Lichtverhältnisse: das Glashaus

Für die frühen Babelsberger Filme spielte das Licht eine ganz besondere Rolle. Nicht nur bei der Entscheidung für das Babelsberger Gelände und den Bau des Glashauses gab es den Ausschlag. Auch bestimmte das Licht den Tagesablauf der Filmschaffenden, den Ausbau des Babelsberger Geländes und führte laut dem Regisseur Urban Gad dazu, "einen Stab von Künstlern zu schaffen, die allein für den Film arbeiteten".

Durch die zwei geschickt konzipierten, ebenerdigen Glashauskonstruktionen – die ersten ihres Typs in Deutschland – konnte auf dem weitläufigen Babelsberger Gelände erstmals direkt auf das Sonnenlicht zurückgegriffen werden, ohne dass umliegende hohe Gebäude oder Staub den Lichteinfall beeinträchtigt hätten. Dem Babelsberg-Pionier und Kameramann Guido Seeber, der das Gelände für die Bioscop Filmgesellschaft erschlossen hatte, gefiel außerdem, dass nun möglich war, "jederzeit einen Teil des sichtbaren Geländes mit zur Szene zu verwenden".

Geplant wurde das 300 Quadratmeter umfassende kleine Glashaus 1911 von der Berliner Firma C. H. Ulrich. Die kittlose Spezialverglasung und die außen liegenden Stützverstrebungen der raffinierten Stahlträgerkonstruktionen waren speziell für Filmzwecke optimiert und warfen keine Schatten. Die Bauarbeiten begannen noch im Winter, sodass schon im Februar 1912 mit den Dreharbeiten zu "Der Totentanz" (1912) begonnen werden konnte und das kostenlose Tageslicht, die zu der Zeit gleichmäßigste und filmwirksamste Lichtquelle, bestmöglich ausgenutzt werden konnte. Das große Glashaus, speziell für die Asta-Nielsen-Filme angefertigt, wurde 1913 in Betrieb genommen. Es hatte eine Grundfläche von nunmehr 450 Quadratmetern und war direkt verbunden mit dem neuen zweigeschossigen Kopierwerk.

Quelle: FMP
Das kleine Glashaus, ca. 1913

Da die Dreharbeiten im Glashaus licht- und zeitabhängig waren, musste das Licht effizient ausgenutzt werden. Die Dreharbeiten fanden dementsprechend in den lichtreichsten Zeiten des Tages und vor allem in den Monaten mit viel Sonnenlicht statt. Die Drehplanung und Disposition der Drehtage sowie die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten wurden abgestimmt auf den Sonnenverlauf und die damit verbundene Lichtqualität. Wie Urban Gad berichtete, mussten die Lichtverhältnisse "mit soviel Zeitersparnis wie möglich ausgenutzt werden", was präzise Kenntnisse über Lichtveränderungen innerhalb eines Drehtages voraussetzte. Künstler konnten nun entweder nur noch beim Film oder nur noch für das Theater arbeiten, denn die Probenzeiten am Theater waren gleichfalls die besten Drehzeiten beim Film. So entwickelte sich ein eigener Stab an Filmschauspielern. Auch erwies sich die Ebenerdigkeit des Glashauses als Vorteil für die unter Zeitdruck stattfindenen Aufbauarbeiten: Lastwagen konnten direkt in das Atelier einfahren, Lastentransporte und Auf- und Abbauarbeiten zeitsparend abgewickelt werden.

Quelle: FMP
"Der Totentanz": Dreharbeiten im Glashaus mit Urban Gad und Asta Nielsen (1912)

Zur Regulierung des Lichteinfalls, und damit einer gleichmäßigen Lichtsättigung vor allem bei Innenszenen, war das ganze Atelier mit einem Vorhangsystem ausgestattet. Kleine weiße Vorhänge milderten und streuten das einfallende Tageslicht, große blaue Vorhänge dunkelten ab und verhinderten unerwünschten Lichteinfall und Schattenwurf.

Der Kameramann Günther Anders erinnert sich: "Der Oberbeleuchter hatte eine Riesenstange. Die Stange reichte so hoch wie das Atelierdach war. [...] und wie sie [...] sehen, waren die Seitenwände und das Dach [...] waren mit Riesenstoffen auf Drähten, wie Segel, und diese wurden mit der Stange jeweils wie man das Licht haben wollte, also den Tageslichteinfluss, weggeschoben oder vorgeschoben. Also wenn zum Beispiel zu starke Sonne war oder irgendetwas, dann mussten sie das zuziehen. Damit da nicht plötzlich so ein Sonnenstrahl in die Dekorationsteile hereinfällt."

