Menschen am Sonntag
Moriz Seeler, der künstlerische Leiter des "Filmstudio 1929"
Moriz Seeler wurde am 1. März 1896 in Greifenberg/Pommern geboren. In Berlin machte er seinen Doktor in Germanistik, veröffentlichte Gedichte, war Theater-Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften und Tageszeitungen und zudem Stammgast in den wichtigsten Künstlercafés. 1922 gründete er die "Junge Bühne" als Theater ohne festes Ensemble, das Sonntagsmatineen in großen Häusern veranstaltete und sich als Talentschmiede großer Beliebtheit erfreute. 1927 steuerte er Texte für die erfolgreiche Revue "Bei uns um die Gedächtniskirche rum" von Friedrich Hollaender bei. Warum er sich zwei Jahre später in das finanziell ungewisse Film-Abenteuer "Menschen am Sonntag" stürzte, ist nicht bekannt. Max Krell, Lektor des Ullstein-Buchverlages, erinnerte sich, dass ihm Seeler im Romanischen Café die Idee zu diesem Film vortrug, "die er bisher nur in Stichworten niedergelegt hatte. Er war damit zur Ufa gegangen, die ihn nach wenigen Minuten hinausgeworfen hatte. [...] Ich bat Seeler, das Thema selber ausführlicher niederzuschreiben oder von dritter Hand schreiben zu lassen, damit seine Rechte geschützt werden könnten. Und dann ging ich auf die Reise zu den Filmdramaturgen." (Max Krell, S. 229f) Leider ohne Erfolg.
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Quelle: Jeanpaul Goergen |
Moriz Seeler wird als künstlerischer Leiter des "Filmstudios 1929" vorgestellt (Die Revue des Monats, April 1930) |
Filmstudio 1929. Im Juni 1929 meldete die Filmfachpresse die Gründung des "Filmstudio 1929": "Unter dieser Flagge sollen unter der Leitung von Moritz Seeler, Robert Siodmak und Edgar Ulmer auf genossenschaftlicher Basis Experimentierfilme hergestellt werden. Das "Filmstudio 1929" wird völlig unabhängig von den Bedingungen der Filmindustrie arbeiten und beginnt seine Tätigkeit mit dem Film "Sommer 1929", der ausschließlich mit Nichtschauspielern besetzt ist." (LichtBildBühne, Nr. 147/1929) Vermutlich war das Unternehmen aber keine eingetragene Genossenschaft; es dürfte sich vielmehr um einen projektorientierten Zusammenschluss gehandelt haben, dessen finanzielle Basis und die Aufgaben und Verpflichtungen der Beteiligten aber wohl schriftlich festgehalten waren.
Bereits 1919 hatte Victor E. Pordes für den Einsatz von "wirklichen Typen" statt Schauspielern plädiert, allerdings nur dort, wo sie keine wichtigen schauspielerischen Leistungen zu erbringen hätten. Anfang 1929 besetzte Werner Hochbaum in seinem im Hamburger Hafenarbeiterstreik 1896/97 angesiedelten Film "Brüder" erstmalig die Hauptrollen mit echten Hafenarbeitern; mehr noch: Sämtliche Mitwirkenden standen zum ersten Mal vor der Kamera. Seeler könnte diesen Film gesehen haben und von ihm auch die Anregung, dieses Experiment zu wiederholen – allerdings nicht in einem konventionellen Spielfilm wie Hochbaum, sondern mit einem Gegenwartsthema. Das passende Format fand er im Dokumentarischen, in der Reportage, im Ausprobieren eines neuen, in der Wirklichkeit angesiedelten Erzählformats.
