Spur der Steine

DDR 1965/1966 Spielfilm

Inhalt

Auf einer Großbaustelle arbeitet Brigadier Balla mit seinen Leuten. Sie arbeiten viel, damit das Geld stimmt und steigen auf die Barrikaden, wenn Sand im Getriebe ist. Um fehlendes Material zu beschaffen, gehen sie eigene anarchistische Wege. Von dieser rauen Truppe sieht der neue Parteisekretär Horrath seine Autorität untergraben. Die beiden Kontrahenten verbindet eine Mischung aus Respekt und Rivalität. Neu auf der Baustelle ist auch die Bauingenieurin Kati, in die Balla als auch Horrath sich verlieben. Sie geht, was die Baustellenprobleme anbelangt, mit Balla konform, ihre Liebe aber gehört Horrath, von dem sie ein Kind erwartet. Horrath gerät in Schwierigkeiten, denn er hat bereits Frau und Kinder.

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Anarchismus in der Planwirtschaft: Mit Anleihen bei John Sturges’ Western "The Magnificent Seven" (1960) verdeutlichte der Film in fesselnder "Totalvision", wie die gemeinsamen "Aufbauleistungen" zweier moralisch bedenklicher Außenseiter dem Parteiapparat entgleiten. Hans Helmut Prinzler, 1966: "So kritisch hat bisher kein DEFA-Film das Wirken der Partei mit ihren Widersprüchlichkeiten gezeigt." Bei den Arbeiterfestspielen 1966 noch positiv aufgenommen, wurde er kurz darauf bei der Kinopremiere Opfer eines inszenierten Eklats, nach weiteren gelenkten "Protesten" binnen weniger Tage "wegen antisozialistischer Tendenzen" aus den Kinos genommen und erst im November 1989 wiederaufgeführt.

Quelle: 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Werner Horrath, Parteisekretär der Großbaustelle Schkona, muss sich vor der Parteileitung um den SED-Bezirkssekretär Hermann Jansen verantworten. Die Anklage lautet: Unmoralisches Verhalten, Karrierismus, politisch-ideologisches Versagen und damit letztlich parteischädigendes Verhalten. So, wie die Verhandlung verläuft, scheint das Urteil bereits vorher festgestanden zu haben...

Rückblende, ein Jahr zuvor. Horrath kommt zeitgleich mit der jungen Ingenieurin Kati Klee nach Schkona und wird, sozusagen zur Einführung, Zeuge eines nur von den „Ballas“ als großes Gaudium empfundenen Spektakels: Die Zimmermänner der Brigade um den so hand- und trinkfesten wie charismatischen Hannes Balla kühlt ihr Gemüt splitternackt im Teich der Kraftwerks-Baustelle. Was nicht nur den Werksschutz sogleich auf den Plan ruft. Oberbauleiter Richard Trautmann hat es mit diesem ungekrönten König der Baustelle nicht leicht. Weil er die Klappe aufreißt, sich für seine Leute stark macht und in jeglicher Hinsicht nichts anbrennen lässt. Einerseits. Andererseits sind die „Ballas“ seine zuverlässigsten, härtesten Arbeiter, die sich vor keiner Dreckarbeit scheuen und immer wieder für die Bauleitung die Kohlen aus dem Feuer holen, etwa wenn kein Material da ist oder das falsche geliefert wurde. Reichlich anarchisch geht es bei der Planerfüllung zu, aber alle profitieren davon – letztlich auch bei der Lohnabrechnung.

