Inhalt
Ruth ist die Ehefrau von Erich Halbfass, einem gut betuchten Miederwarenfabrikant. Das Geschäft blüht, Erich planscht im hauseigenen Swimmingpool und Tochter Aglaia geht brav zur Schule. Die gelangweilte Bürgersgattin beginnt eine heimliche Affäre mit Aglaias Zeichenlehrer Franz Vogelsang und setzt damit Mord und Totschlag in Gang: Franz schickt Erich ein Killerkommando auf den Hals, der wird aber letztlich von Franzens verzweifelter Ehefrau Doris niedergeschossen. Er überlebt den Anschlag, während Doris sich im Gefängnis erhängt. In Kritiken wurde Schlöndorff nachgesagt, mit diesem bourgeoisen Melodram in die Fußstapfen des Nouvelle-Vague-Regisseurs Claude Chabrol zu treten.
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Franz Vogelsang, ein junger Beamter mit Flausen im Kopf, ist ganz vernarrt in den Ibsen-Text, aus dem er nicht nur an diesem idyllischen Ort der Stille und des Friedens Ruth vorliest, der verwöhnten Gattin des überaus erfolgreichen Miederwarenfabrikanten und lebenslustigen Opernfans Erich Halbfass. Franz, der Zeichenlehrer ihrer frechen, direkten und sympathischen Tochter Aglaia, welche längst um das Verhältnis weiß, liest im vollen Bewusstsein, dass sie beide von dem im Stück apostrophierten Idealzustand noch weit entfernt sind. Petting interrupted: Nach einem Blick auf seine Armbanduhr eilt das Paar in ihrem eleganten roten Mercedes-Coupe zurück in die Zivilisation. Während sie in die Firma nach Hanau rauscht, besteigt er die Tram nach Edingen.
Es sind vor allem soziale Unterschiede, die Klaus Müller-Laue einfängt: Den tristen Bildern aus der menschenleeren Straßenbahn folgen schwelgerische Ansichten einer prächtigen Fabrikantenvilla mit Pool. Aus dem gerade ein bestens aufgelegter Hausherr steigt, während es aus der Stereoanlage tönt: „Es wird im Leben mehr genommen als gegeben...“ Richard Tauber und Joseph Schmidt sind hier im Goldenen Käfig vor den Toren der Finanzmetropole Frankfurt am Main so etwas wie die Hausheiligen. Was Aglaia, die ständig mit ihrer Super-8-Kamera herumläuft, und ihre langhaarigen Freunde in Parka-Jacken so überholt und lächerlich finden: „Die letzten Dinosaurier, einfach anachronistisch.“ Ein Sommerurlaub mit den Eltern im faschistischen Spanien geht inzwischen gar nicht mehr.
Frankfurt. Friseur Francesco, bei dem auch Franz Vogelsangs seltsam verhuschte Gattin Doris verkehrt, erzählt Frau Direktorin Halbfass von den jüngsten Gewalttaten auf der Kinoleinwand und resümiert ganz auf der Höhe der Zeit: „Die Verhältnisse sind immer Schuld.“ Was Ruth auf ganz andere Gedanken bringt, die, gleich in der nächsten Einstellung zu sehen, Francesco und Franz Vogelsang in den Laden eines Antiquars und Waffenhändlers führen: Sie erwerben, für ein Kunst-Happening, ein funktionstüchtiges Gewehr.
Das dann auch tatsächlich in Funktion gesetzt wird – von Ruth persönlich, die auf der Vernissage einer von Franz kuratierten Ausstellung ins Schwarze trifft, was in diesem Fall ein mit roter Farbe gefüllter Luftballon ist, der seinen Inhalt auf eine Leinwand entlädt. Action Painting hat man das wohl seinerzeit genannt. Am Rande dieser Eröffnungsparty setzt Bankdirektor Spengler den Fabrikanten ganz diskret darüber in Kenntnis, dass er dessen Gattin 100.000 Mark geliehen hat für ein Boutiquen-Galerie-Projekt unter der Leitung des Gymnasiallehrers Franz Vogelsang. Was beide nicht ahnen: Von der Summe ist ein Teil abgezwackt worden für ein heimliches Liebesnest für Ruth und Franz...
„Doris existiert nicht“ behauptet der so großzügig Beschenkte, dem die „Zweitwohnung“ freilich überhaupt nicht passt: Ruth denkt gar nicht an Scheidung – und er will sich nicht auf Dauer von ihr aushalten lassen. Weshalb er nach dem grandios gescheiterten, da dilettantisch vorbereiteten Versuch eines Auftragsmordes über einen beruflichen Neuanfang in Kassel nachdenkt, während Gattin Doris vom gehörnten Unternehmer über die Affäre ihres Mannes unterrichtet wird mit dem Ziel, alles für einen einvernehmlichen Schlussstrich zu unternehmen. Der sich nun als so simpel abzeichnet und dann ganz anders ausfällt als gedacht...
Volker Schlöndorffs in der Nouvelle-Vague-Tradition eines Claude Chabrol stehende „kritische Gesellschaftskomödie“, so der Verleih Cinema International Corporation, bezieht sich auf den konkreten Fall der unter Mordanklage vor Gericht stehenden Düsseldorfer Industriellengattin Minouche Schubert aus dem Jahr 1971 und ist doch voller Ungereimtheiten, und die beginnen bereits beim Titel, der den zunächst vorgesehenen „Bis daß der Tod Euch scheidet“ ablöste: Es geht gar nicht so sehr um die Moral der Unternehmersgattin, schließlich hält sich auch der Fabrikant mit dem Unterwäschemodel Helga (Alexandra Bogojević) eine Geliebte. Es geht Schlöndorff um gesellschaftliche Klassenunterschiede, wobei sich mir nicht erschließt, worin diese bestehen sollen zwischen einem Fabrikanten und einem Gymnasiallehrer.
Dass ersterer sich ein luxuriöses Leben leisten kann, während letzterer mit der Tram zur Arbeit fährt, wäre vielleicht ein Mordmotiv aus Neid – aber nicht für diesen Täter bzw. diese Täterin. Wie überhaupt die ganze Mordkomplott-Geschichte um den halbgaren Friseur, der offenbar bereit ist, alles zu tun, um seinen Porsche finanzieren zu können, voller unfreiwilliger Komik steckt und noch dazu jede Spannung vermissen lässt. Nur die Moral, mit der sich nach neunzig Minuten der Kreis schließt, stimmt: „Es wird im Leben mehr genommen als gegeben.“ Erich Halbfass finanziert, warum auch immer, das Appartement weiter und fährt mit Ehefrau Ruth in den Sommerurlaub nach Spanien als sei nichts geschehen...
„Auch Unterhaltung kann anspruchsvoll sein, ohne langweilig zu werden. Die vielberufene Auseinandersetzung mit der Gesellschaft kann auch in den Unterhaltungsgenres stattfinden“ postulierte Volker Schlöndorff zum Kinostart am 14. April 1972. Ursprünglich nur für die dann zwei Jahre später am 4. Juni 1974 in der ARD erfolgte TV-Ausstrahlung produziert, kaufte der US-Verleih CIC die Rechte am Film, indem er dem Hessischen Rundfunk einen Großteil der Produktionskosten erstattete. Ein bis dahin einmaliger Fall von Fernseh-Kino-Kooperation.
Pitt Herrmann