1972 das "Jugendfilmteam Oberhausen", das er zeitweise auch "Club der Sieben" oder "Amateur-Film-Company 2000" nannte (die in seinen späteren Projekttiteln beliebte Zahl 2000 tauchte also schon frühzeitig auf). Er produzierte mehrere Schmalfilme mit Spielhandlung, aber auch dokumentarische Versuche für den Schulunterricht. Einer seiner Filme wurde aus dem Fonds der Kurzfilmtage gefördert ("Das Geheimnis des Grafen Kaunitz"), zwei andere sogar vom WDR ausgestrahlt ("Das Totenhaus der Lady Florence" und "Mensch, Mami, wir dreh"n "nen Film").

Nach dem Abitur bewarb er sich an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, scheiterte jedoch zwei Mal. Stattdessen studierte er ab 1981 an der Münchner Universität vorübergehend Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte, arbeitete als Kameraassistent bei Franz Seitz und drehte nebenher eigene Kurzfilme. Auch als Autor und Musiker erprobte er sich, beim Magazin "Mode und Verzweiflung" und bei der Band "Vier Kaiserlein". Zurück in Oberhausen lernte er 1982 den Regisseur Werner Nekes kennen und begann an dessen Filmen mitzuarbeiten - gemeinsam mit einem weiteren Bekannten aus der Nachbarstadt Mülheim: Helge Schneider. Mit Nekes lehrte Schlingensief 1983-1985 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, ab 1986 an der Kunstakademie Düsseldorf.

Schlingensiefs erster eigener Langfilm "Tunguska – Die Kisten sind da" entstand 1983 als Abschluss der "Trilogie zur Filmkritik – Film als Neurose". 1985/1986 folgten "Menu Total" und "Egomania – Insel ohne Hoffnung", an dem mit Udo Kier und Tilda Swinton zwei Schauspielikonen des Undergroundkinos mitwirkten. Zwischenzeitlich hielt Schlingensief sich als Aufnahmeleiter der TV-Serie "Lindenstrasse" über Wasser (1986/1987). Elemente von Soap-Dramaturgie finden sich in seinem nächsten, narrativer angelegten Film "Mutters Maske" (1987/1988), der im Ruhr-Industriellenadel spielt.

Anschließend drehte er zum ersten Mal nach einer fremden Vorlage: "Schafe in Wales" entstand im Auftrag der ZDF-Redaktion "Das kleine Fernsehspiel", mit der es jedoch zu Querelen kam – Schlingensief brach den Schnitt ab und zog vor der Ausstrahlung seinen Namen zurück. Mit der "Deutschlandtrilogie", bestehend aus "100 Jahre Adolf Hitler" (1988/1989), "Das deutsche Kettensägenmassaker" (1990) und "Terror 2000" (1992), folgten seine drei bekanntesten und kontroversesten Filme. Zum Stammpersonal gehörten neben Kier vor allem Alfred Edel, Peter Kern und Dietrich Kuhlbrodt.

Mit "100 Jahre CDU – Spiel ohne Grenzen" debütierte Schlingensief 1993 an der Berliner Volksbühne, die ihn nach weiteren Produktionen ("Kühnen "94 – Bring mir den Kopf von Adolf Hitler" und "Rocky Dutschke "68") 1996 als Hausregisseur verpflichtete. Er verlagerte den Schwerpunkt seiner Arbeit nun auf das Theater bzw. auf Live-Aktionen, die immer häufiger auch außerhalb von Bühnenräumen stattfanden – wie 1997 "Passion Impossible – 7 Tage Notruf für Deutschland", ein Projekt für Drogenabhängige und Obdachlose am Hamburger Hauptbahnhof. Zwei Filme entstanden noch in den Folgejahren: "Die Spalte" (1994/1995, auch unter dem Titel "United Trash" geläufig) und "Die 120 Tage von Bottrop – Der letzte Neue Deutsche Film" (1996/1997), in dem die letzten Überlebenden der Fassbinder-Clique in Berlin ein Pasolini-Remake drehen wollen, dabei jedoch von einem Ersatzregisseur namens "Sönke Buckmann" sabotiert werden.

