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Veröffentlicht auf filmportal.de (https://www.filmportal.de)

Klaus Lemke

Date of Birth
10/13/1940 - 12:00
Geburtsort
Landsberg an der Warthe (heute Gorzów Wielkopolski, Polen)
Sterbedatum
07/07/2022 - 12:00
Sterbeort
München
Biografie

Klaus Lemke, geboren am 13. Oktober 1940 in Landsberg an der Warthe, gilt als einer der eigensinnigsten und – per Selbstdefinition – anti-intellektuellsten Filmemacher Deutschlands. Er wuchs in Düsseldorf auf und schlug sich nach dem Abitur zunächst mit Gelegenheitsjobs durch, unter anderem als Asphaltierer. Sein Studium der Kunstgeschichte und Philosophie brach er nach sechs Semestern ab.

Nach einigen Regieassistenzen in München 1963/1964, unter anderem bei Fritz Kortner, wurde er 1964/1965 Mitarbeiter der Zeitschrift "Film", die in Konkurrenz zur akademischeren "Filmkritik" trat und sich auch mit dem verfemten amerikanischen Genre-Kino befasste. Im Kontext der "Neuen Münchner Gruppe" um Rudolf Thome, Max Zihlmann, Werner Enke und May Spils drehte er 1965/1966 insgesamt sechs Kurzfilme, darunter "Kleine Front" und "Ein Haus am Meer". Als "König von Schwabing", für den "Coolness" ein wichtiges Attribut war, verkörperte er das Lebensgefühl der Münchner Bohème. Über sein politisches "Dilemma" sagt er rückblickend: "Ich fand Amerika so derartig cool, dass ich gerne in Vietnam einmarschiert wäre und gleichzeitig dagegen protestiert hätte".

Sein erster Langfilm "48 Stunden bis Acapulco" (1967) folgt einem Aussteiger vom Schliersee über Rom nach Mexiko, der sich als Abenteurer und Gangster in der Jetset-Gesellschaft zu behaupten versucht. Noch im selben Jahr entstand "Negresco*** - Eine tödliche Affäre", in dem ein erfolgloser Fotograf über seine Beziehung zu einer mondänen Frau in die High Society aufsteigen will. Nach dem Misserfolg dieser zwei Kinofilme aus der großen weiten Welt blieb Lemke laut Ponkie "festgewachsen in der Leopoldstraße" und begann für Fernsehanstalten zu arbeiten. Mit seinem ersten Film für den WDR sorgte er 1968 für einen Skandal: "Brandstifter" reagierte unmittelbar auf den Berliner Kaufhausanschlag von Gudrun Ensslin und Andreas Baader, den Lemke persönlich kannte.

Lemke grenzte sich mit seinem energischen Stil deutlich von der ersten Erneuerer-Generation des "Oberhauser Manifests" ab, deren Werke er bereits wieder als "Väter-Filme" empfand. Tendenzen wie die Literaturverfilmungen Schlöndorffs waren ihm zuwider, ebenso bemühtes soziales Engagement. Doch trotz seiner cinephilen Neigung zur Pose und zum Genre, der die Münchner ohnehin von anderen Vertretern des Neuen Deutschen Films unterschied, hatte er sein ganz eigenes Interesse an roher "Wirklichkeit". Neben dem bewussten Verzicht auf ausgearbeitete Drehbücher und perfekte Inszenierung wurde die Arbeit mit Laiendarstellern zu seinem Markenzeichen – zugespitzt in Lemkes Aussage, er interessiere sich nicht für Schauspieler, sondern für "richtige Menschen" und ihre Geschichten, die er in seinem direkten Umfeld und "auf der Straße" finde.

Ab 1975 drehte Lemke mehrere Filme mit Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek, darunter den Grimme-prämierten "Amore" (1977/1978), in dem eine unscheinbare Gemüsehändlerin gegen einen Vorstadtcasanova zu Felde zieht. Mit Cleo Kretschmer war Lemke auch durch eine langjährige private Beziehung verbunden. Er gilt außerdem als Entdecker von Iris Berben und Christine Zierl alias "Dolly Dollar". Neben seinem Hang zur Wahlheimat München und zur bayerischen Provinz wurde auch Hamburg ein wichtiger Schauplatz für Lemke. Eine eingeschworene Fangemeinde sicherte ihm vor allem "Rocker" (1972), in dem ein alternder, gerade haftentlassener Kleinkrimineller mit seiner Motorradgang den Kiez unsicher macht.

