"Die neue Zeit" – die Ufa im NS-Staat

Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 war das Ende der deutschen Republik, bedeutete für die Ufa und die deutsche Filmwirtschaft jedoch keine radikale Wende. Abgesehen von einigen Außenseiter-Produktionen kann man der gesamten deutschen Filmindustrie progressive, republikanische Tendenzen kaum nachsagen. Andererseits: Nationalistisch ist nicht nationalsozialistisch. Der Ufa-Aufsichtsratsvorsitzende Alfred Hugenberg gehörte als Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei der ersten Regierung Hitler als Wirtschaftsminister an, trat aber bereits nach wenigen Monaten zurück, als er erkannte, dass er politisch machtlos war. Er legte keine antisemitische Haltung an den Tag, doch mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten verstärkte sich deren publizistischer und administrativer Druck. Und noch im Frühling 1933 wurden alle jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ufa entlassen. Zugleich gehörte die Ufa zu jenen Medien der Weimarer Republik, die durch ihre republikfeindliche Grundhaltung Teile des ideologischen Bodens für den Führerstaat vorbereitet hatten. Als wohl berühmtestes Beispiel kann die von Otto Gebühr verkörperte Idealgestalt des "Alten Fritz" in "Das Flötenkonzert von Sanssouci" von 1930 gelten, dem einzigen Fridericus-Film mit Otto Gebühr, den die Ufa selbst produziert hatte. Dieser Film geriet im Dezember 1930 mitten zwischen die Fronten des politischen Kampfes. Nachdem Nazis die Aufführung der amerikanischen Remarque-Verfilmung "Im Westen nichts Neues" gestört hatte, woraufhin der Film von der Oberprüfstelle verboten worden war, rächten sich Linke am "Flötenkonzert von Sanssouci" stellvertretend für die schon länger in den Kinos präsente rechts-patriotische Filmwelle. Die Schlachten fanden nun auch im Kinosaal statt.

 
Quelle: DIF
Ludwig Klitzsch, Adolf Hitler und Joseph Goebbels (1.-3.v.l.) beim Besuch der Dreharbeiten zu "Amphitryon" (1935)

Bewusst zum Symbol genommen für die "neue Zeit", wie sich das NS-Regime gern selbst bezeichnete, wurde der Titel des patriotischen U-Boot-Films "Morgenrot", von Gustav Ucicky für die Ufa inszeniert. Am 2. April 1933 besuchte der neue Reichskanzler Adolf Hitler demonstrativ mit Minister Hugenberg und anderen Kabinettsmitgliedern die Berliner Erstaufführung im Ufa-Palast am Zoo. Der Film vom ritterlichen Kampf und heldischen Sterben deutscher U-Boot-Männer im Ersten Weltkrieg spiegelte deutlich die zwiespältige Haltung der Ufa. Sätze wie "Wir Deutschen wissen vielleicht nicht, wie zu leben, aber zu sterben, das wissen wir", stehen neben Szenen, die mit pazifistischem Unterton den Sinn des Heldentods anzweifeln und an die Opfer der anderen Seite gemahnen. Nicht zufällig wurden diese Szenen dann auch bei der Wiederaufführung 1939 herausgeschnitten. Gleichwohl entstanden neben diesen filmischen Vorboten und Stützen des NS-Staats auch herausragende Unterhaltungsfilme, die – zumindest für eine gewisse Zeit – auch ein anderes Gesicht der Ufa präsentierten. Der als "Halbjude" eingestufte Reinhold Schünzel durfte dank einer Sondererlaubnis mit spritzigen Komödien wie "Viktor und Viktoria" (1933) und "Amphitryon" (1935) für internationales Renommee sorgen. Auch der Nachwuchsregisseur Detlef Sierck erregte internationale Aufmerksamkeit und unternahm 1937 mit den Zarah Leander-Filmen "Zu neuen Ufern" und "La Habanera" erste gelungene Versuche mit dem Kinogenre des Melodrams, in dem er in den 1950er Jahren unter dem Namen Douglas Sirk brillieren sollte. Er wurde zum Regisseur zahlreicher Meisterwerke – nicht in Deutschland jedoch, sondern in Hollywood, wohin er, wie auch Schünzel, 1937/38 vertrieben worden war.