Die verlorene Ehre der Katharina Blum

BR Deutschland 1975 Spielfilm

Inhalt

Nach einer ausgelassenen Karnevalsfeier verbringt die junge, attraktive und alleinstehende Haushälterin Katharina Blum die Nacht mit einer Zufallsbekanntschaft. Am nächsten Morgen stürmt ein SEK der Polizei ihre Wohnung, auf der Suche nach dem Mann, der als mutmaßlicher Terrorist gesucht wird – doch der Gesuchte ist bereits verschwunden. Durch diesen Vorfall gerät Katharina Blum ins Visier von Polizei und Medien. Der ermittelnde Kommissar nimmt sie in die Mangel, sie verliert ihre Arbeit, wird von Nachbarn angefeindet, und der zynische Reporter eines großen deutschen Boulevardblattes zieht ihr gesamtes Leben in den Schmutz. Als der psychische und menschliche Druck aus Vorurteilen, Verunglimpfungen und offenem Hass immer unerträglicher wird, greift Katharina zur Waffe, um den letzten Rest ihrer Ehre zu retten.

 

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Falk Schwarz
"Die Schweine von der Zeitung"
Empörung empfindet Katharina Blum (Angela Winkler) über die Art, wie die Polizei mit ihr umgeht. Empörung schiesst in ihr hoch über die Journalisten, die ihr auf den Fersen sind, einen Fall wittern, Fakten verdrehen, mit der Polizei kooperieren, Geschichten erfinden und Rufmord begehen. „Die Schweine von der Zeitung“, sagt Katharina. Sie hat sich in einen Mann verliebt, der ein Bankräuber ist. Sie - integer, unschuldig, ermöglicht ihm die Flucht. Als Katharina verhaftet wird, wittert der Journalist Tötges (brillant gespielt von Dieter Laser) eine Story und macht vor nichts halt. Selbst nicht vor der todkranken Mutter von Katharina. Verächtlich sagt sie: „Diese Leute sind Mörder und Rufmörder - alle. Es ist ja geradezu ihr Beruf, unschuldige Menschen um ihre Ehre zu bringen, manchmal um ihr Leben. Es kauft ihnen ja niemand ihre Artikel ab…“ Es war die Zeit der RAF (deren Fahne unter dem Vorspann erscheint), es war die Zeit der Morde, die Deutschland aufwühlten. Als immer mehr Menschen starben, verliess die Polizei Ruhe und Überlegung. Sie schlug drauf. Diese brutale Art des Staates und die gleichzeitig widerliche Kampagne der Springer-Zeitungen wollte Heinrich Böll in eine Geschichte fassen. Dabei drehte er den Spieß um: Katharina Blum (bezieht sich der Name auf den Film „Affäre Blum“, wo ja auch ein Unschuldiger zum Täter gemacht werden soll?) ist ohne Schuld, böse ist der Staat. Ein Film, der wütet, auf Differenzierungen verzichtet und von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta als Pamphlet inszeniert wurde. Der Pazifist Böll plädiert für Mord? Denn zum Schluss erschießt Katharina diesen Journalisten, der seinem zynischen Tun noch die Krone aufsetzt, als er sie zum Interview trifft und sagt: „Jetzt bumsen wir erstmal.“ Da zieht Katharina die Waffe. - Der Film erscheint heute noch wie aus einem Guss und wirft ein Schlaglicht auf ein völlig verwirrtes und verunsichertes Deutschland. Nichts Abwägendes, Vorsichtiges, sondern direkte Attacke. Das Bittere daran ist, dass solche Hetzjagden auch heute wieder möglich scheinen.
Heinz17herne
Heinz17herne
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ sorgte Mitte der 1970er Jahre im durch die Baader-Meinhof-Hysterie aufgeheizten Klima Westdeutschlands bereits als Roman, der als erstes belletristisches Werk im „Spiegel“ als Vorabdruck erschien und über Monate an der Spitze der Bestsellerliste stand, für Furore. Volker Schlöndorffs Film gilt seither als einer der wichtigsten Beiträge des „Neuen Deutschen Films“. Der Regisseur im CIC-Presseheft: „Katharina erfährt die Welt als lauter große, nicht greifbare Dinge: die Justiz, die Polizei, die Medien, die öffentliche Meinung. In ihrer Verzweiflung entschließt sie sich zu handeln, weil sie sich resignieren will. Sie sagt: Jeder einzelne muss verantwortlich sein für das, was er tut. Das ist so radikal, dass es moritatenhaft wirkt – das geschändete Dienstmädchen greift zum Küchenmesser. Aber wir sind keine Staatsanwälte oder Richter. Wir zeigen im Film nur, wie sich das entwickelt.“