Nach einem Karriereknick infolge eines Kokainprozesses in den 1980er Jahren gelang Lemke 1992 wieder ein Erfolg mit "Die Ratte", der ebenfalls im Hamburger Rotlichtmilieu angesiedelt ist. Auch zwei seiner jüngsten Filme spielen in der Hansestadt: "Träum weiter, Julia!" und "3 Minuten Heroes", der über Laienimprovisationen Alltagsschicksale rund um St. Pauli in den Blick rückt. Seine "Guerilla-Taktik", mit kleinem Budget, ohne Gremiensubventionen und ohne professionelle Schauspieler zu drehen, hat er sich über lange Jahre kontinuierlicher Fernseharbeit hinweg erhalten. Und "Last Minute Jamaika" (2002) über zwei Münchner Praktikantinnen, die Urlaub in der Karibik machen, brachte ihn zumindest wieder in die Nähe von Acapulco, wo seine Kinolaufbahn begann. In einem unterhaltsamen Interview anlässlich seines 65. Geburtstages 2005 räumte er aber auch ein, sogar dem "uncoolen" Deutschland coole Aspekte abgewinnen zu können.

Dies stellte er in seinem nächsten Film dann auch gleich unter Beweis: die Sommerkomödie "Träum weiter, Julia", mit Timo Jacobs und der Laiendarstellerin Julia Spitzner in den Hauptrollen, erzählt von einer jungen Frau, die mit einem ungewöhnlichen Trick einen berüchtigten Frauenhelden ganz für sich alleine zu gewinnen versucht. Mit "3 Minuten Heroes", einem Episodenfilm aus dem Hamburger Rotlichtmilieu, und "Finale", einer Liebesgeschichte zwischen einer aufstrebenden Schauspielerin und einer jungen Prostituierten, blieb er ebenfalls seinem improvisatorischen Stil treu und arbeitete einmal mehr fast ausschließlich mit Amateurdarstellern. Eine klassisch anmutenden Dreiecksgeschichte erzählte er in "Undercover Ibiza": Lemke spielt darin einen Oberst im Ruhestand, der unter dem Vorwand, seinen auf Ibiza verschollenen Sohn zu suchen, dessen Geliebte verführt.

Mit "Dancing with Devils" (2008) legte er dann einen atmosphärischen Genrefilm à la Klaus Lemke vor: im Mittelpunkt steht eine junge Frau, die nach ihrer Haftentlassung im Hamburger Kiezmilieu einen Neuanfang versucht und von der rachsüchtigen Freundin jenes Mannes verfolgt wird, dem sie einst tatenlos beim Sterben zusah. Bei "Schmutziger Süden" (2010) kehrte Lemke nach München zurück und erzählte von einem jungen Mann aus Hamburg, der in der Isar-Metropole schöne Frauen verführen will. Sehr schnell aber merkt er, dass die Mädchen von heute ganz anders sind als jene von früher.

Unermüdlich dreht Lemke auch mit über 70 Jahren noch weiter: 2011 legte er die Tragikomödie "3 Kreuze für einen Bestseller" vor, über eine Schriftstellerin, die gänzlich talentfrei ist. Im Februar 2012 feierte "Berlin für Helden" Premiere, "ein Berlin-Film aus Münchner Sicht" (Harald Martenstein) über eine Reihe junger Menschen, die in die Hauptstadt kommen, auf der Suche nach Geld und schnellem Sex. In einem bewussten Schachzug Lemkes fand die Uraufführung direkt vor der Berlinale statt, zu der sein Film nicht eingeladen wurde – obwohl Klaus Lemke nicht wenigen Kritikern als einer der letzten authentischen Autorenfilmer Deutschlands gilt. In einer Protestaktion bei der Berlinale-Eröffnungsfeier streckte Lemke den Premierengästen seinen nackten Hintern entgegen, dem Festivaldirektor Dieter Kosslick riet er, besser eine "Koch-Olympiade zu veranstalten".
"Berlin für Helden" startete im April 2012 in den deutschen Kinos.

Auf dem Filmfest München 2014 widmete ihm der neue Kurator Christoph Gröner eine eigene Sonderreihe als Hommage – nachdem Lemke von dem Festival zuvor stets ignoriert wurde. Lemkes folgende Filme feierten dann alle beim Münchner Filmfest Premiere. 

Und Filme realisierte er in den nächsten Jahren weiterhin unermüdlich, wie gewohnt als Low-Budget-Produktionen: die Berliner Gaunergeschichte "Kein großes Ding" (2014), die stürmische Ménage-à-trois "Unterwäschelügen" (2016), die selbstreflexive Filmemacher-Story "Making Judith!" (2017), die Frauenpower-Geschichte "Bad Girl Avenue" (2018) und "Neue Götter in der Maxvorstadt", der die Kunst- und Modeszene ins Visier nahm. Die letzten drei Filme entstanden alle in unmittelbarer Umgebung von Lemkes Münchner Wohnung. Bei einem Pop-Up-Event des auf Grund der Corona-Pandemie abgesagten Filmfests München 2020 wurde – wenige Monate vor Lemkes 80. Geburtstag – "Ein Callgirl für Geister" uraufgeführt.

Klaus Lemke starb am 7. Juli 2022, nur einen Tag nach der TV-Veröffentlichung seines letzten Films "Champagner für die Augen - Gift für den Rest", einer Hommage an den Lebensstil der 1970er-Jahre anhand von Ausschnitten seiner eigenen Werke.

