Alice in den Städten

BR Deutschland 1973/1974 Spielfilm

Inhalt

Nachdem der Journalist Philip eine Reportagereise durch das ländliche Amerika vorzeitig abgebrochen hat, lernt er am New Yorker Kennedy-Airport eine junge Deutsche und deren achtjährige Tochter Alice kennen. Er verbringt die Nacht mit der Mutter und findet am nächsten Morgen einen Zettel vor, auf dem die Frau ihn bittet, ihre Tochter mit nach Amsterdam zu nehmen – sie selbst käme in wenigen Tagen nach. Nachdem Philip und Alice in Amsterdam vergeblich auf Alices Mutter gewartet haben, machen sie sich gemeinsam auf die Suche nach der Großmutter des Mädchens, die in Deutschland lebt, von der es jedoch keine Anschrift gibt; einziger Hinweis ist ein Foto ihres Wohnhauses. Auf einer abenteuerlichen Irrfahrt durch das Ruhrgebiet entwickelt sich zwischen Philip und Alice ohne viele Worte, nur durch Gesten und Blicke, eine stille Zuneigung.

 

 

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Falk Schwarz
Hauptsache: unterwegs
Aus für das Erzählkino! Her mit dem Erzählkino! Die Filmemacher der siebziger Jahre in Deutschland hatten vom glatt polierten Kommerzfilm die Nase voll. Auf zu neuen Ufern. Also keine lineare Story mehr, sondern eher Situatives. Wie im Road Movie. Wir fahren. Wohin ist nicht so wichtig. Wir fahren mit einer wackligen Handkamera durch Amerika, von einer deprimierenden Straße zur nächsten, steigen ab in billigen Motels, bis schließlich Philip (Rüdiger Vogler) ins Bild kommt. Er sitzt unter einem Holzsteg am Meer und schießt motivlose Bilder mit seiner Polaroid. Dann fährt er wieder. Bewußtsein erweitern. Was macht es mit ihm, mit mir? Schließlich kommt Philip in diesem "Landstraßen Film" an den Flugplatz, da trifft er eine Mutter mit einem neunjährigen Kind. Die Erwachsenen sind irgendwie voneinander angezogen, aber auch nicht richtig. Sie übernachten - aber auch nicht so ganz. Dann verschwindet die Mutter. Der junge Road-Movier ist nun mit dem Kind alleine. Sie fliegen nach Amsterdam. Mama will ja nachkommen. Aber Mama kommt nicht. Das Geld ist auch alle. Dann fahren sie ins Ruhrgebiet und suchen Omas Haus, kennen aber weder Namen noch Adresse. Wir denken: wie schön ist doch das Ruhrgebiet! Isses aber nicht. Irgendwann finden sie Omas Haus, Oma aber wohnt da nicht mehr. Macht auch nichts. - Die kleine Alice (Yella Rottländer) hat schon eine sehr weibliche Ausstrahlung und mit den Augen von heute gesehen, stellt sich ständig die Befürchtung ein: hoffentlich macht dieser wilde Kerl nicht etwas mit dem Kind. Macht er nicht. Die Beiden gewöhnen sich aneinander und langsam kommt auch der Holzklotz von Mann wieder zu sich und kriegt einen anderen Blick auf sein Leben. Wie man zusammen finden kann, ohne es zu wollen. Gezwungen durch die Kälte einer Mutter, die ihr Kind einfach einem Fremden übergibt. Wim Wenders hat bekannt, dass er bei diesem Film zu seinem eigenen Stil gefunden habe. Darf man einen älteren Filmemacher aus demselben Jahrhundert zitieren? „Ich habe zehn Gebote. Die ersten neun lauten: Du sollst nicht langweilen.“ (Billy Wilder)
Heinz17herne
Heinz17herne
Philipp Winter bereist im Auftrag eines Münchner Verlages, was sich freilich erst wesentlich später herausstellt, die USA, um ein Porträt über die „Staaten“ zu schreiben. Doch er bringt nichts zu Papier außer einem veritablen Stapel Polaroid-Fotos. Auf dem US-Highway on tour. Tankstellen und Motels, Fast Food-Bars und austauschbare öde Stadtlandschaften, sämtlich Edward Hopper-Motive. Ohne Anteilnahme fährt Winter immer weiter ins Land hinein, bis er aus Geldmangel seinen Schlitten verkaufen und mit der Bahn nach New York zurückkehren muss.

