Der Architekt

Deutschland 2008 Spielfilm

Inhalt

Als würde er die Krisen voraussehen, die ihm bevorstehen, reist der Architekt Georg Winter nur auf Drängen seiner Frau Eva in das abgelegene Bergdorf seiner Kindheit, wo seine Mutter beerdigt wird. Mit dem Ehepaar fahren auch die beiden erwachsenen Kinder Reh und Jan, die nichtsahnend in das geheimnisumwitterte Vorleben ihres Vaters hineingezogen werden. "Alles, was mit Unterdrückung und Verdrängung zu tun hat, wird letztlich zu einer Frage von Macht und Ohnmacht", sagt die Regisseurin Ina Weisse über ihren Debütfilm. "Die Kinder in der Familie bekommen das direkt zu spüren."

Im Dorf trifft Georg Hannah wieder, seine frühere Freundin, die dort mit ihrem Sohn lebt. Durch die Konfrontation mit der Vergangenheit beginnt die scheinbar harmonische Fassade der Familie zu bröckeln. Instinktiv will Georg fliehen, doch das Dorf ist durch eine Schneelawine von der Außenwelt abgeschnitten. "Er hätte jetzt die Möglichkeit, mit seiner Vergangenheit umzugehen, sich zu bekennen, aber er ist feige, schafft es nicht und macht sich dadurch wieder schuldig", erklärt Ina Weisse.

Ina Weisse beschreibt eindrucksvoll das Drama einer Familie, die durch Verdrängung, Angst, Schuld und Selbstbetrug an den Rand des Zerfalls gebracht wird.

Quelle: 59. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Eine Frau stapft mit zwei Einkaufstüten mühsam durch den hohen Schnee. Als sie ihr Haus erreicht in einem einsam gelegenen Bergdorf in Tirol, dass häufiger wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten ist, wenn Lawinen die einzige Zufahrtsstraße versperren, schaut sie noch schnell nach Maria, ihrer hochbetagten Nachbarin, die zusammengesunken vor ihrem Haus sitzt und zu schlafen scheint.

Hannah greift zum Telefon, denn Maria ist tot, und ruft in Hamburg an. Am anderen Ende der Leitung der erfolgreiche Architekt Georg Winter, der die Nachricht vom Tod seiner Mutter mit ungewöhnlicher Gelassenheit, ja geradezu stoischer Ruhe aufnimmt. Winter steht gerade im Zenit seines beruflichen Erfolges, hat einen großen Auftrag zum Bau eines Museums bekommen und nimmt im Rahmen eines Empfanges zu seinen Ehren die Glückwünsche auch seines einstigen Kollegen und heutigen Hochschullehrers Roth entgegen.

Winter verdrängt die Nachricht aus seiner Tiroler Heimat, sagt auch seiner Familie kein Wort. Diese erfährt vom Tod Marias erst, als Winters Gattin Eva einen Anruf des Dorfpfarrers entgegennimmt, der Einzelheiten zur Bestattung in Erfahrung bringen möchte.

Erst nach einem Machtwort Evas ist Georg Winter bereit, zusammen mit seinen erwachsenen Kindern Jan und Reh zur Beerdigung zu fahren – im Auto von Hamburg aus quer durch die Republik. Zu sagen hat sich das Quartett auf der langen Fahrt nicht viel, die Kinder albern auf der Rückbank herum, der mürrische Vater schweigt vor sich hin. Und scheint geradezu dankbar zu sein, dass er die letzten paar hundert Meter Bergstraße zu Fuß zurücklegen muss, nachdem er den BMW in den Schnee gesetzt hat.

Vor Marias Haus angekommen, bemerken sie junge Leute, die ganze Abfallberge entsorgen. Darunter mit Alex einer, der die Winters nicht eben freundlich begrüßt. Georg, der schon längere Zeit nicht mehr hier war, bemüht sich, für sich und die Seinen das karge elterliche Bauernhaus so gemütlich wie möglich herzurichten. Während ihm Reh, ein zartes Wesen und ganz Vater-Tochter, zur Hand geht, zeigt ihm Sohn Jan die kalte Schulter. Er ist so etwas wie das Schwarze Schaf der Familie und weigert sich standhaft, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Statt Abitur zu machen und Architektur zu studieren, hat er die Schule geschmissen und vertreibt sich ziellos die Zeit.