Nach der Gründung des "Filmstudio 1929" rief der Journalist und Filmkritiker Hans Tasiemka aus: "Also, los Seeler, machen Sie was Vernünftiges!" Denn: "Moriz Seeler hat immer seine Hände im Spiel gehabt, wenn es galt, jungen und neuen Ideen der Literatur und des Theaters zum Siege zu verhelfen. – Seeler hat die Junge Bühne gegründet, und mit ihr die Dichter [Arnolt] Bronnen und [Bertolt] Brecht durchgesetzt. Er hat Marieluise Fleißer gemanaged, und selbst seine Misserfolge waren Taten. [...] Und nun pirscht sich dieser ewig experimentierende, ewig entdeckende Seeler an den Film heran. Er macht ein Filmstudio auf. Er will mit unbekannten Menschen Filme drehen, Filme des täglichen Lebens. Menschen, wie sie in Wirklichkeit sind, also Berichte aus der Wirklichkeit. Wie weit seine Erfahrung dazu reichen wird, muss die Praxis zeigen. Sein Mut ist groß, und seine Kenntnis der Dinge im theoretischen Sinne auch. Ich glaube an sein Fingerspitzengefühl und an seinen Blick für das Richtige." (Reichsfilmblatt, Nr. 26/1929)
Viel – abweichendes und widersprüchliches – ist im Nachhinein von den Beteiligten über die Entstehungsgeschichte von "Menschen am Sonntag" und ihren jeweiligen Anteil an dem Film gesagt und geschrieben worden. (Bellour, S.12) Hier soll nur versucht werden, den allzu oft übergangenen Beitrag von Moriz Seeler sowie seine weiteren Filmaktivitäten herauszuarbeiten. Leider sind hierzu nur verstreute Texte aus der Filmfachpresse überliefert. Der 1942 von den Nationalsozialisten ermordete Seeler war lange vergessen und gelangte erst durch die Arbeiten des Journalisten Günther Elbin (1998) und vor allem des Filmhistorikers Wolfgang Jacobsen (2015) wieder ins Bewusstsein.
Spurensuche im Firmengeflecht. Das "Filmstudio 1929" war weder im Handelsregister eingetragen noch ist es in den Berliner Adress- und Telefonbüchern nachweisbar. Laut Zulassungskarte der Berliner Filmprüfstelle zu "Menschen am Sonntag" vom 29. Januar 1930; hatte es seinen Sitz in Berlin SW 48, Friedrichstraße 24. Unter dieser Anschrift firmierte aber auch der Verleiher des Films, die Stein-Film GmbH mit ihrer Abteilung Vertrieb und Produktion, wie aus einer Anzeige im Film-Kurier (Nr. 221/1929) hervorgeht.
Überliefert ist in der Deutschen Kinemathek zudem ein Briefbogen des "Filmstudio 1929" von Juli 1929 mit der Anschrift "Berlin SW 68, Markgrafenstraße 21" und den beiden Telefonnummern Dönhoff 2384/2385. Ausweislich des zur Uraufführung von "Menschen am Sonntag" am 4. Februar 1930 erschienenen Filmprogramms hatte unter dieser Anschrift und mit diesen Rufnummern auch die Stein-Film GmbH einen weiteren Sitz. Dort und mit den gleichen Telefonnummern waren Anfang 1929, zeitgenössischen Inseraten zufolge, noch die Verleihabteilung der Länder-Film GmbH sowie die Ideal-Film GmbH zu erreichen. Letztere war auch über die Telegramm-Adresse "Filmnebenzahl" zu erreiche, wobei "Nebenzahl" sich auf den Produzenten Heinrich Nebenzahl, den Inhaber der Ideal-Film, bezieht. Als Cousin von Robert Siodmak (Hughes, S. 18) unterstützte er die Herstellung von "Menschen am Sonntag" mit 5.000 Mark. Zum Vergleich: Ein Film mit dem Sensationsdarsteller Harry Piel hätte 200.000 Mark gekostet. (Elbin, S. 87, Jacobsen, S. 99) Das Branchen-Fernsprechbuch 1930 für Berlin weist außerdem unter der Rufnummer Dönhoff 2384 noch eine Merkur-Film GmbH nach. Irgendwo innerhalb dieses heute wohl nicht mehr aufzuschlüsselnden Firmengeflechts agierte das "Filmstudio 1929".
Künstlerische Leitung. "Moriz Seelers Filmstudio" titelte der Film-Kurier (Nr. 166/1929), um über die ersten Filmideen des Studios zu berichten: "Das erste Manuskript, eine Weekendangelegenheit, wird von den Mitgliedern gemeinsam ausgearbeitet." Es handele sich um eine "Weekendangelegenheit", in der keine Schauspieler, sondern "optisch geeignete Typen" mitwirken: "Auf große mimische Verwendbarkeit wird weniger Wert gelegt als auf die Echtheit." Ergänzt werde die Spielhandlung durch "ungestellte" Aufnahmen aus Berlin. In der Folgezeit werden einige Filmtitel abgeschmeckt und der Presse mitgeteilt: "Junge Leute wie alle" (Kinematograph, Nr. 154/1929) und "So ist es und nicht anders" (Film-Kurier, Nr. 170/1929).
