Straßenbekanntschaft

Deutschland (Ost) 1947/1948 Spielfilm

Inhalt

Nachkriegszeit. Erika sehnt sich nach den Entbehrungen der Kriegszeit nach einem abwechslungsreichen Leben. Ihr Freund Walter, ein Journalist, kann ihr das nicht bieten. Bei ihrer Freundin Annemie lernt sie Männer kennen, die sie mit Seidenstrümpfen und Konfekt verwöhnen. Bei einer Gesundheitskontrolle stellt man fest, dass sie geschlechtskrank ist. Gerade noch rechtzeitig erkennt sie, dass sie sich am Rande der Prostitution bewegt hat. Ihr Freund Walter gibt ihr eine zweite Chance.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Falk Schwarz
Von Liebe allein wird keiner satt
Erika: "Haben Sie eine englische Zigarette?" Walter: "Woher denn? Bei meiner ehrlichen Arbeit..." 1948 in Berlin. In Schwarzmarktzeiten kam mit ehrlicher Arbeit kaum noch ein Kotelett auf den Teller. Alle hungerten. Alle verlernten das Lachen. Viele Menschen veränderten sich. Als er zu ihr sagt: "Ich liebe dich", antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: "Davon werde ich nicht satt". Die Fenster der Wohnungen sind mit Pappe verklebt, an der Decke eine nackte Glühbirne, keine Heizung, kein Holz für den Ofen, durch die zerbrochenen Fensterscheiben zieht es. Erika ist Büglerin und kann sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden. Sie will leben, auch wenn es heißt, sich mit Männern in Klubs abzugeben. Bei ihrer ersten Party ist auch ein Freund (Arno Paulsen) dabei und nur ein Blick von ihm, mit locker im Mundwinkel hängender Zigarette, zeigt: das geht nicht gut aus, du kriegst nicht nur, du musst auch geben. - Regisseur Peter Pewas wertet nicht, er beobachtet, er nimmt uns kommentarlos mit in die Wohnungen derer, die alles haben und in die "Löcher", in denen die Anderen hausen müssen. Kameramann Georg Bruckbauer überhöht die Kontraste zwischen Hell und Dunkel nicht ins Symbolische - wie Friedel Behn-Grund es zur selben Zeit in "Die Mörder sind unter uns" gelang. Bruckbauers Kamera schaut zu, setzt sparsames Licht, arbeitet mit Spotlights, hat öfter mehr die Schatten der Menschen im Blick als die Menschen selber. Als es am Billardtisch zwischen zwei Männern zu einer Rempelei kommt, schwingt die Tischleuchte wild hin und her und lässt die Schatten bedrohlich an der Wand tanzen. Es sind die Details, die diesen Film so nah kommen lassen. Walter zeigt Erika seine Wohnung. Während sie durch die Räume gehen, hören wir, von Ferne, aber doch nah genug, wie jemand am Klavier Tonleitern übt. Alltag, bedrückender Alltag, die Menschen zusammengepfercht in Ruinen. Das sind 61 Filmminuten eines klugen filmischen Beobachters. Mit der Razzia im Café allerdings wendet sich das Blatt. Denn jetzt wird dieser kühl registrierende Film zu einem Aufklärungsfilm, der mit erhobenem Zeigefinger auf die Gefahr von Geschlechtskrankheiten hinweist. Wie die Polizei die Frauen bei der Razzia zusammentreibt ("wie ein Stück Vieh" sagt eine der Frauen), die unangenehmen Verhöre im Gesundheitsamt, die persönlichen Tragödien und Beichten, wer sich bei wem angesteckt hat. - Diese ersten 61 Minuten allerdings eröffnen hier einen filmischen Raum, der fordert.
Heinz17herne
Heinz17herne
Ein älterer Herr blickt durch die Fensterscheibe eines Cafés hinüber zu einer Wäscherei auf der anderen Straßenseite. Als eine junge Frau nach Feierabend das Geschäft verlässt, spricht er sie an und spendiert ihr Nylonstrümpfe. Berlin im Sommer 1947. Die 20-jährige Erika kehrt nach einer Zehn-Stunden-Schicht als Plätterin in besagter Wäscherei in karge vier Wände heim mit Pappe statt Scheiben in den Fensterrahmen, trüben Funzeln an der Decke und einem blinden Spiegel. In denen sie zusammen mit ihren strengen Eltern wohnt, die ihr keine noch so kleine Freude gönnen.

