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Nach einer Erzählung von Christoph Hein: Weil der Historiker Hans Peter Dallow in der DDR den Pianisten eines Studentenkabaretts vertreten hat und dabei einen Tango begleitete, zu dem ein ihm unbekannter, vermeintlich "staatsgefährdender" Text gesungen wurde, verliert er seine Stellung und wird zu knapp zwei Jahren Haft verurteilt.
Nach seiner Entlassung 1968 wird Dallows Situation nicht einfacher. Die Stasi versucht, ihn für ihre Sache zu gewinnen; zwei Herren namens Schulze und Müller zeigen dabei besonderen Einsatz. Dallow will sich nicht auf die Angebote einlassen – ihm droht als Gegner des Systems die Isolation. Seine persönliche Lage nimmt eine weitere Wendung, als die Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR einmarschieren und den "Prager Frühling" beenden.
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Was ihm glatte 21 Monate Gefängnis einbringt: Ein angeblich „staatsverleumderischer“ Textbeitrag des Programms der jungen Leute fand nicht die Zustimmung der durch die Staatssicherheit allgegenwärtige SED-Staatsmacht. Aus dem Gefängnis entlassen weiß Hans-Peter Dallow mit sich und seinen einstigen Freunden nichts anzufangen. An die Universität kann er nicht zurück, jedenfalls ist an eine Lehrtätigkeit nicht zu denken.
Auch die junge Elke, die einzige ihm noch verbliebene Bezugsperson, kann ihn nicht auffangen. Sie bietet ihm nur vorübergehend Geborgenheit, denn sie will, dass er sein Leben regelt, dass er zunächst mit sich selbst ins Reine kommt. Und das bedeutet im materialistischen Sozialismus, als notwendige Zwischenstation zum Endziel Kommunismus, immer noch zuerst eine „ordentliche Tätigkeit“. Dallows alter Kumpel Harry besorgt ihm eine solche: einen Job als Saisonkellner auf der vornehmen, nur hundertprozentigen SED-Genossen vorbehaltenen Ostseeinsel Hiddensee. Wo er naturgemäß ebensowenig zurecht kommt wie zuvor in anderen Hilfsjobs, die Dallow freilich auch nur halbherzig anging.
Die Stasi drängt ihn in Person des renitenten Offiziers Schulze, wieder an die Uni zurückzukehren – im Gegengeschäft mit kleinen Horch & Guck-Aufträgen versteht sich. Doch Dallow hat die Nase gestrichen voll vom „System“, erst recht, als er mitbekommt, dass der damals von ihm gespielte und auf den Index gesetzte Tango nun ungehindert öffentlich aufgeführt werden kann.
So wird „sein“ Staatsanwalt Dr. Berger beinahe Opfer seiner Wut auf den Staat, die Gesellschaft – und letztlich sich selbst. Erst als nach dem Einmarsch der Ostblockstaaten in die Tschechoslowakei zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im Sommer 1968 Dallows Amtsnachfolger Roessler in politische Schwierigkeiten gerät, nutzt er die Chance, um an die Hochschule, an sein Institut zurückzukehren. Er hat gelernt, sich zu arrangieren...
Die gleichnamige, 1989 edierte Erzählung Christoph Heins greift das Thema der politischen Prozesse in der DDR erstmals poetisch auf und bricht dabei mit zahlreichen Tabus im ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden. Die Verfilmung von Roland Gräf, in unmittelbarer Vor-„Wende“-Zeit gedreht, gilt heute als ein wichtiges historisches Dokument.
Und dieser hochbrisante Stoff war auch ein mutiger Schritt, gleichermaßen für den renommierten DDR-Schriftsteller Christoph Hein und Roland Gräf, den handwerklichen Großmeister des DDR-Kinos. „Der Tangospieler“ erzählt, auch Dank der vorzüglichen Besetzung, sehr genau und atmosphärisch dicht ein Stück DDR-Befindlichkeit: Gerade in unsicheren Zeiten des Umbruchs ist jeder ängstlich darum bemüht, seine Nische zu behaupten und Unangenehmes zu verdrängen.
Hans-Peter Dallow war angetreten, diese Verdrängung zu brechen. Er hatte mit sich und der (sozialistischen) Welt abgeschlossen, gerade nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in Prag. Wie er sich nun von heute auf morgen dem verbrecherischen System wieder zur Verfügung stellen kann, bleibt zumindest dem Kinopublikum schleierhaft.
Das Roland Gräfs letzte Literaturverfilmung für die „alte“ Defa praktisch nicht zu sehen bekam. „Der Tangospieler“ konnte erst mit Hilfe des Goethe-Institutes vom inzwischen zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelten Babelsberger Studio fertiggestellt werden. Zum offiziellen Kinostart am 28. Februar 1991 waren die Bezirks-Filmdirektionen der DDR aufgelöst, die meisten kleineren Filmtheater geschlossen und die großen fest in der Hand westlicher Konzerne, die den gerade neu eroberten Markt mit US-Actionware überfluteten. Immerhin gabs künstlerische Anerkennung: Beim Deutschen Filmpreis 1991 gabs im Berliner Theater des Westens das Filmband in Silber für Roland Gräf („Bester Film“) und das Filmband in Gold für Michael Gwisdek („Darstellerische Leistung“).
Pitt Herrmann