Die der Filmavantgarde wohlgesonnene Filmzeitschrift Film-Kurier veröffentlichte Ende Juli eine knappe Inhaltsangabe, die dem Duktus nach zu urteilen vom "Filmstudio 1929" stammen dürfte: "Eine kleine, einfache Geschichte von Dutzendmenschen, eine Geschichte, die mir und dir und tausend anderen passiert. Millionen Fäden laufen in einer Weltstadt zusammen. Millionen Schicksale, die gar nicht anders sind als die unseren. Einigen dieser Fäden sind wir nachgegangen, haben sie in ganz naturalistischer Reportage aufgezeichnet und wollen sie ebenso drehen. Die Menschen spielen sich zum erstenmal selbst: das heißt, dass auf die Mitwirkung seitens eines Schauspielers verzichtet wird." Und das Blatt ergänzte: "Wenn es gelungen ist, die Wirklichkeit mit der Kamera einzufangen, ungestellte Vorgänge, typische Einzelheiten ohne Wissen der Agierenden zu drehen, dann glaubt das Filmstudio 1929 nichts umsonst getan zu haben. Nichts kann mehr Lob bedeuten, als die Überzeugung des Publikums: so ist es und nicht anders." (Nr. 177/1929)
Vieles deutet darauf hin, dass Seelers Beitrag zu "Menschen am Sonntag" deutlich über seinen Anteil als Mitbegründer des "Filmstudios 1929" hinausging. Eine Anzeige der Stein-Film im Film-Kurier (Nr. 221/1929) ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich. Der Film wird noch unter seinem Arbeitstitel "So ist es und nicht anders" vorgestellt, zusammen mit der Werbezeile "Eine Reportagefilm aus einer Weltstadt". Weiter heißt es: "Erster Film des Film-Studio 1929 / Künstlerische Leitung: Dr. Seeler / Optik und Bild: Eugen Schüfftan / Regie: R. Siodmak und E. G. Ulmer". Die Anzeige hebt "Dr. Seeler" durch größere Schrift und Fettdruck markant hervor und unterstreicht somit seine führende Position innerhalb des Filmkollektivs.
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Quelle: Jeanpaul Goergen |
Vorankündigung von "Menschen am Sonntag" im Film-Kurier vom 17. September 1929 |
Auch eines der seltenen Porträtfotos von Seeler, erschienen im April 1930 in der Revue des Monats, stellt ihn als "künstlerischen Leiter" des Studios vor. Später verkürzte der Filmvorspann Seelers Rolle auf "Leitung". Nicht nur das Reichsfilmblatt interpretierte diese Angabe als "Produktionsleitung" – eine wichtige organisatorische Tätigkeit beim Film, aber keine mit einem wesentlichen Einfluss auf dessen künstlerische Anlage und Ausführung. (Nr. 48/1929) Noch 2025 übernimmt Hughes in seinem Buch über "Menschen am Sonntag" diese Lesart und gibt an, Seeler habe eingewilligt "to take the lead in production, including administration, logistics, casting and contracts, aided by Robert Siodmak." (S. 25)
Zuschreibungen sowohl in den Credits als auch in der Werbung sind aber stets Ausdruck von Absprachen, auch von Machtverhältnissen innerhalb der Produktion. Als "Menschen am Sonntag" beispielsweise im Mai 1930 in Paris als "Les Hommes, le dimanche" bzw. "Vive Dimanche" läuft, wird nur Moriz Seeler als Regisseur angeführt; eine Besprechung sieht in ihm gar "un grand nom du cinéma de demain." (Roger Blin, 1939) Die Rezeption von "Menschen am Sonntag" im Ausland bleibt aber noch zu erforschen.
