Panorama-Programm zu zwei Dritteln fertiggestellt

Mit bisher 30 gemeldeten Filmen, davon 24 Spielfilmen und sechs Panorama Dokumenten, sind zwei Drittel des Panorama-Programms der Berlinale 2016 veröffentlicht.

Weitere 17 Titel werden im Jubiläumsprogramm Teddy30 (siehe Nachricht vom 17.12.2015), gezeigt. In den kommenden Tagen wird das Programm geschlossen.

Panorama Special eröffnet am Freitag, den 12. Februar, im Zoo Palast mit "El rey del once" ("The Tenth Man") von Daniel Burman und dem bereits gemeldeten "War on Everyone" von John Michael McDonagh.

Dass eine neue Generation in Argentinien im Aufbruch ist, wurde erstmals 1998 durch Daniel Burmans Debüt spürbar: Mit "Un crisantemo estalla en cinco esquinas" eröffnete das Panorama damals sein Hauptprogramm. Nach weiteren Werken im Panorama und Wettbewerb (2004 zwei Silberne Bären für "El abrazo partido") kehrt Burman zurück mit einer sensiblen Erzählung voller vitaler Kraft und liebevoller Beschreibung des vielschichtigen Lebens im jüdischen Stadtviertel Once von Buenos Aires.

Ein weiterer argentinischer Panorama-Beitrag ist "La helada negra" ("The Black Frost") von Maximiliano Schonfeld. In seinem zweiten Film taucht er mit elegischen Bildern in eine zeitentrückte Welt ab, wo die Nachgenerationen europäischer Einwanderer Landwirtschaft und Gebräuche pflegen und eine mysteriöse Fremde auftaucht, die zur Hoffnungsträgerin wird.

The Sensitive Male – weitere Filme

"Indignation", das Regiedebüt von James Schamus, einem der wichtigsten unabhängigen Produzenten der USA und Jurypräsidenten der Berlinale 2014, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Philip Roth. Schon in seinen Produktionen zeigte Schamus einen besonderen Sinn für sogenannte Außenseiter, die versuchen, sich gesellschaftlichen Strukturen zu widersetzen. Hier werden die College-Gespräche mit dem Dekan zu Rededuellen, in denen ein junger Mann (Logan Lerman) seine moralischen und politischen Ideale selbstbewusst vertritt, zu einer Zeit, in der der Koreakrieg das noch junge, stolze Selbstbewusstsein der Amerikaner ins Wanken bringt.

Wie geeignet Initiationsrituale sind, um junge Männer zu brechen, zeigt "Goat" von Andrew Neel, der in seinem Film nach dem Drehbuch von David Gordon Green die Traumata der Collegezeit schonungslos schildert. Der Film spielt heute und ergibt mit Schamus' "Indignation" ein Dekaden umspannendes Bild der systematisch erzeugten Entmenschlichung, wie sie im amerikanischen Bildungssystem zum Erhalt einer weißen Herrenkultur vorgesehen ist. Produzenten sind Christine Vachon und James Franco.

"Little Men" von Ira Sachs macht eine der ersten großen Endlichkeitserfahrungen im Leben spürbar: das Ende einer Kinderfreundschaft - die sich doch nie um Zeit und Raum hat sorgen müssen. Im Brooklyn von heute führen die Gesetze der Gentrifizierung zur Trennung nicht nur von Klassen, sondern torpedieren auch die Bindungsfähigkeiten junger Menschen. Ira Sachs präsentiert nach seinen Panorama-Erfolgen "Keep The Lights On" (Teddy Award 2012) und "Love Is Strange" (2014) sein neuestes Werk "Little Men" als Cross-Section mit der Berlinale-Sektion Generation.

Nach dem großen Erfolg seines Debütfilms "Harmony Lessons" im Berlinale Wettbewerb 2013 beschreibt Emir Baigazin in "Ranenyy Angel" ("The Wounded Angel") die Seelenzustände von Teenagern in Kasachstan, die in einer Zeit existentieller Umbrüche erwachsen werden. Der zweite Teil einer bildgewaltigen Trilogie über junge Menschen und deren komplexe Beziehungen mit einer Welt ohne moralische Konstanten.

Altmeister Wayne Wang, zuletzt 1995 mit "Smoke" und "Blue in the Face" doppelt im Wettbewerb vertreten, inszeniert mit leichter, eleganter Hand die Ferienzeit eines Schriftstellers in Japan, dessen Fähigkeiten mit den traumwandlerischen Musenküssen einer gefährlichen Dame steigen und fallen. Takeshi Kitano spielt (unter seinem Künstlernamen Beat Takeshi) in "While the Women Are Sleeping" nach der Erzählung von Javier Marias.