Dass es auch anders geht, zeigt ihre Kollegin und Freundin Else, die sich von ihrem „Dickerle“ verwöhnen und regelmäßig zu einer größeren Gesellschaft einladen lässt, bei der es an nichts fehlt: Bei Annemie biegen sich die Tische voller Leckereien, der Alkohol fließt reichlich. Wenn nur nicht die gierigen Blicke der Männer wären, die bei Erikas erstem Besuch genau verfolgen, wie sie bei lange entbehrten Köstlichkeiten wie Heringssalat und Koteletts zulangt. Dass sie nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muss, wird Erika noch lernen, ist Annemarie sich sicher.

Als sie erst nach Mitternacht nach Hause kommt und von ihrem Vater geohrfeigt wird, reißt Erika aus – und kommt beim mittellosen Journalisten Walter Helbich unter, der sich seit geraumer Zeit sehr um sie bemüht hat. Was bei Annemie nun der alte Stammgast Spitz übernimmt, der Erika mit dem nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Herbert Petzoldt bekannt macht, welcher einen Neuanfang sucht, nachdem seine als Tramschaffnerin tätige Gattin Marion fremdgegangen ist.

Bei einer Razzia der Gesundheitsbehörde, die Walter als Journalist begleitet, muss sich auch Erika untersuchen lassen. In der Klinik erhält sie eine niederschmetternde Diagnose: Gonorrhoe. Offenbar hat sie sich bei Herbert angesteckt, der wiederum erfährt, dass er sich wohl bei Marion infiziert hat. Erika schämt sich und flüchtet aus dem Krankenhaus zu Annemie, deren große Geschwüre sie zufällig entdeckt. Annemie ist schon seit dem Krieg an Syphilis erkrankt und überzeugt Erika, in die Klinik zurückzukehren.

Walter, der stets der festen Überzeugung war, sich auch in schlimmsten Lebenslagen selbst treu bleiben zu müssen, um sich selbst noch in den Spiegel schauen zu können, liebt Erika wirklich und will Verantwortung tragen. Er holt die frisch Genesene von der Klinik ab…

In dem 104 (Defa-Stiftung: 94)-minütigen Spielfilm, gedreht unter dem Arbeitstitel „Falsche Scham“ vom 14. Juli bis 12. Dezember 1947 in Berlin im Auftrag der Zentralverwaltung für Gesundheitswesen, erklären die Ärzte im Gesundheitsamt wie im Krankenhaus der im Krieg aufgewachsenen Jugend, die endlich das Lachen zurückgewinnen will in ihrem hemmungslosen Hunger nach dem Leben und der Liebe, wie gefährlich ungeschützter Sex selbst bei einem One-Night-Stand sein kann – naturgemäß ohne dieses Wort zu gebrauchen. Für den wissenschaftlichen Gehalt des aufklärerischen Schlussteils hat Dr. Klaus Bloemer als sozialhygienischer Berater des Films gesorgt, der mit weit über fünf Millionen Besuchern zu den Blockbustern der Defa gehört.

Uraufgeführt am 13. April 1948 im Berliner Filmtheater am Friedrichshain und zehn Tage später in der SBZ angelaufen, ist „Straßenbekanntschaft“ auch in der britischen, Premiere war am 10. Oktober 1948 in Hamburg, und in der amerikanischen Besatzungszone, Premiere war am 9. Dezember 1949 in München, gezeigt worden. Der nach „Der verzauberte Tag“, in Babelsberg gedreht, 1943 von der NS-Zensur verboten und 1947 in Zürich uraufgeführt, zweite Spielfilm von Peter Pewas blieb sein einziger für die Defa.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Schnitt

Musik

Darsteller

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Dramaturgie

Bauten

Kostüme

Schnitt

Musik

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2846 m, 104 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 13.04.1948, Berlin, Filmtheater am Friedrichshain

Titel

  • Originaltitel (DD) Straßenbekanntschaft

Fassungen

Original

Länge:
2846 m, 104 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 13.04.1948, Berlin, Filmtheater am Friedrichshain