Es ist kaum vorstellbar, dass der Theatermann Seeler sich nicht in die Inszenierung des Films einmischte, zumal er auch am Theater "als nicht genannter Dramaturg" (Jacobsen, S. 63) im Hintergrund eingriff. Dem Schweizer Filmhistoriker Hervé Dumont zufolge dürfte Seeler "wesentlich zur halbdokumentarischen, auf Anonymität der Darsteller bestehenden Orientierung beigetragen haben." (Dumont, S. 150) Seeler habe auch die Laiendarsteller ausgesucht, wie sich Brigitte Borchert, die im Film die Schallplattenverkäuferin spielte, später erinnerte. Kurz und prägnant formuliert Jacobsen: "Seeler war immer dabei." (S. 103)
Neue Prominenz. Nach dem Erfolg von "Menschen am Sonntag" standen nicht die beiden Regisseure Siodmak und Ulmer, sondern Moriz Seeler im Mittelpunkt des Medieninteresses. Der Schriftsteller Bernhard von Brentano interviewte ihn am Berliner Rundfunk, der Reporter Paul Laven unterhielt sich mit ihm am Frankfurter Sender. Seeler wollte sich mit dem Filmstudio 1929 weiter engagieren, hatte schon neue Ideen parat. Zwei Sujets über die Wunschträume der Massen sowie über einen Mann vom flachen Lande, den Berlin verschluckt, waren angedacht, die Arbeitstitel standen bereits fest: "So lebt Herr Sowieso" und "Berlin schluckt Erich Wiemann". (LichtBildBühne, Nr. 58/1930, Nr. 76/1930) Robert Siodmak seinerseits erwähnte einen New-York-Film, "den er in Gemeinschaft mit seinen Studio-Partnern" (Dolbin) realisieren wollte.
Im April 1930 befragte die Zeitschrift Der Film (Nr. 16/1930) neben Béla Balazs, Carl Junghans und Kurt Weill auch Moriz Seeler – "Köpfe, die über jede Phrase hinaus am Film interessiert sind und ihre uneigennützige Liebe zum Film bewiesen haben" – zur Entwicklung des Tonfilms. Seeler plädierte für ein Kino, das seine technische Bedingtheit nicht als Attraktion präsentiert, sondern diese nutzt, um sie unsichtbar zu machen: "Die Technik ist eine großartige Angelegenheit; aber so lange noch, wie zum Beispiel beim Tonfilm, das technische Wunder als solches, die technische Vervollkommnung um ihrer selbst willen bestaunt wird, ist sie gar nichts. Der Sinn aller Technik kann nur darin bestehen, vergessen zu machen, dass es sie gibt." Es ist der einzige bisher bekannte Text Seelers zum Thema Film.
Im Mai 1930 meldete der Film-Kurier, Seelers "Filmstudio 1929" plane, die "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill als Tonfilm herauszubringen. (Nr. 109/1930) Bert Brecht und der Verlag Felix Bloch Erben wollten, so war an anderer Stelle zu lesen, das Stück "als Studiofilm im Rahmen der Terra-Produktion unter der Regie von Moritz Seeler drehen." (LichtBildBühne, Nr. 67/1931) Dieses Ansinnen belegt sowohl die Wertschätzung, die Seeler entgegengebracht wurde, als auch das Vertrauen in seine künstlerischen Fähigkeiten, die er nun auch im Tonfilm beweisen sollte. Das Vorhaben scheiterte, da der Verlag Felix Bloch Erben sich für die Nero-Film AG entschied, die dann G.W. Pabst zum Regisseur bestimmte.
Anfang 1931 verklagte Seeler den Verlag Felix Bloch Erben wegen des entgangenen Regiehonorars auf Schadenersatz. (LichtBildBühne, Nr. 67/1931) Zwischenzeitlich hatte es noch geheißen, Brecht und Weill wollten Seeler bei der Verfilmung durch die Nero-Film "mit heranziehen." (Film-Kurier, Nr. 122/1930) Die Neue Mannheimer Zeitung (Nr. 237/1930) ergänzte diese Meldung mit dem Hinweis, dass Seeler in seinem "Filmstudio 1929" nun eine neue, selbständige Studioarbeit herausbringen werde. Volte der Filmgeschichte: Gründer der Nero-Film war niemand anders als Heinrich Nebenzahl, der mit seiner Geldspritze zum Gelingen von "Menschen am Sonntag" beigetragen hatte und nun Seeler und sein Filmstudio bei der Verfilmung der Dreigroschenoper ausbootete.
