Sommer vorm Balkon

Deutschland 2004/2005 Spielfilm

Inhalt

Nike und Katrin wohnen in einem alten Mietshaus im Berliner Osten und sind beste Freundinnen. Tagsüber gehen sie ihrer Wege – die schlagfertige Nike arbeitet als Altenpflegerin, die geschiedene Katrin sucht lange schon einen Job und kümmert sich gleichzeitig um ihren pubertierenden Sohn Max. Die lauen Sommernächte indes verbringen die beiden Frauen gemeinsam auf Nikes Balkon, teilen ihre Erlebnisse und Träume auf der Suche nach dem Glück im Alltag. Trotz getrennter Wohnungen leben sie so irgendwie zusammen, doch als der LKW-Fahrer Ronald auf der Bildfläche erscheint, droht sich dieses Leben grundlegend zu ändern.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Nike hat einen Balkon, Katrin einen Sohn, Ronald fährt einen Truck, Tina ist Kellnerin, Oskar und Helene sind alt und allein. Ob mitten im Leben oder fast am Ende oder eben am Anfang, sie alle fragen sich das gleiche: Dauert die Liebe über die Jahreszeiten? Oder ist sie nur ein Botenstoff im Hirn, der kommt und geht? Nike wohnt oben im Haus und Katrin unten, mit offenen Fenstern. Nike kümmert sich um Oskar und Helene und um jemand, der seinen Namen nicht mehr weiß. Katrin rennt sich die Hacken ab nach Arbeit. Ihr Sohn Max rennt in alten Turnschuhen in sein erstes Unglück. In unsicheren Verhältnissen ist der Balkon ein sicherer Ort. Doch eines Tages nimmt Ronald dort Platz, der als Mann alles richtig macht und vieles falsch. Wo geht Katrin hin? Jeder braucht einen anderen, wenn der Mond auf die Stadt scheint. Es wird gelebt und gestorben, und es ist immer noch Sommer in Berlin.“ Schöner als diese „Anmerkung vom Autor“ kann der Inhalt des bereits vor der Kinopremiere beim Int. Filmfestival San Sebastian (Andreas Dresen: Beste Regie) sowie beim Int. Filmfestival Chicago (Inka Friedrich und Nadja Uhl: Beste Darstellerinnen) ausgezeichnete Film nicht beschrieben werden. Wolfgang Kohlhaase, der sich 1980 mit dem DDR-Kinohit „Solo Sunny“ in die deutsche Filmgeschichte geschrieben hat, ist mit „Sommer vorm Balkon“ weit mehr als nur eine lakonisch erzählte Filmkomödie gelungen.

Katrin und Nike sind Singles wider Willen und wohnen im selben Haus im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg. Katrin zu ebener Erde – mit ständig weit geöffneten Fenstern, Nike im dritten Stock. Ihre Wohnung verfügt über einen Balkon, und auf dem sitzen die beiden Freundinnen so manchen Abend sozusagen zwischen Himmel und Erde und blicken auf das bunte und dabei doch so schwierige Dasein, in dem die richtigen Männer oft die falschen sind und in dem frau besser durchkommt, wenn sie nicht nur schön ist, sondern auch stark. Katrin hat es als alleinerziehende Mutter von Max nicht leicht. Sie trauert nicht nur ihrem ehemals glücklichen Familienleben nach, sondern schreibt eifrig – und meistens vergeblich – Bewerbungen. Die gelernte Graphikerin und Schauwerbegestalterin unterzieht sich sogar einem Bewerbungstraining, um ihre nicht gerade glänzenden Vermittlungschancen zu erhöhen.

