Große Ulrich-Schamoni-Retrospektive im Zeughauskino

Am 9. November vor 80 Jahren wurde Ulrich Schamoni geboren. Aus diesem Anlass zeigt das Berliner Zeughauskino vom 8. November bis 15. Dezember 2019 unter dem Titel "Biotop der Frechheit" die bisher umfassendste Werkschau des Berliner Filmemachers, der vor seiner Regiekarriere auch als Schriftsteller von sich reden machte und danach als Medienunternehmer.

 

"Clown" soll er einmal als Berufswunsch angegeben haben. Oder wenigstens Schauspieler. Dies erklärt nicht nur, weshalb der Regisseur und Drehbuchautor Ulrich Schamoni in seinen Filmen gern selbst vor die Kamera trat, sondern auch, wie er diese Film machte und wie sie aussehen: Arbeiten voller Spielfreude und Experimentierlust, voller Schalk und Ironie, fröhlich Realität und Fiktion vermischend und zugleich von Anfang an die souveräne Beherrschung der filmhandwerklichen Mittel demonstrierend. Ein "Biotop der Frechheit", wie der Nachruf des ganz anders disponierten Kollegen Volker Schlöndorff auf ihn überschrieben war (Süddeutsche
Zeitung, 11. März 1998).

Auch Ulrich Schamoni zählte zu den Pionieren des "Jungen Deutschen Films“. Sein Erstling "Es" wurde 1966 zum ersten Kassenerfolg des rebellischen Regienachwuchses. Reihenweise sammelte Ulrich Schamoni damals auch Bundesfilmpreise ein. Von manchen Kollegen wie Kritikern wurden ihm diese Leistungen bald verübelt, zumal auch seine Brüder Peter und Thomas mit ihren Filmen Erfolge feierten. Entnervt zog sich Ulrich Schamoni schon nach anderthalb Jahrzehnten von der Arbeit fürs Kino zurück und war zunächst fürs Fernsehen tätig. Stets an technischen Innovationen und den Möglichkeiten, die sie eröffnen, interessiert, verlegte sich der Wahl-West-Berliner in den Achtzigerjahren auf die damals neuen Medien: Unter anderem sehr erfolgreich mit dem Radiosender Hundert,6 (dessen konservative politische Ausrichtung ihm neue Feinde einbrachte), dann rasch ausgebootet beim Fernsehsender IA.

Ulrich Schamoni – der in seiner Geburtsstadt Berlin nicht aufgewachsen war, aber hier die meiste Zeit seines Lebens verbrachte – gehört zu jenen deutschen Filmschöpfern, denen die Branche das Filmemachen verleidete und deren Arbeiten dann von Filmhistorikern recht konsequent kleingeredet oder ganz ignoriert wurden. Bezeichnenderweise traf dies auch in seinem Fall einen unkonventionell denkenden und handelnden Künstler, der den in den Sechzigerjahren groß verkündeten Anspruch, nicht nur anderes Kino, sondern auch anders Kino zu machen, ernstnahm, der etwa einen Spielfilm erst während des Drehs entwickelte oder den Begriff des
"Homemovies" sehr konsequent interpretierte.

Ulrich Schamonis Filme sind wiederzuentdecken als einfallsreiche, überraschende, unterhaltsame, gekonnt und leichthändig gemachte, noch immer sehr vitale Vertreter eines jungen deutschen Kinos, das ohne fröhliche Querköpfe wie Ulrich Schamoni bald wieder weitgehend in Schematismus und Langeweile erstarrte.

Die Retrospektive, die Ulrich Schamonis Schaffen so umfangreich präsentiert wie nie zuvor, bietet alle sieben abendfüllenden Spielfilme, darunter Klassiker wie "Es", selten gezeigte Arbeiten wie "Wir – zwei" und "Eins" oder die Premiere der digitalisierten und restaurierten Fassung des fröhlichen Berlin-Films "Quartett im Bett". Ferner alle sechs Kurzfilme, an denen Ulrich Schamoni beteiligt war, die Dokumentationen "Der Vikar von Helmeringhausen" und "Ullis Allerlei", den ebenfalls nur sehr selten zu sehenden Fernsehfilm "Ein Duft von Blumen", in dem Schamoni mitspielte, sowie den Dokumentarfilm "Abschied von den Fröschen", der auf dem Videotagebuch basiert, das er in den letzten Monaten vor seinem Leukämietod am 9. März 1998 führte.

Zu den Vorführungen wird es Gespräche geben mit Karl Dall (angefragt), Erika und
Ulrich Gregor, Grete Jentzen, Ulrike Schamoni, Pit Schröder und Regina Ziegler. Einführungen halten werden Jan Gympel, Knut Hickethier, Wolfgang Jacobsen, Volker Jakob und Claudia Lenssen.

Außerdem wird am 14. Dezember der Ulrich-Schamoni-Fan Thomas Quasthoff aus dem Roman "Dein Sohn läßt grüßen lesen", den Schamoni mit neunzehn Jahren schrieb und der nach seinem Erscheinen 1962 für viel Aufsehen sorgte. Das lange vergriffene Buch soll zum achtzigsten Geburtstag seines Autors wiederaufgelegt werden.

Die Retrospektive wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.

Quelle und vollständiges Programm: www.dhm.de/zeughauskino