Inhalt
Ein neues Haus, eine neue Stadt, es könnte ein glücklicher Moment sein im Leben einer Kleinfamilie. Die Ärztin Nina hat ein paar Tage Urlaub genommen. Hausmann Frieder legt Fliesen. Tochter Charlotte spielt in ihrem neuen Kinderzimmer. Doch Nina zweifelt, steht entfremdet in den halbleeren Räumen und lässt ihre Familie ohne Nachricht zurück.
Sie besucht ihren Bruder im Ferienhaus der Eltern, streift ziellos durch eine surreale Mittelgebirgslandschaft und landet bei einem alternden Tennis- Star in einem Sporthotel, einem Beton-Ufo aus einer anderen Zeit. Ninas Ausbruchsversuch gipfelt nicht in existenzialistischer Revolte, sondern in der flüchtigen Begegnung zweier Menschen, die sich nicht mehr heimisch fühlen in ihrer Welt. Wie eine Schlafwandlerin kehrt sie Schritt für Schritt zu ihrer Familie zurück. Am Montag kommen die Fenster tatsächlich. Aber die falschen. Das ist keine Tragödie. Nichts ist eine Tragödie im Leben von Nina und Frieder, nicht mal Frieders hilflose Flucht ins Bett einer Exfreundin. Die Tragödie ist, dass Nina dies durchschaut, aber so wenig daraus ausbrechen kann wie ein Fisch aus dem Trockenen.
Quelle: 56. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Um ihren jüngeren Bruder Christoph zu besuchen, der mit seiner Freundin Nathalie im abgeschiedenen Ferienhaus der Eltern Urlaub macht. Und um mit dem Auto ziellos durch eine neblig-dunkle, geradezu surreal anmutende Mittelgebirgslandschaft zu fahren. Wo Nina bei einer Fahrradtour durch den Harz mitten im Wald in einem Sporthotel landet. Sie durchstreift in der Nacht diese mit einer roten (Gedenk-) Schleife umgebene Beton-Bonbonniere, die aussieht wie ein Ufo aus einer anderen Zeit, und trifft unvermittelt auf David Ionescu (ein geborener Schauspieler: der 1970er- und 1980er Jahre-Star Illie Nastase), einen inzwischen gealterten ehemaligen Tennisprofi, mit dem sie eine nur flüchtige Beziehung eingeht.
Ninas Ausbruchversuch gipfelt nicht in existentialistischer Revolte, sondern in der flüchtigen Begegnung zweier Menschen, die sich nicht mehr heimisch fühlen in ihrer Welt. Wie eine Schlafwandlerin kehrt sie Schritt für Schritt zu ihrer Familie zurück. Am Montag kommen die Fenster tatsächlich. Aber die falschen. Das ist keine Tragödie. Nichts ist eine Tragödie im Leben von Nina und Frieder, nicht ’mal Frieders hilflose Flucht ins Bett seiner Ex-Freundin Maria, der Kindergärtnerin seiner Tochter Charlotte. Die Tragödie ist, dass Nina dies durchschaut und dennoch keinen Weg findet, ihr Leben zu ändern...
„Letztlich interessiert mich die Frage, was passiert, wenn gesellschaftlicher Konsens, wenn selbstverständlich geglaubte Handlungsnormen aufgekündigt werden. Das ist die Versuchsanordnung“, so der Regisseur im Presseheft. Auch Ulrich Köhlers nach „Bungalow“ (2002) zweiter Leinwandstreifen handelt von kleinen Fluchten in der hessischen Provinz. Die Protagonisten sind älter geworden, aber die Probleme haben sich nicht wesentlich verändert. Aus Paul, dem 19-jährigen Rekruten, der von der Bundeswehr desertiert und wieder im Elternhaus Unterschlupf sucht, um sich dort letztlich dem Alltag überhaupt zu verweigern, ist die nur nach Jahren reifere Nina geworden, die vor dem Familienalltag davonläuft – ohne ein genaues Ziel vor Augen zu haben.
Köhler, Jahrgang 1969 und damit in etwa so jung wie seine Hauptdarsteller, ist der Frage nachgegangen, ob Menschen wirklich unter „abstrakten“ Problemen leiden wie Romanfiguren, die er etwa bei der Lektüre von Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“, Bachmanns „Malina“ oder Lowrys „Unter dem Vulkan“ fand. Der gebürtige Marburger im Presseheft: „Mit 18 hatte ich zuviel Existentialisten gelesen und meinem postpubertären Leiden eine metaphysische Dimension gegeben. Später habe ich das als selbstverliebt-romantisches Pathos abgetan und war überzeugt, alles habe eine psychologische Erklärung. Ich dachte, dass der meiste Weltschmerz durch die richtige Freundin oder den richtigen Freund zu beheben sei. Aber das ist auch zu einfach.“
Pitt Herrmann