Weil das Arbeitsamt nichts Passendes findet, versucht sie ihr Glück auch bei privaten Agenturen (Traute Hoess in einer bemerkenswerten Episodenrolle). Und weil weder in Tinas Kneipe (Stephanie Schönfeld als Kellnerin mit Herz, aber durchaus eigenen amourösen Interessen) noch in der Disco der richtige Mann zu finden ist, spekulieren die beiden Freundinnen aus der Vogelperspektive des Balkons schon ’mal auf den bürgerlichen Apotheker von der Ecke vis-a-vis. Der könnte den richtigen „Vater“ für Max abgeben, welcher gerade seinen ersten Liebeskummer durchstehen muss. Da hat es die attraktive Nike schon wesentlich leichter. Mit einem sicheren, wenn auch harten Job als Altenpflegerin und genug Selbstbewusstsein, gepaart mit Berliner Kodderschnauze, liegen ihr die Männer scharenweise zu Füßen. Wie Ronald, der coole Macho von Truckfahrer, der beinahe die wieder einmal gedankenabwesende Katrin mit seinem Bruttoregistertonnen-Ungetüm überfahren hätte. Ronald nistet sich bei Nike ein, die genau weiß, was sie an ihm hat, obwohl der mit Tattoos übersäte Proll nicht gerade ein Vorzeige-Lover ist: „Glaubst Du eigentlich, weil hier sexuell was läuft, kannst du dich wie’n Arsch benehmen?“. Als es Nike ’mal wieder zu viel wird, auch beruflich mit ihren schwierigen Stammkunden Helene, Oskar und Neumann, sperrt sie Ronald kurzentschlossen nachts auf dem Balkon aus...

Andreas Dresen ist mit „Sommer vorm Balkon“ eine beschwingte, schwebend-leichte und in den kalten Wintertagen des Kinostarts herzerwärmende Komödie mit reichlich Prenzlberger Lokalkolorit gelungen. Dabei bietet die Vorlage von Wolfgang Kohlhaase zahlreiche Klippen: Großstadtballade über Einsamkeit und Solidarität, Dreiecksbeziehungen in ständig wechselnden Konstellationen, Patchwork-Familien-Stress, Arbeitslosigkeits-Sozialdrama – genug Stoff also für eine kitschige Sozialschnulze. Doch Andreas Dresen hält mit tollen Schauspielern (selbst Axel Prahl gibt sich in einer kleinen, stummen Kneipensequenz die Ehre), lakonischen Dialogen und ganz unspektakulären Szenen, die einmal mehr seine Liebe zum Detail unterstreichen, die Balance zwischen Komik und Tragik. Weil er seine Figuren mit großer Sympathie zeichnet und dem Publikum ganz nahebringt, ohne sie diesem mit Ironie auszuliefern. Am Ende sitzen die nach manchen Missverständnissen und Problemen wieder vereinten Freundinnen auf dem Balkon: „So ist das Leben.“ – „Aber wirklich!“.

Pitt Herrmann


Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Material-Assistenz

Standfotos

Titelgrafik

Requisite

Maske

Kostüme

Schnitt

Ton-Schnitt

Ton-Assistenz

Mischung

Musik Sonstiges

Darsteller

Produzent

Co-Produzent

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Produktions-Assistenz

Erstverleih

Dreharbeiten

    • 20.08.2004 - 08.10.2004: Berlin-Prenzlauer Berg
Länge:
3018 m, 110 min
Format:
Super16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 28.10.2005, 104147, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 09.09.2005, Toronto, IFF;
Erstaufführung (DE): 28.10.2005, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 05.01.2006;
TV-Erstsendung (DE FR): 21.02.2008, Arte

Titel

  • Originaltitel (DE) Sommer vorm Balkon

Fassungen

Original

Länge:
3018 m, 110 min
Format:
Super16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 28.10.2005, 104147, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung: 09.09.2005, Toronto, IFF;
Erstaufführung (DE): 28.10.2005, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 05.01.2006;
TV-Erstsendung (DE FR): 21.02.2008, Arte

Digitalisierte Fassung

Länge:
110 min bei 25 b/s
Format:
DCP 2k, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, 5.1

Auszeichnungen

Preis der deutschen Filmkritik 2007
  • Bestes Drehbuch
Club der Berliner Filmjournalisten 2006
  • Ernst-Lubitsch-Preis
Bayerischer Filmpreis 2005
  • Bayerischer Filmpreis, Regiepreis
  • Regiepreis Andreas Dresen
FBW 2005
  • Prädikat: Besonders wertvoll
IFF Chicago 2005
  • Silberner Hugo Beste Darstellerin Inka Friedrich
  • Silberner Hugo Beste Darstellerin Nadja Uhl
IFF San Sebastian 2005
  • Bestes Drehbuch Wolfgang Kohlhaase