"Lantouri" ist der Name einer Gang, die in Teheran Menschen auf offener Straße ausraubt und im reichen Norden der Stadt Einbrüche verübt. Schon in "I‘m Not Angry" (Panorama 2014) bestimmte das wütende Lebensgefühl dieser Generation den Rhythmus der Montage, wurde ihre Unruhe und Lebensgier von der Kamera aufgenommen. Auch in seinem neuen Spielfilm reflektiert Reza Dormishian soziale und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aus radikaler Perspektive.

Zwei deutsche Spielfilme sind bislang bestätigt

Doris Dörrie, die zu "Grüße aus Fukushima" ("Fukushima, mon Amour") auch das Drehbuch schrieb, kehrt nach "Kirschblüten – Hanami" (Wettbewerb 2008) erneut nach Japan zurück. Eine junge Deutsche auf der Flucht vor eigenen Problemen schließt in der Sperrzone von Fukushima Freundschaft mit einer alten Geisha. In diesem universellen Drama müssen beide Frauen lernen, sich aus dem Gefängnis ihrer Erinnerungen zu befreien.

In "Jonathan", dem Debüt von Piotr J. Lewandowski, lasten die Pflichten schwer auf den Schultern des jungen Bauern. Er kümmert sich neben dem Hof auch gewissenhaft um den schwerkranken Vater. Für Liebe bleibt da nicht viel Raum. Wenn dann plötzlich dessen Jugendfreund auftaucht, werden lange verdrängte und unterdrückte Familiengeheimnisse enthüllt, die Jonathans Weltsicht öffnen.

Der Mann in der Krise in Österreich und der Schweiz

In "Aloys" vom Schweizer Regisseur Tobias Nölle spielt Georg Friedrich einen Sohn nicht weit vom Stamm gefallen: Aufgebahrt liegt die Leiche des Vaters, einsam wird es in der strikt für zwei ausgelegten Detektei von Vater und Sohn. Routinemäßige Überwachungen werden plötzlich zu Fallen und aus dem Sarg werden SMS-Texte gesendet - die Sicherheitszone gerät für Aloys ins Wanken...

Aus Österreich schließlich kommt eine hochsensible Studie über Männer ohne Frauen, die folglich die Gefühlshaushalte selbst im Griff haben müssen: In "Kater" ("Tomcat") von Klaus Händl taumelt Stefan von Krise zu Krise, während sich Andreas zusehends an seiner Entfremdung abarbeitet. Das scheint er auch zu schaffen, denn die beiden verbindet eine Liebe, die das aushält - kann das sein? Es wäre nur ein reaktionäres Klischee, wenn es nicht ginge...

Panorama Dokumente

Mantas Kvedaravicius wusste bereits im Panorama 2011 zu beeindrucken mit dem Essay über den Tschetschenien-Konflikt Russlands, "Barzakh". So auch in "Mariupolis": Im in der Ukraine östlich der Krim gelegenen Ort Mariupol, einst von Griechen bevölkert, ist der Alltag von Bombendrohungen bestimmt - eine bildgewaltige Hommage an die Stadt in der Krise, den Dichtern und Schuhmachern von Mariupol gewidmet.

"Mapplethorpe: Look at the Pictures"– Die Annäherung an den Fotografen, der in den New Yorker 1970ern und 1980ern gleichzeitig Chronist und Promoter, Provokateur, Wahrsager und Unterhalter eines kreativen Höhepunkts war, gelingt den Regisseuren Fenton Bailey und Randy Barbato aufs Eindrücklichste. Mapplethorpe starb 1989 an den Folgen von Aids. Die Filmemacher zeigten "Inside Deep Throat" und "Party Monster" im Panorama.

"Uncle Howard" von Aaron Brookner - Aaron Brookners Wunsch, das filmische Erbe seines im Alter von 34 Jahren verstorbenen Onkels Howard zu bewahren, führt zur Entdeckung eines überwältigenden Archivs, das die kulturelle Revolution der 1970er und der 1980er Jahre dokumentiert. Es gibt ein Wiedersehen mit einem Who-is-Who vergangener Panorama-Programme, mit Andrew Horn, Jakob Burckhardt, John Waters, Madonna sowie Spike Lee, Jim Jarmusch, Sara Driver, Tom DiCillo, Brad Gooch und Frederic Mitterand.