In seinen Projekten arbeitete Schlingensief immer wieder direkt mit Außenseitern und Ausgegrenzten zusammen, setzte sich unermüdlich mit dem Faschismus auseinander und reagierte oft unmittelbar auf aktuelle politische Ereignisse. Auf der Documenta X in Kassel 1997 wurde er während der Aktion "Mein Fett, mein Filz, mein Hase – 48 Stunden Überleben für Deutschland" verhaftet, da er ein Schild mit der Aufschrift "Tötet Helmut Kohl" verwendete. Im Wahljahr 1998 gründete er eine Partei, die "Chance 2000", die sich offiziell am Bundestagswahlkampf beteiligte. Alle Arbeitslosen rief er dazu auf, zusammen an den Wolfgangsee zu reisen und durch gemeinsames Planschen Kohls Urlaubsidyll unter Wasser zu setzen.

Ab 1998 trat Schlingensief auch mit eigenen Formaten im Fernsehen auf, zunächst mit "Talk 2000", später mit "U 3000" für MTV und "Freakstars 3000" für VIVA, einer auf "Deutschland sucht den Superstar" anspielenden Casting-Show mit Behinderten. Auch seine Theater- und aktionskünstlerische Arbeit setzte er fort: 2000 in Wien mit der "Big Brother"-Persiflage "Bitte liebt Österreich", wobei der nach Publikumswillen letzte im Wohncontainer verbliebene Asylbewerber vermeintlich eine Aufenthaltsgenehmigung gewinnen konnte, 2001 in Zürich mit einer Inszenierung von "Hamlet", an der ausstiegswillige Neo-Nazis mitwirkten (das Projekt ist in "Hamlet – This Is Your family" von Peter Kern filmisch dokumentiert). Seine Regiekarriere fand, was die Aufnahme in die offizielle Hochkultur betrifft, einen erstaunlichen Höhepunkt: 2004/2005 wurde der bekennende Wagner-Fan eingeladen, in Bayreuth den "Parsifal" zu inszenieren.

In den kommenden Jahren folgten vor allem Kunst-Aktionen (unter anderem beim Reykjakvik Arts Festival 2005), Opernprojekte (unter anderem an der Deutschen Oper Berlin 2008) sowie Theaterinszenierungen, etwa am Wiener Burgtheater (2006), der Berliner Volksbühne (2006) und dem Gorki Studio Berlin (2008).

Anfang 2008 wurde bei Christoph Schlingensief Lungenkrebs diagnostiziert.

Im Januar 2009 startete "Christoph Schlingensief – Die Piloten" in den Kinos, der die Aufzeichnungen zu einer fiktiven Talkshow Schlingensiefs aus dem Jahr 2007 dokumentiert. Im selben Jahr wurde der Regisseur Jurymitglied der Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Am 21. August 2010 erlag Christoph Schlingensief im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden.

 