Der desillusionierte, nach seinem Besuch bei der Agentur des Münchner Verlages resignierte Journalist lernt beim Kauf eines Flugtickets nach Deutschland Lisa van Damme und ihre Tochter Alice kennen. Beide wollen auch zurück nach Europa, aber ein Fluglotsenstreik verhindert die Direktverbindung, sodass sie über Amsterdam buchen und eine zusätzliche Nacht im Hotel verbringen müssen. Philipp und Lisa kommen sich – als Leidensgenossen – rasch näher: Seine New Yorker Freundin hat ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt und Lisa verlässt die Stadt aus Ärger über ihren Freund.

Abbild und Wirklichkeit: Bei einem mitternächtlichen Gespräch im Hotelzimmer kommt heraus, warum Philipp immer nur Polaroids geschossen hat. Er will sich selbst beweisen, dass er noch lebt. Am anderen Morgen ist ein Treffen auf dem Empire State Building vereinbart, aber Winter und Alice warten vergeblich auf Lisa. Die ist Hals über Kopf zu ihrem Freund zurückgekehrt und hat eine Nachricht hinterlassen, in der sie Philipp bittet, ihre Tochter mit nach Amsterdam zu nehmen. Sie selber wolle nachkommen.

Doch die beiden warten vergeblich auf Lisa und beschließen, sich auf die Suche nach Alices Großmutter zu begeben, die in Deutschland lebt. Es gibt nur einen Haken: Alice kennt weder den richtigen Namen noch die Anschrift ihrer „Oma“. Einziger Hinweis ist eine Fotografie des großmütterlichen Hauses, das Alice in Wuppertal vermutet. Auf ihrer Irrfahrt durch das Ruhrgebiet und das Bergische Land, im Flugzeug, im Mietwagen, im Zug und in der Schwebebahn, entwickelt sich zwischen dem lebensmüden Journalisten und dem beinahe nervtötend-lebenslustigen neunjährigen Mädchen ohne große Worte eine stille Zuneigung...

„Alice in den Städten“ ist ein fast schon klassisches Roadmovie, das mit tollen Landschaftstableaus aufwartet, die Robby Müller zur Musik u.a. der Gruppen Can, Canned Heat und Deep Purple in poetischen und dabei ganz unspektakulären Schwarzweißbildern auf Zelluloid gebannt hat. Aus heutiger Sicht ist „Alice in den Städten“ auch ein Zeitdokument über die Stimmung der frühen 1970er Jahre: People in motion, scheinbar ziellos, man trifft sich so zufällig wie man sich wieder trennt. Und das Ende bleibt naturgemäß offen.

Die WDR-Auftragsproduktion, gedreht u.a. in Wuppertal, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen und Oberhausen, ist für den 1945 in Düsseldorf geborenen Regisseur auch eine Art filmische Erkundung der zunächst höchst ungeliebten neuen „Heimat“, nachdem die Familie 1960 ins Ruhrgebiet gezogen ist, da sein Vater, ein Chirurg, als Chefarzt an eine Oberhausener Klinik berufen wurde. „Alice in den Städten“ ist der erste Teil einer Road-Movie-Trilogie, die 1975 mit „Falsche Bewegung“ fortgesetzt und 1976 mit „Im Lauf der Zeit“ vollendet wurde.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Drehbuch-Mitarbeit

Kamera

Kamera-Assistenz

Schnitt

Schnitt-Assistenz

Mischung

Darsteller

Dreharbeiten

    • August 1973 - September 1973: South Carolina, Virginia, New York, Amsterdam, Wuppertal, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Ober
Länge:
3060 m, 112 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.04.1974, 46502 [FSK-Prüfung. 35mm-Version]

Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 03.03.1974, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Alice in den Städten

Fassungen

Original

Länge:
3060 m, 112 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.04.1974, 46502 [FSK-Prüfung. 35mm-Version]

Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 03.03.1974, ARD

Prüffassung

Länge:
1224 m, 112 min
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.04.1974, 46502 [FSK-Prüfung. 16mm-Version]