Inhalt
Sibylle, resolute Küchenchefin einer Fabrik, lernt auf dem Betriebsfest Harald, Reparaturschlosser und Witwer mit zwei Söhnen, kennen. Sibylle ist des Alleinseins müde, möchte endlich ihrem Leben über den Berufsalltag hinaus einen Sinn geben, und Harald wächst mitunter die Rolle des alleinerziehenden Vaters über den Kopf. Eine Beziehung beginnt und scheint gleich wieder beendet, denn sie ist nicht unbedingt auf Liebe gegründet. Doch dann beschließt Sibylle, von nun an alles ganz anders zu machen. Tatsächlich steht sie bald darauf mit einer Unmenge von Koffern vor Haralds Haus. Man will zusammen leben. Beide sind fast erstaunt über ihre eigene Courage und hoffnungsvoll genug, zu glauben, daß es gut gehen wird.
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Privat freilich hat die Nachfrage für die sich nicht gerade attraktiv gebende Enddreißigerin schon vor geraumer Zeit nachgelassen, als ihr Verlobter in den Westen 'rübergemacht hat. Und das Verhältnis mit dem wesentlich älteren und naturgemäß verheirateten Kollegen Hartloff, der selbst auf der Betriebsfeier kaum ein freundschaftliches Wort mit ihr zu wechseln wagt, ist aus Sibylles Sicht eigentlich schon längst keines mehr. So lässt sie mehr aus Verzweiflung „die rosarote Kuh steigen“ und stürzt sich ins Tanzvergnügen.
Das in einer zumindest ansatzweise gemeinsam verbrachten Nacht mit dem ebenfalls stark alkoholisierten und seiner Sinne kaum mächtigen Kollegen Reich gipfelt, was nun wirklich nicht abzusehen gewesen ist. Wer sich mit den Worten „Ich kann traurige Frauen nicht sehen“ an der Bar neben eine Dame setzt, kann sich eigentlich nur einen Korb einhandeln. Doch die frischgekürte „Aktivistin“ will partout nicht so einsam sterben wie jüngst eine betagte Nachbarin im Plattenbau-Komplex, deren Leiche eher zufällig entdeckt worden ist.
Zunächst bricht eine Zeit der Funkstille aus, nachdem Sibylle am anderen Morgen das Bett neben dem ihren verlassen vorfand. Aber als sich herausstellt, dass Reichs Frau an Krebs gestorben ist und der in etwa gleichaltrige Witwer sich nun um zwei Söhne kümmern muss, wobei Holger, der ältere, bei der Nationalen Volksarmee dient und nur sporadisch nach Hause kommt, zieht Sibylle kurzerhand samt Meerschweinchen bei ihm und dem kleinen Pierre ein.
Sibylle schlüpft über Nacht in die Rolle der Hausfrau und Mutter: Kündigt zum Entsetzen ihrer Vorgesetzten und Freundin Hannelore ihren Job, stellt den Garten auf den Kopf, lässt mit Hilfe eines Theater-Kunstmalers (skurrile Episodenrolle: Rolf Ludwig) die Wohnung neu gestalten, versöhnt sich mit ihrer Mutter und gibt den Kindern das Gefühl einer richtigen Familie. Nur der überrumpelte und zunehmend überforderte Reich zieht sich immer mehr in sein Amateurfunker-Studio zurück - bis er eines Tages spurlos verschwindet...
Lothar Warnekes Spielfilm über die (Un-) Möglichkeit der Liebe in der Alltagswelt zeichnet, abgesehen vom souveränen Handwerk, das auch an der sorgsamen Besetzung selbst kleinster Nebenrollen ablesbar ist, ein erstaunlich kritisches Bild der DDR-Provinz abseits der Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden. Die Tristesse der sozialistischen Arbeiter-Schließfächer in den Plattenbau-Siedlungen wird ebenso wenig verschwiegen wie der weit verbreitete Alkoholismus in den Industriekollektiven oder die Verlogenheit der heute geradezu lächerlich wirkenden Sinnsprüche in den Leitungsbüros und selbst auf der Bühne des Betriebsfestes.
„Eine sonderbare Liebe“ zeichnet ein sehr differenziertes, auch widersprüchliches Menschenbild im real existierenden Sozialismus. Als der ständig gut gelaunte Kollege Hans mitbekommt, wie einsam es um den alleinerziehenden Witwer bestellt ist, rät er diesem, in die Offensive zu gehen und seinen Jüngsten ins Heim zu geben. Was für Harald, der selbst in einem Heim aufgewachsen ist, nicht in Frage kommt: „Es wird keine Ordnung im Großen geben, wenn es mit dem Kleinkram nicht stimmt.“ Eine Maxime, die Sibylle als Kantinenleiterin sofort unterschrieben hätte.
„Warum müssen Menschen so zueinander sein?“: Mit Sibylle und Harald haben sich auch im übertragenen Sinne zwei Linkshänder gefunden, die sich aus purer Vernunft zusammentun: „Bei uns ist das eben anders. Wir ziehen erst zusammen und dann lernen wir uns kennen.“ Dass am Ende einer auf der Strecke bleibt (Harald: „Ich wollte 'ne Frau und keine Gouvernante“), kann daher nicht von langer Dauer sein...
Pitt Herrmann