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Zishe Breitbart, der Sohn eines jüdischen Schmieds in Polen und stärkster Mann weit und breit, geht 1932 auf Einladung eines Agenten nach Berlin, um in der Millionenstadt im Varieté Karriere zu machen. Während sein Chef Hanussen davon träumt, unter Hitler ein allmächtiges Ministerium des Okkulten zu errichten, wird Zishe als germanischer Kraftkerl Siegfried mit künstlichem Blondhaar von den Nazis bejubelt. Als Hitlers Macht jedoch wächst und in Berlin antisemitische Krawalle losbrechen, erträgt der "arisierte" Jude die Scharade nicht länger, schleudert dem empörten Publikum die Wahrheit ins Gesicht und will fortan nur noch als Samson auftreten.
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Und das ausgerechnet als kettensprengender und schwerterverbiegender blonder Siegfried vor einem ausgesuchten Nazi-Publikum im „Haus des Okkulten“. Dem wenig gläubigen, aber gradlinigen Zishe wird die Verstellung schnell zuwider und an einem Abend vor natürlich ausverkauftem Haus outet sich der blondperückte Vorzeige-Arier als Jude und verkündet, er wolle künftig nur noch als Samson auftreten. Nun erhält die Hanussen-Show (mit Max Raabe als Conferencier) ungeahnten Zulauf vom jüdischen Publikum.
Hanussens Kasse klingelt. Für die Juden Berlins, auch für Rabbi Edelmann, wird Zishe zur Symbolfigur, für die Nazis dagegen zur unerträglichen Provokation. Schließlich macht Zishe, der sich in Hanussens Freundin Marta Farra (die junge russische Ausnahme-Pianistin Anna Gouari) verliebt hat und bereit ist, sie aus den Händen ihres Peinigers zu befreien, publik, dass Hanussens Magie nur auf faulem Zauber beruht.
In einem Gerichtsverfahren, das auf Betreiben des Stammgastes Graf Helldorf, dem Polizeipräsidenten Berlins, eröffnet wird, liefert Zishe den „Magier“ ans Messer der Nazis (die den echten Hanussen zuerst als einen der ihren, ja als Propheten Adolf Hitlers verehrten und förderten, dann aber 1933 ermordeten). Er erfährt zu spät, dass der angebliche dänische Aristokrat und machttrunkene Nazi-Propagandist selbst ein böhmischer Jude ist.
Verschreckt auch vom aufkommenden Straßenterror gegen die Berliner Juden kehrt Zishe zurück in sein Dorf, um im Schtetl vor den Nationalsozialisten zu warnen. Doch der Prophet gilt nichts im eigenen Land, die Juden fühlen sich allzu sicher – und Zishe stirbt, zwei Tage vor Hitlers Machtergreifung, an den Folgen einer Verletzung, die er sich bei einem törichten Nagelbrett-Wettkampf zuzog.
Herzogs Vorbild, der „Eisenkönig“ genannte jüdische Kraftsportler Siegmund Breitbart (1893 Stryków – 1925 Berlin) starb bereits zweiunddreißigjährig an einer zu spät behandelten Blutvergiftung, die er sich bei einem Auftritt im polnischen Radom durch einen versehentlich ins Knie getriebenen Stahlbolzen zugezogen hatte.
Herzogs erster Spielfilm nach zehn Jahren, uraufgeführt am 3. September 2001 bei den Filmfestspielen Venedig, rief ein stark kontroverses Echo hervor. So sprach die FAZ von einem „kinematographischen Waterloo“ mit dem muffigen „Vilsmaier-Touch der neueren deutschen Historienmalerei“. Dabei zeigt die „edel bebilderte, aber naive Politparabel“ (TV Spielfilm) eindrucksvoll, und authentischer als etwa „Cabaret“, die schillernde Varietéwelt Berlins der 1930er Jahre und gibt einen Einblick in die Zeit und die Stimmung unmittelbar vor Beginn des Nazi-Terrorregimes.
Es stimmt schon, Herzog verschiebt die Zeitachse der Biographie seines Helden nach hinten und setzt stärkste Mittel ein: Wagner-Klänge, magische Spiritualität, dekadente Nazis und dümmlichste SA-Kotzbrocken auf der einen, ländlich-folkloristische Schtetl-Idylle, das Klischee einer liebevollen Großfamilie (Jacob Wein als Zishes kleiner Bruder Benjamin) und eine emotionale, mit pathetischer Musik unterlegte Liebesgeschichte auf der anderen Seite.
Doch warum soll es verwerflich sein, wenn „Invincible“, bei der Biennale in Venedig uraufgeführt und einziger deutscher Wettbewerbsbeitrag 2002 in Cannes, nicht nur dem dortigen Publikum das Wasser in die Augen treibt? Was ist daran auszusetzen in diesen unseren zivilcouragearmen Zeiten, wenn Werner Herzog mit einem parabelhaften Lehrstück über jüdische Identität, das so trocken und langweilig, wie zahlreiche Kritiker behaupten, ja nicht sein kann, Zeichen setzt? Und schadet es wirklich, dass Tim Roth der einzige Star dieser internationalen Produktion ist? Der Engländer, weltbekannt aus Streifen wie „Wilde Hunde“ und „Pulp Fiction“, beweist als bester Schauspieler im Herzog-Team erneut seine Klasse im Charakterfach.
Pitt Herrmann