Somit war also auch schon in den frühen Babelsberger Produktionen trotz der Einfachheit des Systems eine verhältnismäßig präzise Lichtsetzung möglich. Dennoch diente die Filmbeleuchtung in den 1910er Jahren lediglich zum regelmäßigen Erhellen und Ausleuchten des Bildes, aber auch Schärfen in der Tiefe konnten so realisiert werden. Der Kameramann Richard Angst berichtete: "Also wenn sie das damalige Licht mit dem heutigen Licht vergleichen, war das damalige Licht eine ganz intensive, im Grunde genommen flache Aufhellung."

Das Kunstlicht allerdings spielte für den Babelsberger Film der 1910er Jahre nur eine untergeordnete Rolle. Auf dem Gelände war lediglich Wechselstrom verfügbar, der das Licht im Bild ungleichmäßig und flackernd erscheinen ließ. Die Anschaffung von Gleichrichtern zur Umwandlung des Wechselstroms in Gleichstrom war vorerst zu kostenintensiv.

Da sich aber die Hoffnung der Bioscop, nur mit Tageslicht effizient produzieren zu können, nicht erfüllte, wurden zusätzlich mit Wechselstrom betriebene Jupiterlampen angeschafft. Kameramänner wie Guido Seeber konnten dementsprechend nur mit einer Bildfrequenz von 16 Bildern pro Sekunde kurbeln, um das flackernde Licht im Bild nicht sichtbar werden zu lassen. Dies aber führte durch lange Belichtungszeiten zu Bewegungsunschärfen, andernfalls musste man bei 20 Bildern pro Sekunde so schnell kurbeln, dass es eines zusätzlichen Assistenten bedurfte, der die Kamera dabei festhielt, um schwankende Bewegungen zu vermeiden.

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Das große Glashaus

Kunstlicht – speziell das Bogenlicht – wurde letztendlich nur zur Ergänzung des Tageslichtes verwendet, wobei die Kombination aus weißlich gelbem offenen Niederspannungsbogenlicht als Vorder- und Seitenlicht und dem tageslichtähnlichen blauvioletten Hochspannungsbogenlicht als Deckenlicht zusätzlich zum vorhandenen Tageslicht im Glashaus als die beste Art der Filmausleuchtung galt. Günther Anders berichtete: "Es gab im Atelier also auch schon die so genannten Jupiterlampen. Die hatte man im Atelier zur Unterstützung des Tageslichtes, Lichteinflusses."

Auch hatte das Kunstlicht viele Nachteile: Es verbrauchte viel Energie und erzeugte so hohe Temperaturen im Glashaus, dass der Star Asta Nielsen von "Treibhaustemperatur" und "unmenschlicher Hitze" sprach. Außerdem kam es durch die UV-Strahlen mitunter zu Bindehautentzündungen und durch herabfallende Kohlestückchen bestand Unfallgefahr.

Grundsätzlich hatte die Filmindustrie um 1915/1916 kaum mehr Beleuchtungserfahrung als die damaligen Fotografen. Erst später, wie etwa beim dritten Film der "Homunculus"-Reihe (1916) begann man, Licht gezielter und bewusster einzusetzen. Allerdings war auch zu diesem Zeitpunkt die Beleuchtungstechnik noch nicht beweglich und somit nicht in der Lage, beispielsweise raumgreifende Schritte und Wege der Darsteller zu verfolgen. Lichteffekte galten noch 1921 als zeitaufwändig und damit teuer.

Ein reines massiv gemauertes Kunstlichtatelier gab es in Babelsberg erst 1926. Aufgrund des Nachkriegsaufschwungs war Strom nun günstiger und die Dreharbeiten im Studio waren endlich unabhängig von Tageslicht und Wetter und damit auch wirtschaftlicher. Dennoch hatten die Glashäuser nicht ausgedient und blieben in den 1920er Jahren weiterhin benutzt. Die Lichttechnologie verbesserte sich von nun an rasant, Effektlampen und Spotlights wurden eingesetzt, Lichtstärken wurden optimiert und es ergaben sich vorher ungeahnte neue Optionen in der Bildgestaltung.