"Der Ost-Komplex" ("The GDR Complex") von Jochen Hick zeigt ein Portrait des ehemaligen DDR-Bürgers und Zeitzeugen Mario Röllig, der 1987 in Ungarn wegen versuchter Republikflucht inhaftiert wurde und heute Vorträge über seine Hafterfahrungen hält. Bei den Konfrontationen mit Sympathisanten der ehemaligen DDR, die Röllig einseitige Geschichtsverfälschung vorwerfen, wird am deutlichsten klar, dass der Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte der DDR höchst subjektiv und mit Tabus besetzt ist - und mit individuellen Traumata belastet.

Special Teddy Award im Jubiläumsjahr für Produzentin Christine Vachon

Mit ihrer Firma Killer Films produziert Christine Vachon seit über 20 Jahren Filme, ohne die das queere, aber auch das US-Independent-Kino schwerlich denkbar wären - allein ein Dutzend davon finden sich in den Berlinale-Programmen wieder. Anfang der 1980er Jahre lernt sie als Studentin der Brown University Todd Haynes kennen, sein Debüt "Poison" (Teddy-Gewinner 1991) ist auch ihr erster produzierter Langfilm. Seitdem sind beide ein stetes Team. Vachon produzierte die Academy Award-prämierten Filme "Boys Don’t Cry" (Beste Hauptdarstellerin: Hilary Swank 2000) und "Still Alice" (Beste Hauptdarstellerin: Julianne Moore 2015) und im letzten Jahr, wieder für Todd Haynes, "Carol" mit Cate Blanchett und Rooney Mara. Christine Vachon wird bei der diesjährigen Teddy-Verleihung mit dem Special Teddy ausgezeichnet. Sie ist Gast des Queer Academy Summit und im Rahmen von Teddy30 präsentiert sie die Killer Films-Produktion "Hedwig and the Angry Inch" von John Cameron Mitchell, der 2001 den Teddy Award erhielt.

Panorama 2016

"Aloys" – Schweiz / Frankreich
Von Tobias Nölle
Mit Georg Friedrich, Tilde von Overbeck
Weltpremiere

"El rey del once" ("The Tenth Man") - Argentinien
Von Daniel Burman
Mit Alan Sabbagh, Julieta Zylberberg, Usher Barilka, Elvira Onetto
Weltpremiere

"Goat" - USA
Von Andrew Neel
Mit Ben Schnetzer, Nick Jonas, James Franco
Internationale Premiere

"Grüße aus Fukushima" ("Fukushima, mon Amour") - Deutschland
Von Doris Dörrie
Mit Rosalie Thomass, Kaori Momoi
Weltpremiere

"Indignation" - USA
Von James Schamus
Mit Logan Lerman, Sarah Gadon
Internationale Premiere - Debütfilm

"Jonathan" - Deutschland
Von Piotr J. Lewandowski
Mit Jannis Niewöhner, André Hennicke, Julia Koschitz, Thomas Sarbacher, Barbara Auer
Weltpremiere – Debütfilm

"Kater" ("Tomcat") - Österreich
Von Klaus Händl
Mit Lukas Turtur, Philipp Hochmair
Weltpremiere

"La helada negra" ("The Black Frost") - Argentinien
Von Maximiliano Schonfeld
Mit Ailín Salas, Lucas Schell, Benigno Lell
Weltpremiere

"Lantouri" - Iran
Von Reza Dormishian
Mit Navid Mohammadzadeh, Maryam Palizban, Baran Kosari
Internationale Premiere

"Little Men" – USA
Cross-Section Generation
Von Ira Sachs
Mit Jennifer Ehle, Greg Kinnear, Alfred Molina
Internationale Premiere

"Ranenyy Angel" ("The Wounded Angel") – Kasachstan / Frankreich / Deutschland
Von Emir Baigazin
Mit Nurlybek Saktaganov, Madiar Aripbai, Madiar Nazarov, Omar Adilov
Weltpremiere

"While the Women Are Sleeping" - Japan
Von Wayne Wang
Mit Hidetoshi Nishijima, Shioli Kutsuna, Sayuri Oyamada, Lily Franky, Beat Takeshi
Weltpremiere

Panorama Dokumente

"Der Ost-Komplex" ("The GDR Complex") - Deutschland
Von Jochen Hick
Weltpremiere

"Mapplethorpe: Look at the Pictures" – USA / Deutschland
Von Fenton Bailey, Randy Barbato
Mit Edward Mapplethorpe, Debbie Harry, Patti Smith, Gloria von Thurn und Taxis
Internationale Premiere

"Mariupolis" – Litauen / Deutschland / Frankreich / Ukraine
Von Mantas Kvedaravicius
Weltpremiere

"Uncle Howard" – Großbritannien / USA
Von Aaron Brookner
Mit Jim Jarmusch, Sara Driver, Tom DiCillo, Brad Gooch, Frederic Mitterand
Europapremiere

Quelle: www.berlinale.de