Wäre die Erde nicht rund

DDR 1981 Spielfilm

Inhalt

Während ihres Studiums in Moskau lernt die DDR-Bürgerin Christiane den aus Syrien stammenden Kommilitonen Hatem kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung. Sie werden ein Paar und bekommen sogar ein gemeinsames Kind. Als das Studium sich dem Ende neigt, taucht jedoch die Frage auf, ob es für Christiane und Hatem eine gemeinsame Zukunft geben kann. Nachdem Hatem ihr erklärt hat, dass sie in Syrien als Frau ihre Arbeit nicht ausüben könne, schlägt Christiane vor, gemeinsam in die DDR zu gehen. Dies aber kommt für Hatem nicht in Frage, da er dies als Verrat an seinem Land betrachten würde. So bleibt den beiden jungen Menschen nur die Wahl, getrennte Wege zu gehen.

Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Christiane aus Ost-Berlin (die polnische Schauspielerin Bożena Stryjkówna) studiert Geologie im fünften Jahr in Moskau. Wie ihr aus Damaskus stammender Kommilitone Hatem (der aserbaidschanische Schauspieler und Volkskünstler Rasim Balajew), mit dem sie eine kleine Tochter (Sylke Alberts) hat. Als diese nach einer Infektion der Luftwege ins Krankenhaus eingeliefert wird, darf Christiane ins gleiche Zimmer ziehen, aber Papa Hatem muss draußen bleiben – und nächtigt auf einer Parkbank in Sichtweite des Krankenzimmer-Fensters.

Das durch Gespräche mit einer empathischen Krankenschwester leichter erträgliche Warten auf die allmähliche Gesundung ihrer Tochter lässt Christiane ihr bisheriges Leben Revue passieren, das Iris Gusner in zwei Hauptsträngen erzählt, die von Renate Bade zu nicht immer chronologisch auf der Zeitachse geschnitten Blöcken miteinander verzahnt hat.

Der erste erzählt vom Aufwachsen Christianes in dörflich geprägter DDR-Provinz. Erste Bezugspersonen sind nicht ihre Mutter Lydia oder gar ihr Stiefvater Robert, der sie offenbar gegen ihren Willen adoptieren möchte, sondern Großmutter Valeska und besonders der, je nach Blickwinkel, als versponnen geltende oder für verrückt erklärte Großvater Johannes (der polnische Schauspieler Franciszek Pieczka). Der sich weniger um die Vermarktung der Kartoffelernte als um sein Perpetuum Mobile kümmert, für das er in der nächsten Stadt immer weitere technische Gerätschaften erwirbt.

„Die Versorgung der Bevölkerung mit Baumaterial geschieht planmäßig“: Von Großvater Johannes, der allen bürokratischen Hindernissen eines überkorrekten Beamten vom Rat des Kreises trotzt und sich über das sachkundige Interesse des ihn begleitenden Volkspolizisten freut, hat sie die Lebensmaxime „Sich selbst finden, ist das Wichtigste im Leben“ mit auf den Weg bekommen. Welcher sie jetzt nicht nur zum Studium nach Moskau geführt hat, sondern etwa auch zum naturgemäß freiwilligen Wassermelonen-Ernteeinsatz nach Aserbaidschan und zur geologischen Exkursion zum „Dach der Welt“ nach Tadschikistan.

Letztere gibt Hatem die Gelegenheit, Christiane bei einem Zwischenstopp in Usbekistan die weltberühmten Stätten des sunnitischen Islam in Samarkand zu zeigen, darunter die Bauten am Registanplatz. Wobei wir mittendrin im zweiten, in Rückblenden erzählten Handlungsstrang wären, dem Moskauer Studium. Christiane und Hatem gehören zusammen mit Sakura, dem „schönsten Mann Kirgisiens“, mit Parikshad, der als erster aus der Freundesgruppe sehr emotional am Flughafen in die Heimat verabschiedet wird, und dem georgischen Paar Galja (Iris Gusners zwei Jahre jüngere russische WGIK-Kommilitonin Galina „Galja“ Komarowa) und Gia, dem eine opulente Hochzeitsfeier ausgerichtet wird, zu einer Moskauer Studentengruppe, die im gleichen Wohnheim untergebracht ist.

Man hilft sich gegenseitig, feiert zusammen, freundet sich an – und verliebt sich. Wie Christiane und Hatem. Aber schon lange bevor ihre Tochter das Licht der Welt erblickt hat, steht die Frage nach einer gemeinsamen Zukunft im Raum. „Wie werden wir leben und wo?“ fragt Hatem, der weiß, dass Christiane als Frau in Syrien nicht ihrem Beruf nachgehen kann. Und er unbedingt nach Damaskus zurückkehren will, um sein in Moskau erworbenes Wissen zum Wohle seines Landes praktisch umzusetzen. Christiane leidet unter seiner Eifersucht, die bis zur körperlichen Züchtigung reicht, unter der herabsetzenden Randstellung der Frauen bei Treffen im Familienkreis von seinen Freunden – und will trotzdem ein Kind von ihm.

„Ich kann dich nicht mitnehmen. Das wäre einfach ein Verbrechen“: Nachdem der gemeinsame Bücherbestand aufgeteilt ist, verabschiedet sich Hatem in der letzten Einstellung herzlich von seiner Tochter, so jedenfalls die offizielle Lesart. Die Szene, in der er sein Kind auf den Schultern trägt, das der mit einigem Abstand folgenden, den Tränen nahen Christiane fröhlich zuwinkt, könnte man aber auch anders lesen.

Iris Gusner (in: „Start in Moskau“, Berlin, Defa-Stiftung, 2018): „Auch die Liebe kann sich zu einem Perpetuum mobile, zu einem unlösbaren Problem für die Betroffenen entwickeln, wenn ihre Realisierung aus gesellschaftlichen und kulturellen Unterschieden die Selbstaufgabe des einen der beiden Partner verlangt. Der Vater des Kindes denkt keinen Moment daran, sein Land aufzugeben, das ihn braucht. Sein Beruf ist seine Berufung, der er folgen wird. Er ist wie der Großvater, der seiner Berufung folgt. Ein Mann macht ‚seins‘, Liebe und Familie kommen an zweiter Stelle. Auch die Heldin entscheidet sich für ihren Beruf, für die Trennung. Sie wird versuchen, neben dem Muttersein ebenfalls ‚ihres‘ zu machen.“

In „Wäre die Erde nicht rund“ hat Iris Gusner auch eigene Erfahrungen verarbeitet: Als Studentin der Moskauer Filmschule WGIK verliebte sie sich in Abdul Hadi Al Rawi, einen Kommilitonen aus dem Irak. Das Paar bekam 1965 eine Tochter – Amina Gusner, die heute selbst als Regisseurin sowie auch als Schauspielerin in Deutschland und Österreich tätig ist. Der mit Unterstützung von Sovinfilm Moskau und dem Gorki-Studio Moskau entstandene Spielfilm ist nach der Uraufführung mit nur zehn Kopien ausschließlich in sog. Kunstfilmtheater „abgeschoben“ worden, so Iris Gusner. Sie hat erst Jahre später erfahren, dass ihr am 25. Februar 1984 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlter Film zu den am häufigsten ins Ausland verkauften Defa-Produktionen gehört.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2470 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.12.1981, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Wäre die Erde nicht rund
  • Weiterer Titel (DD) Perpetuum mobile

Fassungen

Original

Länge:
2470 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.12.1981, Berlin, International