Die Beerdigung rückt näher und beim Totenmahl in der einzigen Gastwirtschaft des kleinen Ortes bemerkt Eva instinktiv, dass da 'mal 'was gelaufen sein muss zwischen ihrem Gatten Georg und Hannah, der Mutter von Alex. Was zur Gewissheit wird, als der Pfarrer den letzten Willen der Verstorbenen verliest: Marias Enkel Alex ist Alleinerbe, ihr Sohn Georg erhält nur den Pflichtteil. Das muss die Familie Winter erst einmal verdauen.

Reh flüchtet zutiefst getroffen in die tief verschneite Landschaft, der besorgte Bruder Jan folgt ihr, Gattin Eva grollt („Ohne mich wärst du ein mickriger Versager. Du verdienst mehr Geld als du wert bist, und ohne meinen Vater hättest du gar nichts verdient“), lässt sich vollaufen und von Alex helfen, Georg schließlich nimmt erneut zarte Bande mit der willigen Hannah auf. Und alles vor dem Hintergrund, dass eine Lawine die einzige Ortszufahrt für unbestimmte Zeit unpassierbar gemacht hat. Jetzt kann niemand mehr der Wahrheit entkommen...

Die in Berlin geborene Schauspielerin („Nichts als Gespenster“, „Schneeland“) und Regisseurin Ina Weisse, Absolventin der renommierten Münchner Otto Falckenberg-Schule, stand zunächst an der Isar, in Mannheim und in Potsdam auf der Bühne, bevor sie in Hamburg ein Regiestudium absolvierte. Und mit dem Abschlussfilm „Alles Anders“ zahlreiche Preise gewann, darunter den First Steps Award 2002. Ihr fulminantes Kinodebüt „Der Architekt“ lebt in erster Linie von der enormen Leinwandpräsenz Josef „Sepp“ Bierbichlers in der Titelrolle. Sein Georg Winter versucht vergeblich, den Tod seiner Mutter so zu verdrängen, wie es ihm mit seiner alpenländischen Herkunft offenbar gelungen ist. Denn um seinen unehelichen Sohn hat sich dieser Erfolgsmensch, den es offenbar nicht zufällig ganz in den hohen Norden Deutschlands verschlagen hat, nie gekümmert.

Als seine Lebenslüge offenbar wird und sich die Familie sogleich in ihre Bestandteile auflöst, was Ina Weisse mit bemerkenswerter Unaufgeregtheit zeigt, zieht sich Georg Winter im Bewusstsein seines mit Ausnahme Hannahs ebenfalls verheimlichten gesundheitlichen Zustandes gänzlich zurück. Ein ganz unsentimentaler, gefühlskitschfreier Film, der alle sechs Hauptdarsteller zu gleichgewichtigen Protagonisten macht – was wiederum auch ein Verdienst Sepp Bierbichlers ist. Allerdings kommt Carl-Friedrich Koschnicks Kamera nicht über die Kammerspiel-Ästhetik der TV-Koproduktion hinaus.

Im Rahmen der 59. Berlinale gabs beim Deutschen Filmpreis 2009 die „Lola“ für Sophie Rois als beste Nebendarstellerin sowie beim Festival um den Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken die Auszeichnung für das beste Drehbuch. Für die TV-Erstaustrahlungen sorgten der ORF am 11. Oktober 2011 und die ARD am 31. Mai 2012.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Standfotos

Titelgrafik

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Ton-Design

Mischung

Casting

Producer

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 01.04.2008 - 07.05.2008: Hamburg, Tirol
Länge:
2556 m, 93 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.11.2008, 116080, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.10.2008, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 05.02.2009

Titel

  • Originaltitel (DE) Der Architekt
  • Weiterer Titel (ENG) The Architect

Fassungen

Original

Länge:
2556 m, 93 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.11.2008, 116080, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.10.2008, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 05.02.2009

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 2009
  • Lola, Beste Nebendarstellerin
FBW 2008
  • Prädikat: wertvoll