Horrath und die attraktive Diplom-Ingenieurin, die sich rasch privat näherkommen, obwohl auf ersteren daheim Gattin Marianne und seine Tochter warten, haben zunächst ihre Probleme mit Hannes Balla. Der hat nämlich ein Auge auf Kati geworfen („Mit Ihnen würde ich mir sogar einen Defa-Film ansehen“) und will sich vom neuen Parteisekretär nicht in seine unkonventionellen Arbeitsmethoden hineinreden lassen. Zunächst einmal krachts heftig in der Baubude unterm Walter Ulbricht-Porträt: Kati verbittet sich Ballas Macho-Attitüde („Das ist ja Mittelalter hier“) und Horrath streicht der erneut besten Brigade die verdiente Prämie: „Keine Ordnung, keine Prämie, der Bau ist kein Boxring“. Doch der Disziplinierungsversuch greift ins Leere, der „halbkriminelle Anarchistenlümmel“ Balla droht offen damit, Schkona Richtung Westen zu verlassen. Horrath plädiert für Offenheit und Ehrlichkeit als Grundlagen für gegenseitiges Vertrauen und kann sich gegenüber dem konservativen Bezirkssekretär Jansen durchsetzen: Künftig sind Hannes, Kati und er ein Team – und hecken in der Wohnung von Katis Vermieterin Schicketanz, wo auch schon 'mal Westfernsehen („Unteilbares Deutschland“) läuft, aus, wie dem Baustellen-Chaos zu Leibe gerückt werden kann. Vielleicht sogar durch den Vorschlag des Parteigenossen Hesselbarth, ein Drei-Schichten-System einzuführen. Werden da die „Ballas“ mitziehen?

Als Kati im dritten Monat schwanger ist und offenbar wird, dass nicht Balla, sondern der verheiratete Horrath der Vater des Kindes ist, der sich partout nicht für eine der beiden Frauen, die er liebt, entscheiden kann, zieht Jansen die Reißleine, um „sozialistische Moral auf der Baustelle durch(zu)setzen“. Die Sache eskaliert, als 'mal wieder kein Material geliefert wird und die Arbeiter spontan in den Streik treten. Am Ende lässt Jansen Fünfe gerade sein. Aber Kati hat die Schnauze voll: Sie will irgendwo anders neu anfangen, in der noch jungen DDR wird schließlich überall gebaut...

Während die Vorlage des Films, der gleichnamige Roman von Erik Neutsch, im DDR-Buchhandel zu kaufen war, wurde der am 15. Juni 1966 bei den Arbeiterfestspielen in Potsdam uraufgeführte Film bereits wenige Tage nach dem Kinostart zwei Wochen später nach einer nicht nur verbal üblen Hetzkampagne aus dem Verkehr gezogen. Eine Folge des berüchtigten 11. Plenums des Zentralkomitees der SED im Dezember 1965: Zu eindeutig der Freiheitsdrang der selbstbewusst-rebellischen „Ballas“, die sich keinem Klassenstandpunkt unterzuordnen gedachten. Zu unmoralisch das Privatleben ausgerechnet des Parteisekretärs. Zu offen die Kritik an den Systemmängeln nicht nur am Bau, sondern auch in der Gesellschaft. „Spur der Steine“ kam erst wieder in der Wendezeit am 23. November 1989 in die Kinos.

Heute ist er Kult. Und das nicht aufgrund seines kritischen Gehalts, sondern seiner überaus erfrischenden Machart und einer großartigen Besetzung wegen – mit dem damals 28-jährigen Manfred Krug und dem 33-jährigen Eberhard Esche. Auch der Regisseur Frank Beyer gehörte mit damals 32 Lenzen dieser Aufbaugeneration an, die zwar mit einem Auge in den noch gar nicht so goldenen Wirtschaftswunder-Westen blickte, mit dem anderen aber das „bessere“, weil gerechtere Deutschland errichten wollte. So gibt „Spur der Steine“ das Lebensgefühl, die durch die Ideologie immer wieder gebremste Aufbruchstimmung der „Sechziger“ in der noch jungen sozialistischen Republik wieder wie kaum ein anderer Defa-Film.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Vorlage

Kamera-Assistenz

Requisite

Musik-Beratung

Darsteller

Synchronsprecher

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • Mai 1965 - Juli 1965: Halle/Saale (Leuna II), Coswig
Länge:
3795 m, 139 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 15.06.1966, Potsdam-Babelsberg, Arbeiterfestspiele, Thalia;
Kinostart (DD): 01.07.1966, Berlin/DDR, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Spur der Steine

Fassungen

Original

Länge:
3795 m, 139 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 15.06.1966, Potsdam-Babelsberg, Arbeiterfestspiele, Thalia;
Kinostart (DD): 01.07.1966, Berlin/DDR, International

Prüffassung

Länge:
3681 m, 134 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Bild/Ton:
s/w, Mono
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.04.1990, 63859, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Kinostart (DD): 23.11.1989, Berlin/DDR, International;
Kinostart (DE): 10.05.1990;
TV-Erstsendung (DD): 09.09.1990, DFF 1