Filmography
2021/2022
Champagner für die Augen - Gift für den Rest
  • Mitwirkung
  • Regie
  • Produzent
2020
Ein Callgirl für Geister
  • Regie
  • Drehbuch
2020
Bad Boy Lemke
  • Darsteller
  • Regie
2018/2019
Neue Götter in der Maxvorstadt
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2017/2018
Bad Girl Avenue
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2016/2017
Making Judith!
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2016/2017
Offene Wunde Deutscher Film
  • Mitwirkung
2014-2016
Unterwäschelügen
  • Regie
  • Drehbuch
2015/2016
Zeigen was man liebt
  • Mitwirkung
2014-2016
Verfluchte Liebe Deutscher Film
  • Mitwirkung
2013
Kein großes Ding
  • Regie
  • Drehbuch
2011/2012
Berlin für Helden
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2011
13 X Glück
  • Regie
2011
3 Kreuze für einen Bestseller
  • Regie
  • Drehbuch
2009/2010
Schmutziger Süden
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2007/2008
Dancing with Devils
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2006/2007
Finale
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
2007
Undercover Ibiza
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
2005/2006
Er sollte tot ...
  • Darsteller
2005
Die Quereinsteigerinnen
  • Darsteller
2005
Träum weiter, Julia!
  • Regie
  • Drehbuch
2003
Die weiss-blaue Leichtigkeit des Seins
  • Mitwirkung
2002
Last Minute Jamaika
  • Regie
  • Drehbuch
2001/2002
Running Out of Cool
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
2001/2002
Never Go to Goa
  • Mitwirkung
  • Regie
  • Drehbuch
2000/2001
Die Leopoldstrasse Kills Me
  • Mitwirkung
  • Regie
  • Drehbuch
1998
Rasta-basta
  • Regie
1995
Das Flittchen und der Totengräber
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1993
Das Sahara-Projekt
  • Darsteller
1993
Peter Przygodda, Schnittmeister
  • Mitwirkung
1992/1993
Die Ratte
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1992
Wir Enkelkinder
  • Darsteller
1990/1991
Bis ans Ende der Nacht
  • Darsteller
1988/1989
Ein verhexter Sommer
  • Regie
1988
Zockerexpress
  • Regie
  • Drehbuch
1985/1986
Bibos Männer
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1985
Der Formel Eins Film
  • Darsteller
1984/1985
Das Wunder
  • Darsteller
1982/1983
Der Kleine
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
1981
Wie die Weltmeister
  • Regie
  • Drehbuch
1980
Douglas Sirk : Über Stars
  • Mitwirkung
1980
Flitterwochen
  • Regie
  • Drehbuch
1979
Arabische Nächte
  • Regie
  • Drehbuch
1978/1979
Der Allerletzte!
  • Regie
  • Drehbuch
1978/1979
Ein komischer Heiliger
  • Regie
  • Drehbuch
1977/1978
Amore
  • Regie
  • Drehbuch
1976/1977
Die Sweethearts
  • Regie
  • Drehbuch
1977
Moto-Cross
  • Regie
  • Drehbuch
1975
Idole
  • Regie
  • Drehbuch
1974/1975
Teenager-Liebe
  • Regie
  • Drehbuch
1975
Textima-Anlagen für heute und morgen
  • Dialog-Regie
1974
Paul
  • Regie
  • Drehbuch
1973
Sylvie
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
1972
Der Mafia-Boss - Sie töten wie Schakale
  • Regie-Assistenz
1971/1972
Rocker
  • Regie
  • Drehbuch
1971
Liebe so schön wie Liebe
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1970/1971
Terror Desire
  • Darsteller
1970/1971
Supergirl
  • Darsteller
1969/1970
Ein großer graublauer Vogel
  • Darsteller
1970
Sehnsucht
  • Co-Produzent
1970
Mein schönes kurzes Leben
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
1970
Eine Rose für Jane
  • Darsteller
1968/1969
Die Geschäftsfreunde
  • Darsteller
1969
Brandstifter
  • Darsteller
  • Regie
  • Drehbuch
1969
Der Kerl liebt mich - und das soll ich glauben?
  • Drehbuch
1968
Anatahan, Anatahan
  • Darsteller
1967/1968
Negresco **** - Eine tödliche Affäre
  • Regie
  • Drehbuch
1968
Ein anständiges Mädchen
  • Darsteller
1967
Galaxis
  • Darsteller
1967
Sabine 18
  • Darsteller
1966
Ein Haus am Meer
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
1967
48 Stunden bis Acapulco
  • Regie
1967
Auftrag ohne Nummer
  • Darsteller
  • Produktionsleitung
1967
Die Kapitulation
  • Darsteller
1966/1967
Operation Grünwald
  • Darsteller
1966
Flug 601
  • Darsteller
  • Produktionsleitung
1966
Der Brief
  • Darsteller
1966
Duell
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
1966
Henker Tom
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
1965/1966
Kleine Front
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
1966
Flipper
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1965/1966
Drei
  • Regie
  • Drehbuch
1964
Die Versöhnung
  • Darsteller
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Produzent
1965
Frühstück in Rom
  • Darsteller
  • Produzent
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