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Crash, der als Kind beide Elternteile bei einem Autounfall verlor, arbeitet als Rettungsassistent in Köln. Anders als seine Kollegen, die ihre beruflichen Erlebnisse mit radikalen Methoden verarbeiten, wird Crash bis in seine Träume von seinem aufreibenden Arbeitsalltag verfolgt. Erst als er bei einem Einsatz die hübsche November kennen lernt, die er zuvor bereits in seinen Träumen gesehen hatte, scheint Crash in ein normales Leben zurück zu finden. Dann aber droht sich die Geschichte zu wiederholen ...
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„Wenn einem im Leben nichts mehr bleibt, kann man nur noch zwei Dinge tun: Einatmen und Ausatmen.“ Diesen klugen Satz seiner bisweilen etwas verwirrten, ja hilflosen Oma, bei der der mit sieben Jahren zum Waisen gewordene Paul aufgewachsen ist, macht dieser sich zur Lebensmaxime. Der Autounfall ist für Crash, so Pauls späterer (Spott-) Name, ein geradezu traumatisches Ereignis, das der inzwischen 26-Jährige bis heute nicht verkraftet hat.
Crash arbeitet es sozusagen beruflich ab, als Rettungssanitäter in Köln. Indem er anderen das Leben rettet, so seine Hoffnung, kann der von Alpträumen Heimgesuchte selbst etwas zu seiner eigenen Rettung, wenn nicht gar Erlösung, beitragen. Jeden Tag sind Crash und seine Kollegen Fido und Richie aufs Neue mit dem harten Berufsalltag konfrontiert, mit Kummer und Leid, Krankheit, Sucht und Tod. Und nicht immer hilft Omas Lebensweisheit weiter wie im für Crash besonders tragischen Fall einer jungen Selbstmörderin (Laura Syniawa), die er schon so gut wie gerettet hatte auf dem Dach eines Hochhauses...
Um diese massive seelische Belastung durchzustehen, hat das Trio eigene Abwehrmethoden entwickelt. Dem Zyniker Fido ist schon lange nichts mehr heilig, auch die eigene Familie nicht. Emotionen lässt er an sich abprallen, indem er sich schlichtweg weigert, selbst existenzielle Notsituationen wie die einer vom Ehemann verprügelten türkischen Frau oder die eines betrunkenen, hilflosen „Penners“ in der Gosse (eindrucksvoll: Volker Spengler) als solche anzuerkennen.
Richie dagegen nimmt Drogen, und dabei darf es durchaus auch eine neue Mixtur aus dem Medikamentenvorrat des Einsatzfahrzeugs sein. Zu derartigen Hilfsmitteln braucht Crash nicht zu greifen, doch das ist kein Glück: Seine Alpträume, die ihn bisweilen auch am Tag verfolgen, etwa wenn er in jeder freien Minute mit seinem Skateboard unterwegs ist, dürften Richies Halluzinationen in nichts nachstehen. Darin tauchen nicht nur immer neue Variationen des Autounfalls seiner Kindheit auf, sondern auch eine Frau, die ihn mit ausgebreiteten Armen magisch anzuziehen scheint. Und die ihn offenbar daran hindert, eine feste Beziehung mit seiner Freundin, einer Krankenschwester von der anderen Rheinseite, einzugehen.
Bei einem Routine-Einsatz vermischen sich plötzlich Traum und Wirklichkeit: Tommy dröhnt sich trotz der Tatsache, dass seine hochschwangere Freundin November all' seine Zuwendung braucht, dermaßen zu, dass alle Reanimationsversuche von Crash und der später hinzugezogenen Notfallärztin (Bibiana Beglau als „Dr. Tod“) vergeblich bleiben. Crash erkennt in November die Frau, die ihn seit Jahren im Traum verfolgt.
In der Tat scheint es ein unsichtbares Band zwischen beiden zu geben, denn nach mehreren vergeblichen Versuchen treffen sie sich mitten in der Nacht an der Halfpipe. Ein junges, verliebtes, übermütiges Paar. Crash bringt November mit dem Auto nach Hause. Sollte sich Pauls Kindheitstrauma wiederholen? So einfach macht es uns der 28-jährige Regiedebütant dann doch nicht...
Hendrik Hölzemann, bekannt als Drehbuchautor für Benjamin Quabecks preisgekrönten Film „Nichts bereuen“ (2001), hat mit „Kammerflimmern“ trotz der nicht zu leugnenden Nähe zu Martin Scorseses Streifen „Nächte der Erinnerung“ („Bringing Out the Dead“) ein bemerkenswertes Regiedebut hingelegt. Mit einem großartigen, nachhaltig beeindruckend bebilderten Finale (Kamera: Lars Liebold und Grischa Schmitz), das auf den Anfang des Films zurückverweist und dennoch einen neuen Anfang für sämtliche Protagonisten bedeutet...
Der im Film so realistisch geschilderte Arbeitsalltag im Rettungsdienst fußt im übrigen auf eigenen Erfahrungen Hölzemanns als Zivildienstleistender. Beim Bayerischen Filmpreis 2005 wurden Jessica Schwarz als beste weibliche Darstellerin und Matthias Schweighöfer als bester männlicher Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. In einer kleinen Nebenrolle als Nervenarzt von Pauls Großmutter glänzt Ulrich Noethen.
Pitt Herrmann