Filmography
2022-2024
Nonkonform
  • Mitwirkung
2023
Axiom
  • Darsteller
2018-2020
Schlingensief - In das Schweigen hineinschreien
  • Mitwirkung
2016/2017
Chance 2000 - Abschied von Deutschland
  • Mitwirkung
  • Kamera
2009-2012
Knistern der Zeit - Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso
  • Mitwirkung
2011/2012
Say goodbye to the Story (ATT 1/11)
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
2008/2009
In Berlin
  • Mitwirkung
2009
Der Deutschlandkomplex
  • Kamera
2007/2008
Christoph Schlingensief - Die Piloten
  • Mitwirkung
  • Co-Regie
2005-2008
The African Twintowers
  • Mitwirkung
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
2005
Monte Klamotte - Eine Expedition zum Berliner Schuldenberg
  • Co-Regie
2005
Kippenberger - Der Film
  • Mitwirkung
2004
Farbtest.3
  • Mitwirkung
2004
Silentium
  • Darsteller
2003
Hamlet X
  • Darsteller
2002/2003
Freakstars 3000
  • Mitwirkung
  • Drehbuch
  • Idee
2001
Hamlet - This Is Your Family
  • Mitwirkung
1999/2000
Kanzler - König der Kannibalen
  • Regie
1999
Digitale Autonomie
  • Mitwirkung
1996/1997
Die 120 Tage von Bottrop
  • Darsteller
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
1997
Silvester Countdown
  • Darsteller
1997
Che: Tod der Utopie?
  • Mitwirkung
1994/1995
United Trash
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Produzent
1994/1995
Schmetterling im Dunkeln
  • Mitwirkung
1994/1995
Schlafes Bruder
  • Darsteller
1994
Let's Talk About Sex
  • Darsteller
1993/1994
Abschied von Agnes
  • Darsteller
1994
00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter
  • Co-Regie
  • Kamera
1993
Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem
  • Regie
  • 2. Kamera
1993
Domenica. Alle kommen, keiner war da
  • Darsteller
1992
Terror 2000 - Intensivstation Deutschland
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1992
Tod eines Weltstars. Portrait Udo Kier
  • Mitwirkung
  • Regie
  • Drehbuch
1992
ZAK
  • Regie
1992/1993
ZAK: Die Außerirdischen. - Teddy Parker. - Atze Hotzler: Pornofilm im Ruhrgebiet. - Stasi-Hund Bello. - Kurzfilmtage Oberhausen
  • Regie
1991
Gossenkind
  • Darsteller
1990
Das deutsche Kettensägenmassaker
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt-Assistenz
  • Produzent
1988/1989
100 Jahre Adolf Hitler. Die letzte Stunde im Führerbunker
  • Regie
  • Drehbuch
  • Vorlage
  • Licht
  • Schnitt
  • Produzent
1987/1988
Sukkubus
  • Regie-Assistenz
1987/1988
Mutters Maske
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1988
Schafe in Wales
  • Regie
1987
Wild auf Kino. Eine Reise durch den allerjüngsten deutschen Film
  • Darsteller
1987
Der Werwolf von W.
  • Regie-Assistenz
1986
Die Schlacht der Idioten
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1986
Egomania - Insel ohne Hoffnung
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Musik
  • Produzent
1985/1986
Menu Total
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera
  • Produzent
1986
Johnny Flash
  • Darsteller
  • Kamera-Assistenz
  • Aufnahmeleitung
1985/1986
Der Telefonvoyeur
  • Darsteller
1985
Folkwang '85 - Festival der Künste
  • Ton
1985
Bye, Bye
  • Darsteller
  • Regie
1985
My Wife in 5
  • Darsteller
  • Regie
1985
Was geschah wirklich zwischen den Bildern?
  • Kamera
1984
Das deutsche Wohnzimmer
  • Ton
1984
Der Kontrabaß im Leichenwagen
  • Darsteller
1983/1984
Tunguska - die Kisten sind da
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kamera-Assistenz
  • Musik-Ausführung
  • Produzent
1984
Ringsherum
  • Darsteller
1984
Bemerkungen l.
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Produzent
1983
Der Hut. Im Lichte neuester Forschung
  • Darsteller
  • Sonstiges
1983
Phantasus muß anders werden
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1983
Der andere Hund
  • Ton
1983
What Happened to Magdalena Jung? Die Macht der Unschuld
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1981/1982
Doktor Faustus
  • Kamera-Assistenz
1982
Nekes
  • Ton
1982
Für Elise
  • Darsteller
  • Regie
  • Produzent
1982
Abfall - ein kostbarer Rohstoff
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Musik
1982
Wie würden Sie entscheiden?
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1981
Strommberg - Die letzte Nacht
  • Kamera-Assistenz
1981
Eggtime
  • Darsteller
  • Regie-Assistenz
  • Script
1978-1980
Punkt
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Produzent
1977
Mensch, Mami, wir dreh'n 'nen Film
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1976/1977
Das Geheimnis des Grafen von Kraunitz
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1975
Columbo
  • Darsteller
  • Regie
  • Produzent
1974/1975
Das Totenhaus der Lady Florence
  • Darsteller
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1973
Rex, der unbekannte Mörder von London
  • Darsteller
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1972
Wer tötet, kommt ins Kittchen
  • Darsteller
  • Regie
  • Kamera
  • Schnitt
  • Produzent
1970
Erdkundefilm
  • Darsteller
  • Regie
  • Schnitt
  • Produzent
1969
Die Schulklasse
  • Regie
  • Schnitt
  • Produzent
1968
Mein 1. Film
  • Darsteller
  • Regie
  • Kamera
  • Produzent
1968
Der Fahnenschwenkerfilm
  • Regie
  • Kamera
  • Produzent
URL: https://www.filmportal.de/person/christoph-schlingensief_c69b7c9c21014e6fa87d16b89a22e56b