Schlöndorffs Adaption steht auf eigenen Beinen und kann, obwohl der Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll eng am Drehbuch mitgewirkt hat, auch gänzlich losgelöst vom Roman bestehen. Während Böll ganz im Bann aktueller „Terroristeneinsätze“ einen mahnenden Appell an alle Demokraten richtete, nicht die Maßstäbe zu verlieren, nach denen der Schutz der Einzelpersönlichkeit dem Interesse des Staates untergeordnet ist, wirkt der Film eher verallgemeinernd, abwägend, sachlich-distanziert beobachtend. Und kann daher von den nachfolgenden Generationen, die mit den Vorgängen der „Siebziger“ kaum noch vertraut sind, viel unbefangener aufgenommen werden.

Dass dennoch der Film gegenüber dem Roman nichts an Brisanz, an Appellcharakter verloren hat, liegt vor allem an der Titeldarstellerin Angela Winkler. Wenn ihr Blick den des Zuschauers streift, fühlt dieser sich unmittelbar betroffen – als Bürger dieses Staates, als Schutzbefohlener dieser Polizei, als Leser dieser Zeitung. Es ist das Verdienst Volker Schlöndorffs, dass der Film weit weniger polarisiert als der Roman. So spielt Mario Adorf den Polizeikommissar mehr als kleines Rädchen im Getriebe des Staatsapparates, auch dann noch, als dieser Beizmenne geheime Informationen an den Boulevardjournalisten weitergibt. Und der Reporter selbst ist im Film, anders als in Bölls Vorlage, nicht nur ein buchstäblich über Leichen gehender Täter, sondern auch ein Opfer seines Jobs, der gnadenlosen Hetzjagd um sensationelle, verkaufsfördernde Stories – und eine letztlich bemitleidenswerte Schmierentheaterfigur im gelben Protz-Porsche.

So hat Volker Schlöndorff Akzente gesetzt, die seinen Film in erster Linie zu einer persönlichen Tragödie der Katharina Blum macht: Einerseits wird die wohl härteste Szene des Buches, in der der Reporter praktisch für den Tod von Katharinas Mutter verantwortlich gemacht wird, deutlich abgeschwächt. Andererseits ist Ludwig Götten kein kleiner Gauner wie im Roman, sondern tatsächlich ein hinterhältiger Terrorist – und Mörder. Schließlich ist Katharina Blums blutige Rache am Reporter nicht wie bei Böll allein Ausdruck und Ergebnis gesellschaftlicher Missstände, die einer rücksichtslosen Boulevardpresse Praktiken durchgehen lässt, welche quasi automatisch in psychischen Terror münden. Hier klagen vor allem ihre Augen an...

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Script

Drehbuch-Mitarbeit

Kamera-Assistenz

Standfotos

Schnitt

Ton-Assistenz

Mischung

Musikalische Leitung

Darsteller

Redaktion

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 04.02.1975 - 21.03.1975: Köln und Umgebung, Hochgurgl im Ötztal
Länge:
2894 m, 106 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 27.08.1975, 47624, ab 16 Jahre / feiertagsfrei;
FSK-Prüfung (DE): 25.03.2019, 47624-a, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (ES): 17.09.1975, San Sebastian, IFF;
Kinostart (DE): 09.10.1975, Berlin, Palette;
TV-Erstsendung (DE): 28.05.1978, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Fassungen

Original

Länge:
2894 m, 106 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 27.08.1975, 47624, ab 16 Jahre / feiertagsfrei;
FSK-Prüfung (DE): 25.03.2019, 47624-a, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (ES): 17.09.1975, San Sebastian, IFF;
Kinostart (DE): 09.10.1975, Berlin, Palette;
TV-Erstsendung (DE): 28.05.1978, ARD

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 1976
  • Filmband in Gold, Darstellerin
  • Filmband in Gold, Kamera
IFF San Sebastian 1975
  • Preis des spanischen Filmkritikerverbandes
  • OCIC-Preis
FBW 1975
  • Prädikat: Besonders wertvoll
1975
  • Deutscher Kritikerpreis