Der dokumentarische DEFA-Spielfilm

Um 1970 bereitete sich eine neue Filmemacher-Generation darauf vor, die Filmakademie Potsdam-Babelsberg zu verlassen und das DEFA-Studio mit neuen Ideen zu bereichern. In Rückbesinnung auf den Neorealismus proklamierten sie den Stil des "dokumentarischen Spielfilms" (der Begriff wurde von Lothar Warneke geprägt) und erzählten Geschichten aus dem Alltag, indem sie fiktionale mit dokumentarischen Elementen vermischten. Sie verabschiedeten sich vom starren Konzept des Sozialistischen Realismus mit seinen positiven Helden und typischen Charakteren und wandten sich stattdessen der Darstellung von Individuen mit spezifischen Problemen zu. Dieser neue Trend konnte sich ideologisch auf eine wissenschaftliche Abhandlung mit dem Titel "Subjektiver Faktor und Filmkunst" berufen. Erschienen war diese Abhandlung bei der Parteihochschule der SED und verfasst von einem Absolventen der Filmhochschule, Rudolf Jürschik, der später Chef-Dramaturg und künstlerischer Leiter des DEFA-Studios für Spielfilme werden sollte.

 
Quelle: DIF© DEFA-Stiftung
Rolf Römer (2.v.l.) in "Jahrgang 45"
 

Das filmische Vorbild dieser Gruppe für den "dokumentarischen Spielfilm" war Jürgen Böttchers verbotener Film "Jahrgang 45", der in den Straßen von Berlin von Kameramann Roland Gräf aufgenommen worden war. 1968 stand Gräf für Frank Vogels "Das siebte Jahr" hinter der Kamera, 1969 für Herrmann Zschoches Roadmovie "Weite Straßen – stille Liebe" und für Lothar Warnekes "Dr. med. Sommer II", ehe er sich 1970 mit "Mein lieber Robinson" selbst der Regie zuwandte. Alle diese Filme erzählten zeitgenössische Geschichten, ohne dabei weitreichende politische Aussagen zu machen.