Anstifter im Hintergrund. Paul Marcus charakterisierte Moriz Seeler Anfang 1931 als "Anstifter im Hintergrund". Er bezog sich dabei auf den Karrieresprung von Robert Siodmak und Billie Wilder nach dem Erfolg von "Menschen am Sonntag" und fragte, "warum der Anstifter des Ganzen, der Gründer dieser Studios, Moriz Seeler, noch immer nicht in die Produktion eingereiht ist!!?? Der kleine Mann, – gewiss, aus dem Romanischen Kaffee, ich weiß... der schließlich mit vieler Mühe den anderen den Weg ermöglicht hat, steht immer noch abseits. Da stimmt doch was nicht. Hat er gar keinen Anteil, gar keine Verdienste? Der große Erich Pommer hat neulich mal gemeint, er kenne ihn gar nicht, den kleinen Seeler, dem er schließlich und endlich die Zwei verdankt. Also, wenn Sie mal Zeit haben, lieber Herr, lassen Sie ihn sich mal kommen, nicht wahr?! Kennenlernen würde ich ihn am Ende doch wollen..." (Der Film, (Nr. 5/1931)
In der Folgezeit ist von mehreren Projekten zu lesen. Im Februar 1931 veröffentlichte der Erzähler Hans Kafka im Film-Kurier die Skizze eines noch zu schreibenden soziologischen Romans, den er für das Anfang des Jahres von Carl Froelich gegründete Filmstudio inszenieren wollte. Titel des Films, dessen Anlage stark als "Menschen am Sonntag" erinnert: "Einmal im Leben"; Darsteller: junge, unbekannte Schauspieler; Handlung: Im Jahr 1931 verlieben sich ein junger Mann und ein junges Mädchen ineinander, beide Hochstapler, ohne dies aber voneinander zu wissen. Umsetzung: Spielhandlung mit Reportage-Material. Im 12-Uhr-Blatt meldete der Filmkritiker Paul Marcus, dass Seeler als "kritisches Regulativ" mitwirken solle. (Vgl. Jacobsen, S. 114) Auch dieses Projekt zerschlug sich; die erste Arbeit des Froelich-Studios war 1931 "Mädchen in Uniform".
Am 12. August 1931 verbreitete der Film-Kurier (Nr. 187) eine weitere Notiz, der zufolge "Moriz Seeler, der Vater des Studio-Films in Deutschland, nebenbei auch Freund und Propagandist von Marlene Dietrich", eine Einladung nach Russland erhalten habe. Ob diese Reise in Zusammenhang mit Filmplänen stand und ob er sie auch angetreten hat, ist nicht bekannt.
Im Mai 1932 erscheint Moriz Seeler ein letztes Mal mit einem Filmprojekt in der Öffentlichkeit. Der Schauspieler Peter Lorre plante in seiner Heimat, den Waldkarpathen, einen Film mit dem Arbeitstitel "Ein Caspar Hauser von Heute" zu drehen. Zum Stab des Peter-Lorre-Kollektivs sollten neben dem Publizisten Axel Eggebrecht und dem Produzenten Ernst Wolff auch Moriz Seeler gehören. (LichtBildBühne, Nr. 122/1932)
Nach 1933 arbeitete Seeler als Regisseur beim jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr in Köln, lebte abwechselnd in Wien und Prag. "Hartnäckigerweise [kehrte er] immer wieder nach seinem geliebten Berlin zurück, wo er schließlich ein Opfer der Nazimörder wurde." (Kaul, 1947) Moriz Seeler wird am 15. August 1942 deportiert und vermutlich am 18. August 1942 in einem Wald bei Riga ermordet. (Jacobsen, S. 161 ff)
(Jeanpaul Goergen, April 2025)
Archive:
Zulassungskarte der Filmprüfstelle Berlin, Nr. 24927 vom 29.1.1930 zum Vorspannfilm zu "Menschen am Sonntag" (BArch R 9346-I/17010)
Zulassungskarte der Filmprüfstelle Berlin, Nr. 24926 vom 29.1.1930 zu "Menschen am Sonntag" (Deutsche Kinemathek, Schriftgutarchiv)
