Tragödie der Liebe. Teil 4

Deutschland 1922/1923 Spielfilm

Tragödie der Liebe


Der Kinematograph, Nr. 874/75, 25.11.1923


Das ist der Fluch des Joe May, daß er bei seinen guten Filmen fortzeugend immer neue Teile muß gebären.

Diesmal sind’s nur vier Teile, die man in Berlin an zwei Abenden übersteht. Als die ersten zehn Akte vor Wochen abrollten, war man fasziniert von dem ausgezeichneten Spiel der Darsteller. Neuneinhalb Akte saß man interessiert und gespannt, verzieh den Schluß, weil er nur Überleitung zum zweiten Teil war.

Jetzt aber wartete man darauf, daß endlich alles vorüber sei. Auch die glänzende Leistung Jannings’, die Kunst der Gläßner, das reife, abgerundete, sympatische Spiel der Mia hilft über die Tragödie dieses Restmanuskripts nicht hinweg.

Herr Gaidoroff trägt jetzt einen Bart, der all die glatte Schönheit des Gesichts verhüllt, die ihn im ersten Teil erträglich machte und der nur den einen Zweck hat, daß man jetzt deutlich erkennt, daß man es hier mit einem brauchbaren Liebhaber, aber nie mit einem großen Charakterschauspieler zu tun hat.

Mia May bemuttert und kämpft für ihr Kind, spielt eine sympathische Rolle, die ihr liegt, und wird sich viele Freunde zurückerobern, die sie verlor, weil man ihr Rollen anvertraute, die nicht mehr für sie paßten.

Erika Gläßner verliert im Vergleich zu den ersten beiden Teilen. Sie gibt immer noch eine ausgezeichnete Leistung, zeigt in vielen Szenen ihre feine, vielseitige Kunst, aber es fanden sich manche tote Stellen, die Gesamtwirkung ist weniger einheitlich.

Nur Emil, der breite kindlichtierische Ombrade, bleibt sich gleich. Er fingert die Sache in der Strafkolonie, er verkracht und verträgt sich dreimal mit seiner Musette. Er hat so viel Nuancen und ist so reich an Einfällen, daß er auch noch zwei weitere Teile – man soll den Teufel nicht an die Wand malen – überstehen würde.

Joe May hat das Ganze an sich gut arrangiert. Er gibt viel Nettes im Einzelnen. Aber ein zwingender Grund zu dieser Fortsetzung lag nicht vor. Sie wird ein Geschäft sein, weil das Publikum neugierig auf den Schluß ist, aber auch eine Enttäuschung.

Eine Enttäuschung durch den Film an sich und durch den Schluß, der psychologisch und kinotechnisch kein Schluß ist, den man nicht verstehen und deshalb auch nicht verzeihen kann, obgleich man Mays Regieleistung bewundert.

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