Ernö Metzner
Ernö Metzner wurde am 25. Februar 1892 in Szabadka im damaligen Österreich-Ungarn geboren und studierte an der Kunstschule in Budapest. Anschließend arbeitete er als Maler und Grafiker und zeichnete Illustrationen für Bücher und Zeitschriften. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er 1914 zum Wehrdienst eingezogen und war bis Kriegsende 1918 Soldat. Danach war Metzner zunächst wieder als Maler tätig.
1920 zog er nach Berlin, wo er im Filmgeschäft Fuß fassen konnte, ohne fest an eine bestimmte Produktionsfirma gebunden zu sein. Sein erste Filmarbeit waren die Bauten für Ernst Lubitschs Kostümfilm "Sumurun" (1920; gemeinsam mit dem verantwortlichen Szenenbildner Kurt Richter). Im folgenden Jahr entwarf er die Kostüme für Paul Lenis Historienfilm "Die Verschwörung zu Genua" (1921) und gehörte zum Kostümbildner-Team von Lubitschs "Das Weib des Pharao" (1921); bei dem Mehrteiler "Fridericus Rex" (1922) war er Mitglied des Szenenbildner-Teams.
Wiederholt arbeitete Metzner mit dem Produzenten und Filmindustriellen Hans Neumann zusammen. Dadurch stand er mehrfach vor der Aufgabe, dessen riesige, zum Filmatelier umgebaute Luftschiffhalle Staaken mit seinen Bauten zu bespielen, so etwa bei den "Fridericus Rex"-Filmen. Für den von Neumann produzierten Bibel-Film "I.N.R.I." (1923, Regie: Robert Wiene) erprobte er als erster einen 4000 qm großen Rundhorizont.
Nach einigen weiteren Arbeiten als Kostümbildner (zuletzt bei der Shakespeare-Adaption "Ein Sommernachtsraum", 1925) verlegte Metzner sich ausschließlich auf den Bereich Szenenbild.
Das Psychoanalyse-Drama "Geheimnisse einer Seele" (1926) markierte seine erste Zusammenarbeit mit G. W. Pabst. Bis 1933 realisierten die beiden sieben gemeinsame Filme, darunter einige der bedeutendsten Werke dieser Ära: "Tagebuch einer Verlorenen" (1929), "Die weiße Hölle vom Piz Palü" (1929) und "Westfront 1918" (1930). In seinen Szenenbildern setzte Metzner unter anderem Pabsts Vorliebe für charakterisierende Dekorations-Details und eine Mischung aus Realismus und stilisierender Abstraktion um. Einen Höhepunkt der Zusammenarbeit bildete das Grubenunglück-Drama "Kameradschaft" (DE/FR 1931), für das Metzner im Studio täuschend echte Bergwerksstollen nachbaute.
Zwischen 1927 und 1929 führte Ernö Metzner mehrmals auch Regie. Für den Film- und Lichtbilddienst der SPD realisierte er unter anderem den Kurz-Dokumentarfilm "Im Anfang war das Wort... 80 Jahre sozialistische Arbeiterpresse" (1928). Ebenfalls von der SPD produziert war der Spielfilm "Freie Fahrt" (1928), der die Errungenschaften der Sozialdemokratie zu vermitteln versuchte. Bei dem experimentellen Kurzspielfilm "Polizeibericht Überfall" (1928) führte Metzner nicht nur Regie, sondern entwarf auch die Ausstattung und schrieb mit seiner Frau Grace Chiang das Drehbuch. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der erst von Kleingaunern verfolgt, von einer Prostituierten umgarnt und schließlich zusammengeschlagen wird. Der Film endet mit einem wie mit Zerrspiegeln aufgenommenen Traum, der die zuvor gezeigten Situationen ineinander verwebt. Wie schon die SPD-Filme hatte "Polizeibericht Überfall" Probleme mit der Zensur: Er wurde als "Verbrecherfilm" eingestuft, der "durch die Häufung von Brutalitäten und gefühlsrohen Taten nur herabziehend und auf das Gefühl des Beschauers abstumpfend" wirke. Als Konsequenz wurde der Film mit einem Totalverbot belegt. Inzwischen gilt "Polizeibericht Überfall" als eines der wichtigsten Filmexperimente seiner Zeit. Siegried Kracauer schrieb 1947 in seinem Buch "Von Caligari zu Hitler": "[Polizeibericht Überfall] geht insofern weit über jeden anderen Film jener Zeit hinaus, als er der Polizei, dem beruhigenden Symbol der Autorität im deutschen Film, eine Abfuhr erteilt. (…) [Polizeibericht Überfall] zeigt zwar Chaos, ohne jedoch Unterwerfung unter die Autorität als Ausweg zu akzeptieren. Der wahrhaft ketzerische Charakter dieses Films wird durch die scharfe Reaktion der Zensur bestätigt." Der britische Filmhistoriker Paul Rotha nannte Metzners Film in einem Atemzug mit Bunuels "Und chien Andalou" (1929).
Weitere Regiearbeiten Metzners waren der im Rennsport angesiedelte Spielfilm "Achtung! Liebe! Lebensgefahr!" (1929) und der Dokumentarfilm "Kehre wieder, Afrika!" (1929), bei dem er Filmmaterial verarbeitete, das von Friedrich Paulmann und Ludwig Weichert während einer Expedition gedreht worden war. Daneben war Metzner weiterhin als Szenenbildner tätig. Außer für die Pabst-Filme entwarf er die Bauten unter anderem für "Eine Nacht im Grandhotel" (1931) und den Ende 1932 in Frankreich und bei der Olympiade in Los Angeles gedrehten Sportler- und Liebesfilm "Der Läufer von Marathon".
1933 emigrierte Metzner nach der Machtübernahme Hitlers nach Frankreich, wo er bei "Du haut en bas" (1933) noch einmal mit dem ebenfalls ausgewanderten Pabst zusammenarbeitete. In England war er als Szenenbildner für den Produzenten Michael Balcon und dessen Firmen Gainsborough und Gaumont-British tätig. 1935/36 entstand nach Metzners Entwürfen in einjähriger Arbeit "The Robber Symphony", gedreht in den Shepperton Studios sowie in Nizza, Österreich und rund um den Mont Blanc. Der Film des aus Österreich emigrierten Friedrich Fehér handelte von einer skurrilen Räuberbande und fahrenden Musikanten, folgte dabei aber nicht konventionellen Erzählmustern, sondern verband expressionistische und surrealistische Elemente zu einer "Fundgrube in Sachen Seltsamkeit und Surrealismus" (so eine Beschreibung des Österreichischen Filmmuseums).
Mitte der dreißiger Jahre bereitet Metzner in New York mit G. W. Pabst eine Technicolor-Verfilmung von Gounods "Faust" vor, die jedoch aus finanziellen Gründen kurz vor Drehbeginn abgesagt werden musste. 1936 zog er mit seiner Frau Grace Chiang und Sohn Henry dauerhaft in die USA. Dort arbeitete er nur noch gelegentlich für den Film, so etwa bei Reinhold Schünzels Schubert-Filmbiografie "New Wine" ("Die Unvollendete", US 1941) und René Clairs romantischer Komödie "It Happened Tomorrow" ("Es geschah morgen", US 1944). Seine letzte Arbeit als Szenenbildner war Zoltan Kordas Großwildjäger-Abenteuerfilm "The Macomber Affair" ("Affäre Macomber", US 1947).
Am 25. September 1953 starb Ernö Metzner in Hollywood an einem Herzinfarkt.