Sammlung Brigitte Borchert (Deutsche Kinemathek)
Literatur:
Dr. Victor E. Pordes: Das Lichtspiel. Wesen – Dramaturgie – Regie. Wien: Verlag R. Lechner (Wilhelm Müller), Universitätsbuchhandlung 1919
Kinematograph, Nr. 75, 31.3.1929 (Anzeige der Länder-Film zu dem Aufklärungsfilm "Die Ehe")
Filmstudio 1929. In: LichtBildBühne, Nr. 147, 21.6.1929
Hans Tasiemka: Seeler. In: Reichsfilmblatt, Nr. 26, 29.6.1929, S. 23
Von deutscher Filmarbeit XVII. Experimental und Studio-Filme. In: Film-Kurier, Nr. 166, 15.7.1929 [Moriz Seelers Filmstudio]
Filmstudio 1929 dreht. In: Kinematograph, Nr. 154, 5.7.1929
"So ist es und nicht anders" In: Film-Kurier, Nr. 170, 19.7.1929
Die Avant-Garde. So ist es und nicht anders. In: Film-Kurier, Nr. 177, 27.7.1929
Kinematograph, Nr. 215, 15.9.1929 (Anzeige der Ideal-Film für den Film "Stud. chem. Helene Willfüer")
Soeben fertiggestellt: So ist es und nicht anders. In: Film-Kurier, Nr. 221, 17.9.1929 (Anzeige der Stein-Film GmbH, Berlin)
Pem [Paul Marcus]: Vier Schicksale und eine Stadt. In: Reichsfilmblatt, Nr. 48, 30.11.1929
Dolbin: Robert Siodmak. In: Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 22.2.1930
Film im Sender. Moritz Seeler im Berliner Rundfunk. In: LichtBildBühne, Nr. 58, 8.3.1930
Funk-Kurier. Vom Filmstudio 1930. In: Film-Kurier, Nr. 68, 19.3.1930
Film im Sender. Moritz Seeler über seine Pläne. In: LichtBildBühne, Nr. 76, 29.3.1930
Auferstehungswünsche 1930. In: Der Film, Nr. 19.4.1930
Film-Revue. In: Revue des Monats, H. 6, April 1930, S. 648
Dreigroschenoper? In: Film-Kurier, Nr. 109, 8.5.1930
Les présentations. In: L‘Ami du peuple, Nr. 736, 9.5.1930
Nachwuchs? Bitte: In: Film-Kurier, Nr. 111, 10.5.1930
Roger Blin: In: L‘Ami du peuple du soir, Nr. 556, 16.5.1930
Nero verfilmt Dreigroschenoper. In: Film-Kurier, Nr. 122, 23.5.1930
Du hast's erreicht, Oktavio! In: Neue Mannheimer Zeitung, Nr. 237, 23.5.1930
Pem [Paul Marcus] spricht heute über den Anstifter im Hintergrund. In: Der Film, Nr. 5, 31.1.1931
Hans Kafka: Ich möchte folgenden Versuch machen. In: Film-Kurier, Nr. 46, 24.2.1931
Moritz Seeler gegen Verlag Felix Bloch Erben. In: LichtBildBühne, Nr. 67, 19.3.1931
Moriz Seeler, der Vater des Studio-Films in Deutschland... In: Film-Kurier, Nr. 187, 12.8.1931
Ein Peter-Lorre-Kollektiv. In: LichtBildBühne, Nr. 122, 27.5.1932
W.K. [Walter Kaul]: Moriz Seeler ✝︎. In: Der Roland von Berlin, 5.9.1947, S. 15
Max Krell: Das alles gab es einmal. Stuttgart, Hamburg: Deutscher Bücherbund 1961
Hervé Dumont: Robert Siodmaks avantgardistische Filme. In: Uli Jung, Walter Schatzberg (Hg.): Filmkultur zur Zeit der Weimarer Republik. München u.a.: Saur Verlag 1992, S. 142-151
Brigitte Busch [geb. Borchert]: Menschen am Sonntag. Eine Erinnerung. In: SDK-Newsletter, Nr. 4, Juni 1993, S. 18f
Günther Elbin: Am Sonntag in die Matinee. Moriz Seeler und die Junge Bühne. Eine Spurensuche. Mannheim: persona verlag 1998
Raymond Bellour: Les Hommes, le dimanche. Crisnée: Éditions Yellow Now 2009
Wolfgang Jacobsen: "Der Moriz Seeler muß Euch genügen, Herrschaften!" Ein Porträt. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2015
John Hughes: People on Sunday (Menschen am Sonntag). London: Bloomsbury Publishing 2025 (= BFI Film Classics)