Die Filmkreditbank

Nicht nur auf institutioneller und juristischer Ebene schufen die Nationalsozialisten für die Filmindustrie eng gesteckte Rahmenbedingungen zum Zwecke der staatlichen Kontrolle und Einflußnahme. Hinzu kam auch eine wirtschaftliche Lenkung durch die Gründung der Filmkreditbank (FKB) im Juni 1933 als Finanzierungsstelle für Filmvorhaben:"Chronische Kapitalnot und daraus resultierende Abhängigkeit von Fremdkapital bestimmten für das produzierende Gewerbe die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (mit Ausnahme der Inflationsjahre). Das Vertrauen der Kreditgeber in die Amortisation geleisteter Investitionen war angesichts des jeweiligen Ertragsrisikos eines Films gering.(1) Eigens zur Finanzierung der Filmwirtschaft gegründete Kreditinstitute gingen zumeist an ihrem zu gering kalkulierten Kapitalstock zugrunde.(2) Auch hier galt die SPIO (Spitzenorganisation der Deutschen Filmindustrie e.V.) als gedanklicher Vorreiter mit dem Konzept einer Filmbank, die treuhänderisch andere Kapitalgeber (Banken und Private) vertreten sollte und im Gegenzug deren Risiko trug.(3)Der neuen Regierung kam dieser Ansatz recht, da die Staatskasse unbelastet blieb. Zusagen der beteiligten Banken der FKB beliefen sich auf 10 Mio RM (4) und die Kreditvergabe war an Bedingungen geknüpft: Vorlage eines "kurbelfähigen" Drehbuchs, der Besetzungsliste, der urheberrechtlichen Unbedenklichkeit, der exakten Kalkulation, des Verleihvertrages und des Nachweises der Mitgliedschaft aller Beteiligten in der SPIO resp. der Reichsfilmkammer. Durch den Reichsfilmdramaturgen, der das Drehbuch bewertete, nahm der Staat die politisch-ideologische Schlüsselfunktion zwischen Mittelvergabe und Produktion ein: Finanzielle Sicherheit war gekoppelt an politische Kontrolle.(5)Bis zu 70% des Budgets eines Films konnte von der Bank gestellt werden. Die verbleibenden 30% zzgl. eines Drittels der Kopienkosten und einer Überschreitungsreserve von 15% der Gesamtkosten musste der Produzent selbst aufbringen und in bar vorweisen können. (...) Das Angebot der FKB wurde von der Industrie einhellig begrüßt: Allein 1933 wurden 22 Kurz- und Spielfilme mit Hilfe von FKB-Krediten finanziert, 1934 mit 7,6 Mio RM Kreditvolumen schon 49 Filme (40% der deutschen Gesamtproduktion) und 1935 mit Krediten von bereits 15,7 Mio RM 65 Filme (70% aller).(6) Die FKB deckte damit zwei Drittel aller Finanzierungen im Filmbereich ab, und gerade die Großkonzerne machten von dem Kreditangebot gerne Gebrauch, konnten sie doch so ihre eigenen Kapitalreserven freihalten."

 

(Auszug aus: Daniel Otto: "Der Bürgermeister und der Filmkonzern. Gleichschaltung und Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie am Beispiel der Tobis AG", in: Jan Distelmeyer (Red.): Tonfilmfrieden / Tonfilmkrieg. Die Geschichte der Tobis vom Technik-Syndikat zum Staatskonzern, München: edition text + kritik, 2003, S. 107-125)

(1) Das Misstrauen der Banken fand Niederschlag u.a. in der Diskontierungspraxis von Filmwechseln, die mit Abschlägen von bis zu 50% eingelöst wurden. Vgl. Kurt Wolf: Entwicklung und Neugestaltung der deutschen Filmwirtschaft seit 1933. Heidelberg: Dissertation 1938, zitiert nach Bredow/Zureck, a.a.O., S. 161.
(2) Beispielsweise die Internationale Film AG von 1920 mit 15 Mio Kapital, die Bank für Handel und Filmindustrie von 1923, die Kino-Kredit-AG von 1928. Wolfgang Becker: Film und Herrschaft. Berlin/West: Spiess 1973, S. 35.
(3) Vgl. Jürgen Spiker: Film und Kapital. Berlin/West: Spiess 1975 , S. 96 f.
(4) Das Gründungskapital belief sich auf 200.000 RM und setzte sich zusammen aus jeweils 25.000 RM Deutsche Bank, Dresdner Bank, 10.000 RM Commerz- und Privatbank, 20.000 RM Reichskreditgesellschaft AG und 120.000 RM Ludwig Klitzsch für die Ufa. Im Aufsichtsrat vertreten waren u.a. die beteiligten Banken, Klitzsch, Vertreter des "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda", der Agfa und der Tobis. Vgl. Max Kullmann: Die Entwicklung des deutschen Lichtspieltheaters. Nürnberg: Dissertation 1935, S. 78.
(5) Im August 1933 wurden die Bankenanteile und damit auch die Kontrollbefugnis über die FKB von der Reichsfilmkammer übernommen. Ab März 1935 wechseln die Anteile der RFK mehrmals die Besitzer, bis sie Anfang 1942 in der Ufa-Film-GmbH aufgehen und bis 1945 im mittelbaren bzw. unmittelbaren Reichsbesitz bleiben. Vgl. Becker, a.a.O., S. 38 f.
(6) Vgl. Becker: a.a.O., S. 40.