Tragödie der Liebe. Teil 4

Deutschland 1922/1923 Spielfilm

Tragödie der Liebe


Th., Der Film, Nr. 45/46, 18.11.1923


Um es vorweg zu nehmen: Der zweite Teil der "Tragödie der Liebe" ist mindestens gleich stark, wenn nicht stärker als der 1. Teil.

Darstellerisch ist diesmal Erika Gläßner im Vordergrund. Erika Gläßner als Halbweltdame, dann als Dame von Welt, die immer wieder in ihre früheren Sphären zurückfällt. Es ist reizvoll zu sehen, wie sie es versteht, ihre weiblichen Waffen ins Gefecht zu führen, und wie sie an den Ausbrüchen schrankenloser Verzweiflung das Naturmädchen wird, das hemmungslos sich seinen Gefühlen hingibt. Eine ausgezeichnete Charakteristik, die bis in die kleinsten Bewegungen hinein verinnerlicht ist und doch nie das Gefühl aufkommen läßt, daß es sich um bewußte Darstellung, eben um Theater, handelt. Das Werben um ihre Liebe, die Eifersuchtsszene im Ballhaus, die Szene mit Ombraden und die helle Verzweiflung über die unerwiderte Liebe sind Augenblicke größter Darstellungskunst.

Nicht so in den Vordergrund, aber doch gleich stark stellt sich Mia May ihr zur Seite. Sie gibt Tragik, die Tragik der Mutter, die für ihr Kind totgesagt worden ist und die alles daran setzt, ihr Kind nur von weitem zu sehen, es gelegentlich unerkannt sprechen zu können. Die kleine Szene im Kaffee, wo sie unerkannt Wiedersehen mit ihrer Tochter feiert, der brennende Eifer sich ihr zu nähern, und das Zurückdämmen auf den Blick des Dieners, die Szene im Wagen, der Schmerz über die Eifersucht der Tochter (Charlotte Ander) sind Glanzstücke ziselierter vermenschlichter Darstellung.

Selbstverständlich ist Jannings als Ombraden wieder einzigartig. Die Darstellung ist nuancenreich, nuanciert auf die schärfste Beobachtung, Bewegungen, Gefühlsmomente werden durch kleine Bewegungen der Hände, des Mundes, des ganzen Körpers ausgedrückt, man spürt, bei den Ausbrüchen wilder Wut das Tierische, das in Ombraden steckt, und das Gegenstück hierzu, die Gutmütigkeit in den Szenen, in denen er die weinende Musette tröstet und versucht, ihr zu gefallen.

Einzelmalerei, die von glänzender Wirkung ist, ein Menschenschicksal, das in Jannings einen Verkörperer gefunden hat.

Gaidarow ist noch etwas starr im Ausdruck. Das vielfache Lied, das er zur Wiedergabe zu bringen hat, zwingt notgedrungen zu einer Monotonie.

Wie im 1. Teil ist es eine Meisterleistung der Regiekunst von Joe May. Ein ständiger Fluß liegt in der Handlung, spannt jeden Augenblick das Interesse von neuem und hat, trotz der Handlungsgebundenheit, genügend Raum, sämtliche Einzelheiten zu beobachten und skizzenhaft zur Wiedergabe zu bringen. Man merkt deutlich, mit welcher Liebe und Sorgfalt Joe May vorgegangen ist, mit welchem Fleiß die Ausführung vorbereitet und durchgeführt wurde.

"Tragödie der Liebe" als Ganzes ist ein Glanzstück in der deutschen Filmindustrie und ein Kabinettstück kultivierter Regiekunst.

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